In vielen Rankings glänzt die Schweiz als ein Land der guten Ideen. Das gilt auch für umweltfreundliche Technik. Energiesparen, recyclen, nachhaltig produzieren: Das liegt im Trend und hat die Zahl der Jobs in diesem Bereich innert fünf Jahren um 25 Prozent gesteigert. Das zeigt der «Swiss Cleantech Report», der gemeinsam von den Bundesämtern für Energie und Umwelt mit mehreren Partnern erhoben wurde.

Oft seien es wenige entscheidende Innovationen, die einen Bereich entscheidend voranbrächten, so Patentexperte Heinz Müller. Im Gespräch äussert er sich über die ehrgeizigen Batteriepläne von Swatch-Tochter Belenos. Ausserdem erklärt er, warum Nestlé für seine Kaffeekapseln-Entsorgung zu loben ist.

Was macht eine Innovation zu einer Cleantech-Innovation?
Heinz Müller*: Sie muss Treibhausgas-Emissionen reduzieren, so hat es das europäische Patentamt definiert.

Sie nennen Nestlé als ein Beispiel für ein relevantes Unternehmen im Abfallmanagement. Warum?
Nestlé hält ganz wenige, aber sehr wichtige Patente in dem Bereich. Diese betreffen die vom Konzern produzierten Kaffeekaseln. Nestlé hat umfangreich investiert, um die Kaffeekapseln umweltfreundlich herzustellen und zu recyceln. Dafür hat das Unternehmen relativ viel Forschungsaufwand betrieben und auch Patente angemeldet.

Ist das nicht ein Widerspruch, dass ein Unternehmen als vorbildlich gilt, weil es den Müll entsorgt, den es selbst produziert?
Richtig, aber Nestlé hat nahezu gleichzeitig mit der Kapselproduktion begonnen, diese Dinge in den Griff zu bekommen. Das finde ich in Ordnung, wenn ein Unternehmen neue Produkte generiert und parallel schaut, dass diese umweltgerecht produziert und entsorgt werden.

Was ist denn der wichtigere Anspruch von Cleantech-Innovationen? Geht es darum, Folgeschäden der Industrie auszugleichen oder Probleme von vorne herein zu vermeiden?
Konsequenzen auszugleichen ist gut. Wir haben Jahrhunderte keine Konsequenzen ausgeglichen, was die Umwelt anbelangt. Da müssen wir aufräumen. Darüber hinaus müssen wir natürlich schauen, dass wir die Ursachen angehen und Probleme an der Wurzel klären.

Als zweites Leuchtturm-Beispiel für Innovationen aus der Schweiz nennen Sie Lithium-Batterien. Welche Entwicklung hat die Schweiz hier in den letzten 15 Jahren gemacht?
Grosse Entwicklungen. Die ETH ist stark in diesem Gebiet tätig. Es gibt hier noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. Die Technologie, die das Start-up Belenos übernommen hat (das für Swatch neuartige Auto-Batterien baut, Anm. d. Red.), ist schon dreimal besser als das, was auf dem Markt ist. Sie ist besser von der Energiedichte her, Belenos kann also mit leichteren Batterien mehr Energie speichern. Das Speichern von Energie ist eine der grossen Herausforderungen von Cleantech – von der produzierten Energie geht immer noch viel verloren. Wir suchen nach einer Möglichkeit, produzierte Energie auch voll nutzen zu können.

Wo steht die Schweiz als Batteriehersteller im internationalen Vergleich?
Wenn wir die besten 10 Prozent der Hersteller vergleichen, steht die Schweiz mittlerweile auf Rang drei bei den angemeldeten Patenten. Das ist fast zu 100 Prozent Belenos zu verdanken.

Elektrofahrzeughersteller Tesla, der seine Gigafactory für Batterien plant, taucht nicht auf.
Der Vergleich wäre hier auch möglich gewesen. Ich habe den Vergleich der Schweiz mit Deutschland angeschaut. International fällt die Schweiz beim Produktionsumfang ab, sie ist aber von der Innovationskraft der Patente her sehr gut im Rennen.

Welche gesamtwirtschaftliche Bedeutung hat diese Top-Platzierung?
Belenos plant für Swatch, Batterien für Elektroautos in grossen Umfang produzieren. Der Uhrenhersteller will jährlich Milliarden Franken damit verdienen. Daran sehen Sie, welche Bedeutung das für die Schweizer Industrie haben wird. Und die Produktion wird auch in der Schweiz stattfinden, das heisst, es werden Arbeitsplätze geschaffen.

Die Produktion ist doch in China geplant.
Teilweise, aber andere Bereiche werden in der Schweiz angesiedelt.

Auch bei Lithium-Ionen-Batterien gibt es Herausforderungen, was die Umweltbilanz betrifft. Die Lebensdauer spricht für sie, aber es kommt wesentlich auf die Herstellung und den später eingespeisten Strommix an. Bewerten Sie das auch?
Das ist nicht einberechnet, es geht allein um die Technik der Batterien. Wie das weiter verarbeitet wird, ist nicht einbezogen.

Ein Argument, das bei Cleantech oft genannt wird, ist die positive Aussenwirkung, die dadurch entsteht. Wie wichtig ist zum Beispiel die Batterieproduktion für die Schweizer Exporte?
Ich denke, sehr wichtig. Wir haben traditionell eine grosse Stromindustrie. Wir haben zum Beispiel in diesem Frühjahr viel Strom exportiert. Das wäre auch für den Batteriebereich nur ein logischer Schritt.

Jetzt ist in dem Fall so, dass Belenos fast als alleiniger Impulsgeber Bewegung in ein Marktsegment bringt. In welchen anderen Sparten in der Schweiz ist das ähnlich?
Zum Beispiel bei Biotech. Da haben wir kleine Startup-Firmen, die sehr innovativ sind und entsprechend international Beachtung finden. Das ist teils ähnlich wie bei Belenos, die Patente von Universitäten erworben haben. Oft werden die Biotechs mit interessanten Projekten dann wiederum von grossen Pharma-Konzernen aufgekauft.

Bei der Förderung von Cleantech kritisiert der aktuelle Report die Konzentration auf die Forschungsphase. Welche Änderung würden Sie für die künftige Finanzierung wünschen?
Es ist genau das Bild, das der Report zeigt. Wir haben eine sehr gute Förderung am Anfang, an den Hochschulen und Universitäten. Was immer noch fehlt ist der Schritt nachher. Wie helfen wir den Menschen, das Ganze in eine Firma zu übertragen? Ich bin aber auch nicht ganz sicher, ob wir das mit finanziellen Mitteln vom Bund unterstützen müssen. Das Modell von der EU sagt mir weniger zu, wo viel Unterstützung fliesst. Vieles fliesst dann auch vergebens. Aber wir müssen uns überlegen, ob wir nicht zumindest ausgewählte Instrumente schaffen wollen.

Was wäre eine gute Schweizer Lösung?
Die grösste Herausforderung ist es, die Anfangsfinanzierung zu bekommen. Oft sind Gründer hier auf Freunde und Bekannte angewiesen. Es gibt zwar Kapitalgeber, aber diese stellen oft zu wenig Mittel zur Verfügung. Was sind schon 130'000 Franken, wenn Sie ein Labor einrichten wollen? Hier wären mehr verfügbare Mittel wichtig.

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