Rund 150 Patienten aus dem Ausland werden in der Klinik Pyramide am See in Zürich jährlich behandelt. Seit der Eröffnung des Hauses vor elf Jahren hat sich die Nachfrage zwar kontinuierlich entwickelt, auf inzwischen 5% des Gesamtumsatzes. Das tönt zwar bescheiden, ist aber ein Auslandanteil, von dem die meisten anderen Privatklinken nur träumen können.

Trotzdem will Klinikdirektor Beat Huber in Zukunft noch mehr ausländische Patienten. «Um diese Zahl zu steigern, braucht es eine gezielte Verkaufsförderung in den Herkunftsländern», stellt er klar. Momentan rekrutiert er über verschiedene europäische und amerikanische Krankenversicherer. Huber rechnet sich gute Erfolgschancen aus, denn «die Schweiz hat eine hervorragende medizinische Versorgung, mit dem Nachteil allerdings, dass wir im internationalen Vergleich teuer sind». Folglich soll eine Klientel angepeilt werden, die sich diesen Standard auch leisten kann.

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Mit dem ganzen Gefolge

Die Schweizer Privatkliniken stehen dabei in einem harten Wettbewerb. Es gibt länger schon Anbieter in Deutschland, Österreich und Israel. Neuerdings versuchen auch Länder wie Russland, Thailand oder Dubai, wo eine «Medical City» aus dem Boden gestampft wird, in diesen Markt einzusteigen. Huber glaubt jedoch, dass die Schweiz über einen entscheidenden Vorteil verfügt: «Wir sind prädestiniert, auch komplizierte ausländische Gäste mit höchsten Ansprüchen aufzunehmen.»

Es ist kein Geheimnis, dass Patienten etwa aus dem arabischen Raum nicht nur wegen des medizinischen Standards die Schweiz schätzen. Sie reisen am liebsten mit einer vielköpfigen Entourage an. Diese wünscht Sicherheit, Diskretion, Private Banking, Shoppingmöglichkeiten und Vielsprachigkeit. Das Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Augenoperation des saudischen Königs Fahd vor zwei Jahren in Genf. Der Monarch wurde damals von mehreren hundert Personen begleitet, die drei Monate in Genfer Luxushotels logierten und rund 500 Mio Fr. in der Schweiz liegen liess.

Bei solchen Luxuspatienten aus Adel, Politik oder Showbusiness stehen die Privatkliniken häufig vor einem Dilemma. Karin Proff, Leiterin der Patientenadministration der Schulthess-Klinik in Zürich, skizziert es wie folgt: «Wenn ein Scheich gleich eine ganze Abteilung in unserer Klinik mit seiner Sippschaft belegen will, machen wir nicht mit. Schliesslich sind wir ein mit Patienten genügend ausgelastetes Krankenhaus, und kein Hotel.»

Sinnvoll sind deshalb Kooperationen der Spitäler mit Tourismus-Organisationen. Die Hirslanden-Gruppe mit ihren zwölf Kliniken hat seit Anfang dieses Jahres einen Vertrag mit Zürich Tourismus für gemeinsame Kundenakquisition abgeschlossen.

Am besten rekrutiert wird direkt über Ärzte

Für Urs Brogli, Leiter der Unternehmenskommunikation, ist zwar klar, dass allein mit mehr Ausländern der sinkende Anteil privat Versicherter in der Schweiz nicht wettgemacht werden kann. Aber zumindest eine Ergänzung könnten die Gesundheitstouristen sein, denen die Hirslanden-Gruppe ein breites Spektrum, von Orthopädie und Onkologie über Herz-, Neuro- und Wirbelsäulen- bis zur Gesichtschirurgie, anbieten kann.

Und wenn es darum geht, bei VIP-Patienten auch noch den Hofstaat zu beherbergen, zu dem nebst Verwandten ein Stab von Beratern, Funktionären, Body Guards und Dolmetschern hinzukommen, will man zusammen mit den touristischen Partnern flexible Lösungen offerieren. «Mit rund 1000 ausländischen Patienten haben wir das Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft», sagt Yvonne Wegmann, die für die Geschäftsentwicklung bei Hirslanden verantwortlich ist.

Auch die Schulthess-Klinik möchte den Anteil ausländischer Patienten von 3 auf 5% erhöhen. Neuerdings versucht sie dies über einen Mittler, der im arabischen Raum wirbt. Doch die Klinikleitung macht sich keine Illusionen, dass dies ein schwieriger Pfad ist, umso mehr als es andere bereits ohne grossen Erfolg versucht haben. Das Universitätsspital Zürich bereiste vor zwei Jahren gleich mit einer zehnköpfigen Delegation den Nahen Osten. Doch aus der angepeilten Zusammenarbeit mit arabischen Zuweisern ist dort nicht viel geworden. «Die Rekrutierung spielt am besten über die Beziehungen unserer Ärzte zu ihren Kollegen im Ausland», glaubt Proff. An der Schulthess-Klinik werden besonders viele Patienten aus Ungarn operiert. Das liegt an der Verpflichtung eines Wirbelsäulenspezialisten ungarischer Herkunft, und es gibt für die Kostenabgeltung auch einen Vertrag mit der ungarischen Krankenversicherung. Die Hirslanden-Gruppe hat Verträge mit internationalen Versicherern wie BUPA und IHI, welche in vielen Fällen die Zahlungsabwicklung erleichtern.

Erfolgsbeispiel aus dem Engadin

Am erfolgreichsten auf internationalem Parkett ist wohl die Klinik Gut in St. Moritz. Ein Drittel ihrer Patienten stammt aus dem Ausland. Viele von ihnen braucht die orthopädisch-traumatologische Spezialklinik gar nicht erst herzuholen. Sie weilen als Touristen im Engadin und landen in der Klinik, wenn sie beim Skifahren verunfallen. Es handelt sich um ein zahlungskräftiges Segment, das meistens auch gut versichert ist. Die Kunst ist es nun, diese Patienten über den eigentlichen Skiunfall hinaus zu pflegen. Die Klinik betreibt zu diesem Zweck eine Praxis in Mailand und am Flughafen in Zürich das Airport Medical Center für die Nachbetreuung.

Auslandgeschäft: Aufwand und Ertrag stimmen nicht immer überein

Nicht alle Privatkliniken in der Schweiz forcieren gleichermassen das Auslandgeschäft. Beat Fellmann von der Klinik St. Anna in Luzern gibt zu bedenken, dass das Gesundheitswesen grundsätzlich ein sehr regionaler Markt ist. «Das dürfte sich auch in Zukunft nicht wesentlich ändern.» Natürlich würde auch die Klinik St. Anna gerne mehr als wie im Augenblick nur 1% Patienten aus dem Ausland aufnehmen. Aber für Fellmann ist es nicht zuletzt eine Frage vom nicht zu unterschätzenden Rekrutierungsaufwand und dem Ertrag. «Wer im arabischen Raum erfolgreich sein will, braucht gute Kontakte zur Diplomatie und zu den Gesundheitsbehörden.» Einkalkuliert werden müssten die kulturellen und sprachlichen Hürden.

Wichtig sei es auf jeden Fall, konzentriert mit bestimmten Spezialitäten auf genau definierten Märkten zu akquirieren. «Hospital business is local business», betont auch Verwaltungsdirektor Pierre Brennwald vom Claraspital in Basel. Dass hier trotzdem 5% der Patienten aus dem Ausland kommen, hat geografische Gründe. Das Spital ist nur 2 km von der Grenze entfernt. Also gehört der süddeutsche Raum zum natürlichen Einzugsgebiet, das aber nicht mittels Promotionen beworben wird.

Auch für die RehaClinic Zurzach spielt die Grenznähe eine Rolle. Rund die Hälfte der über 300 Patienten, die aus dem Ausland stammen, sind aus Deutschland. «Das Potenzial haben wir noch nicht ausgeschöpft; gerne würden wir Patienten aus England, wo für Hüft- und Kniegelenkersatzoperationen lange Wartfristen bestehen, in die Schweiz lotsen», erklärt Marketingchefin Judith Meier. (ps)