BILANZ: Bedauern Sie bereits, dass Sie das Amt des Präsidenten der Bankiervereinigung angenommen haben?

Patrick Odier: Nein, überhaupt nicht. Ich bin ein Kämpfer.

Dafür haben Sie aber lange gewartet mit Ihrer ersten Aussage nach Bekanntwerden des Datenraubs – 13 Tage lang.

Der Bundesrat hat diesen Kauf verurteilt, die Politiker haben es getan. Da ich dieselbe Position habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich da noch etwas hinzufügen sollte, zumal andere Vertreter der Bankiervereinigung on record waren.

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Aber hätte der oberste Schweizer Bankier nicht stärker Stellung in Deutschland beziehen müssen? Immerhin verkündete der deutsche Finanzminister ja auch via «NZZ am Sonntag» das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses.

Was hätte das geändert? Die Reaktion in der Schweiz war die richtige. Die Regierung hat sofort gesagt, dass die Schweiz gestohlene Daten nicht als Grundlage für ein Amtshilfeverfahren akzeptiere. Ich muss nicht wiederholen, was schon gesagt worden ist. Der Bundesrat hat am Anfang richtig reagiert.

Nur am Anfang?

Es gab dann Äusserungen des Bundesrats, die missverständlich waren. Das finde ich bedauerlich.

Sie meinen die Aussage von Bundesrat Hans-Rudolf Merz vom 3.  Februar, der automatische Informationsaustausch sei eine Möglichkeit?

Wir müssen uns auf die Finanzmarktstrategie stützen, die der Bundesrat am 16.  Dezember veröffentlich hat, den sogenannten Graber-Bericht. Dort wurden drei Ziele definiert. Erstens: Der Schutz der Privatsphäre muss erhalten bleiben. Zweitens: Es gibt keinen automatischen Informationsaustausch mit EU-Staaten, dafür bietet die Schweiz als Alternative eine Abgeltungssteuer. Und drittens: Schweizer Finanzdienstleister wollen den freien Marktzutritt zur EU. Das ist die offizielle Position des Bundesrats.

Aber Merz ging weiter, indem er den automatischen Informationsaustausch ins Spiel brachte.

Ich vermute, dass es sich um eine missverständliche persönliche Meinungsäusserung handelte. Ich sehe nicht, wie ein Bundesrat seine offizielle Strategie am 16.  Dezember publizieren und dann sechs Wochen später das Gegenteil verkünden kann. Die Bankiervereinigung hat sehr lange mit der Bundesverwaltung diskutiert, um diese Finanzmarktstrategie festzulegen. Wir haben Arbeitsgruppen bestimmt, jetzt müssen wir mit der Umsetzung beginnen.

Ihr Vorgänger Pierre Mirabaud beklagte im Sommer, dass er drei Monate lang keinen Termin beim Bundesrat bekommen habe. Hatten Sie seit dem Datenraub Kontakt mit Merz?

Nein. Aber ich habe ihn auch nicht gesucht. Wir hatten zwischen Bankiervereinigung und Bundesverwaltung alle notwendigen Kontakte.

Wäre in der Frage des automatischen Informationsaustauschs nicht eine Abstimmung besser gewesen? Dann wäre diese Aussage vielleicht nicht gefallen.
Wir sollten jetzt alle Kompetenzen bündeln und mit höchster Priorität unsere Beschlüsse umsetzen. Wenn da eine Aussage eines Bundesrats missverständlich ist, darf man das nicht überbewerten. Wir haben in kurzer Zeit 18 Doppelbesteuerungsabkommen fertig verhandelt, obwohl das vorher niemand für möglich gehalten hat. Jetzt müssen wir diese Abkommen in den nächsten zwei Sitzungen des Parlaments ratifizieren.

In der öffentlichen Debatte dringen Sie aber mit Ihren Vorschlägen gar nicht mehr durch. Selbst im bürgerlichen Lager reden von FDP bis Christoph Blocher alle durcheinander.

Ja, es ist chaotisch, die Debatte hat Züge einer grossen Konfusion angenommen. Da gibt es Professoren, die erklären, warum bestimmte Lösungen falsch seien, ohne Alternativen zu nennen. Politiker aus allen Parteien reden durcheinander, ohne sich vorher abzusprechen. Wir müssen jetzt mit einer Stimme sprechen. Es braucht Führungskraft.

Wer soll die liefern?

Das muss per definitionem der Finanzminister sein.

Kann er sie liefern?

Wir sollten unsere Kräfte bündeln. Der Bundesrat muss mit uns die politische Führung übernehmen. Wir haben beispielsweise gewünscht, dass er einen eigenen Staatssekretär für das Finanzdossier einsetzt. Das ist passiert.

Müssten Sie nicht als oberster Schweizer Bankier Mr. Leadership sein, so wie es der damalige CS-Lenker Rainer Gut Ende der neunziger Jahre bei den Holocaust-Geldern war?

Ich kann nur eine Branche vertreten, ich habe nicht die Verantwortung für das Land. In meinem Bereich zeige ich Führungskraft. Wir haben innerhalb kurzer Zeit zusammen mit allen Banken und dem Bund die Strategie des Graber-Berichts entwickelt. Das war Leadership.

Die Signale aus der EU, vor allem aus Deutschland, sind eindeutig: Sie wollen Namen von Steuerhinterziehern, keine Abgeltungssteuer.

Es wird viel geschrieben und geredet, doch gerade in Deutschland ist die Faktenlage unklar. Ich möchte die Position von Herrn Schäuble direkt von ihm erfahren. Dazu will ich ihn bald treffen. Tatsache ist: Die Abgeltungssteuer ist die bessere Lösung als der automatische Informationsaustausch. Sie ist effizienter, bringt den Ländern mehr Geld und ermöglicht raschere Resultate. Die Schweizer Banken sind bereit, dieses Modell mit hohen Kosten einzuführen. Dazu bieten wir Amtshilfe bei Steuerhinterziehung und eine Lösung für die Vergangenheit, die Amnestie-Elemente enthalten könnte. Das ist ein gutes Angebot.

Die Selbtdeklaration des Kunden zur Steuerehrlichkeit, die Sie im Herbst forderten, zählt nicht mehr zum Angebot?

Ich habe die Idee der Selbstdeklaration der Kunden erwähnt, sie war jedoch nie ein offizieller Vorschlag. Die Diskussion hat gezeigt, dass sie sicher schwer umzusetzen ist.

Warum?

Die Banken dürfen und können nie Agenten für ausländische Steuerverwaltungen sein. Das ist zudem technisch extrem schwierig.

Aber die Strategie der Steuerehrlichkeit gilt weiterhin?

Ja, sie ist unsere Vorwärtsstrategie. Alle Banken müssen in Richtung Steuerehrlichkeit gehen. Wir müssen ein Geschäftsmodell auf rein professioneller Basis aufbauen und nicht auf Kriterien, die heute nicht mehr akzeptabel sind.

Wird es in fünf Jahren den automatischen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und anderen Staaten geben?

Nein.

Patrick Odier (54) ist seit September Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung. Hauptberuflich leitet er die Genfer Privatbank Lombard Odier, bei der er vor 28 Jahren einstieg. Er studierte Wirtschaft in Genf und verfügt über einen MBA der Universität Chicago. Er ist in zweiter Ehe mit einer Griechin verheiratet, mit der er eine Tochter hat. Aus erster Ehe stammen zwei unterdessen erwachsene Kinder.