Der Bankenmarkt ist in vielen Bereichen nahezu gesättigt. Wie wollen die Kantonalbanken in einem solchen Markt operieren, um Marktanteile zu gewinnen und weiter zu wachsen?
Paul Nyffeler: Der Schweizer Markt wächst nach wie vor, aber nicht mehr im gewohnten Ausmass. Wir befinden uns in einem Verdrängungswettbewerb. Um ihn zu meistern, müssen wir besser sein als die anderen. Weiterhin können Marktanteile gewonnen werden.
Wie?
Nyffeler: Sicher auch durch die gute Positionierung der Kantonalbanken im Hypothekargeschäft. Dies, so haben Studien gezeigt, ist ein guter Anknüpfungspunkt für das Private Banking. Und hier haben die Kantonalbanken eine sehr gute Ausgangslage, sind sie doch im Hypothekargeschäft Marktführer. Das ermöglicht es, das Potenzial, das bisher noch nicht ausgeschöpft worden ist, besser zu nutzen.
Dann wird aus Ihrer Sicht das Hypothekargeschäft weiterhin eine der tragenden Säulen des Geschäftes bleiben.
Nyffeler: Das ist ganz sicher so. Nicht nur, weil wir dort im Sinne von Spargeldern für Hypotheken traditionell verankert sind, sondern auch, weil wir Marktführer sind. Wir werden dieses Feld deshalb nicht räumen, sondern die Position weiterhin ausbauen. Der Hypothekarmarkt wird ein wichtiges Standbein bleiben.
Wie sieht die Konkurrenzsituation im Private Banking aus?
Nyffeler: Im Private Banking wird sich der Wettbewerb auf mehreren Ebenen entscheiden. Einige Mitbewerber behaupten, als global aktive Banken seien sie im Vorteil, da sie mehr anbieten können. Aber ich bin überzeugt, dass die Front entscheidend ist.
Das heisst?
Nyffeler: Das Asset Management, das eine Basis des Erfolgs ist, hat durch die Differenzierungen der Strategien wesentliche Änderungen erfahren. Man hat aus den späten 90er Jahren und der Zeit um 2000 gelernt, dass man anders vorgehen muss. Vieles ist heute Allgemeingut. Die Differenzierung ist heute nicht mehr so gross, die Front sprich Kundennähe, Service und Klarheit sind entscheidend. Hier sind wir insgesamt gut aufgestellt, nicht zuletzt auch mit der Swisscanto als Fondsproduzentin.
Der Markt mag zwar noch nicht ganz gesättigt sein, aber der Wettbewerb ist hart. Sie haben von Verdrängungswettbewerb gesprochen. Eine mögliche Strategie wären Kooperationen. Verfolgen Sie diesbezüglich Projekte?
Nyffeler: Im Prinzip sind Kooperationen überall möglich, wo wir glauben, dass wir etwas gemeinsam erreichen können. Der Verband versucht dabei als Koordinationsplattform entsprechende Kräfte zu bündeln. Mit wem solche Kooperationen eingegangen werden, hängt von den Geschäftsfeldern ab. Konkret sind im Augenblick keine neuen Projekte in Diskussion.
Die PostFinance drängt immer stärker in das Bankengeschäft. Wie ist Ihr Verhältnis zu dieser Organisation? Sie ist ja doch irgendwie eine staatliche Organisation.
Nyffeler: Die PostFinance, das zeigt sich auch in der von ihr lancierten Propagandawelle, ist nach wie vor ein Thema. Unsere Position ist klar: Wir sind der Meinung, die PostFinance im ausgeprägten Sinne einer Bank braucht es nicht. Es gibt genügend Banken. Wenn schon, dann müsste die PostFinance von der Post vollkommen abgetrennt sein und es müssten für alle die gleichen Regeln gelten.
Was würde das konkret bedeuten?
Nyffeler: Das heisst Unterstellung unter alle Regulationen, was bedeutet, die PostFinance müsste auch entsprechende Eigenmittel unterlegen. Dafür wiederum wären Beschlüsse des Bundesrats und des Parlaments notwendig. Das wird aber noch dauern. Man wird sich mit dieser Frage noch weiter auseinander setzen.
Immer wieder wird auch die Staatsgarantie der Kantonalbanken moniert, die eigentlich ein längerer Spiess sei. Wie wichtig ist die Staatsgarantie noch?
Nyffeler: Man muss unterscheiden zwischen der formalen und der faktischen Staatsgarantie. Die formale ist bei den meisten Kantonalbanken noch gegeben. Faktisch ist sie ohnehin bei allen vorhanden. Denn es stellt sich immer die Frage nach dem Lender of Last Resort, dem «Kreditgeber letzter Instanz». Es hat sich gezeigt, dass auch dort eingegriffen wird, wo keine Staatsgarantie vorhanden ist, da sich sonst Probleme ergeben, die die gesamtwirtschaftliche Entwicklung beeinflussen. Ich bin nicht der Meinung, dass die Staatsgarantie in Stein gemeisselt ist. Sie ist weiterhin ein Vorteil, den insbesondere die Kundinnen und Kunden schätzen. Viele Kantonalbanken gelten die Staatsgarantie zudem ab, und zwar mit einer Risikoentschädigung auf dem eingesetzten Kapital. Zudem operieren sie so, als ob es die Staatsgarantie nicht gäbe, also risikobewusst und gewinnorientiert.
Hat man sich Gedanken gemacht, einzelne Kantonalbanken zu regionalen Banken zu fusionieren, zum Beispiel eine Kantonalbank Innerschweiz?
Nyffeler: Die Entscheidungsbefugnis bei einer solchen Frage liegt bei den einzelnen Kantonen als Eigentümer der Banken. Grundsätzlich steht solchen Fusionen nichts entgegen, und ich selbst könnte mir solche regionale Zusammenschlüsse durchaus vorstellen. Voraussetzung wäre jedoch, dass bei den entsprechenden Kantonen und Banken der Wille vorhanden ist. In einem ersten Schritt dürften wohl eher Zusammenschlüsse von Teilbereichen in Verarbeitungszentren im Vordergrund stehen, und hier sind einige Ansätze vorhanden.
Von der Geschichte her haben die Kantonalbanken die Aufgabe, die Volkswirtschaft zu unterstützen und die Kreditversorgung sicherzustellen. Wie schlagen Sie die Brücke zum Ziel der Profitabilität?
Nyffeler: Wenn man in der Geschichte zurückblickt, dann sind die Kantonalbanken primär gegründet worden, um die industrielle Entwicklung zu fördern. Diese Aufgabe sehen die meisten weiterhin als ihre wichtigste an. Also die Förderung der Wirtschaft in ihrer zukünftigen Entwicklung. Da stellt sich die Frage, welche Aufgaben die Kantonalbank in einer Krisensituation übernehmen muss. Hier muss sich auch eine Kantonalbank ganz normal verhalten. Man kann nicht Kredite sprechen für den Erhalt von Industrien, bei denen abzusehen ist, dass sie längerfristig nicht haltbar sind.
Ein Thema, das immer in der Bankenwelt auftaucht, ist die Expansion ins Ausland. Hegen Sie entsprechende Pläne?
Nyffeler: Das muss jede Bank für sich selbst entscheiden. Grundsätzlich betrachten die Kantonalbanken sicher den Schweizer Markt weiterhin als den wichtigsten. Inwiefern die Kantonalbanken beispielsweise über ein gemeinsames Gefäss im Private Banking in die wachsenden Märkte seien es jene in Südostasien und Südamerika oder jene vor der Haustüre in Europa expandieren sollen oder wollen, muss man abklären. Dem steht wahrscheinlich entgegen, dass der Zusammenschluss in ein solches Gefäss nicht so einfach zu konstruieren wäre.
Sie sehen also das Hauptproblem darin, dass man einen eigens auf die Auslandexpansion hin ausgerichteten Verband oder eine neue Bank schaffen müsste?
Nyffeler: Das könnte eine Idee sein. Ich habe sie schon einmal vorgetragen. Aber die Realisierung setzt sehr viel Willen und natürlich auch eine umfassende Risikoabschätzung voraus. Ein solches Vor-haben setzt voraus, dass man die Rahmenbedingungen reiflich überlegt hat und die Märkte gut kennt.
Haben Sie, wenn Sie mit Kantonalbankvertretern reden, den Eindruck, dass Skepsis herrscht, oder ist man gegenüber der Grundidee eines solchen Unterfangens offen?
Nyffeler: Eine solche Idee beinhaltet natürlich viele Fragezeichen. Die Risikoabschätzung und die zu investierenden Mittel seien sie personell oder finanziell setzen einen Vorlauf voraus. Obwohl das Risiko im Private Banking beschränkt ist. Dieser Vorlauf müsste entsprechend strategisch durchdacht werden. Falls es je zu einem solchen Projekt kommen würde, würden sich an einem solchen Gefäss vermutlich nur jene beteiligen, die entsprechende Angebote machen könnten.
Dann würde man eine spezielle Untergruppe der Kantonalbanken bilden?
Nyffeler: Falls überhaupt, dann so. Aber dies ist meine persönliche Ansicht. Ich bin ja auch dazu da, Ideen in die Welt zu setzen, über die nachgedacht wird. Ob aus den Ideen etwas wird, wird sich zeigen.
Wie sehen Sie nach dem erfolgreichen Jahr 2005 das laufende und das kommende Geschäftsjahr im Umfeld steigender Zinsen? Denken Sie, das Gewinnniveau angesichts der schwierigeren monetären Rahmenbedingungen halten zu können?
Nyffeler: Das Wirtschaftswachstum ist vorhanden, aber es herrscht noch keine Euphorie. Dies gilt sicher für das europäische Umfeld. In den anderen Gebieten, in denen das Wachstum stark war, wird sich eine gewisse Beruhigung ergeben. Dennoch: 2006 wird meiner Meinung nach insgesamt ein gutes Jahr werden. Die ersten drei Monate sind gut gelaufen. Die Wirtschaft hat sich auf die langsam steigenden Zinsen eingestellt. Unter dem Strich dürfte das Ertragsniveau gehalten bis leicht besser sein.
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Zur Person
Steckbrief
Name: Paul Nyffeler
Funktion: Präsident VSKB
Alter: 67
Wohnort: Seltisberg BL
Familie: Verheiratet, zwei Töchter
Karriere
- 1975-1983 Regierungsrat Bau- und Landwirtschaftsdirektion des Kantons Basel-Landschaft.
- 1983-1989 Regierungsrat der Finanzdirektion des Kantons BL
- 1990-2004 Präsident der Geschäftsleitung der Basellandschaftlichen Kantonalbank
- Seit Mitte 2004 Präsident VSKB Firma
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VSKB
Vor knapp 100 Jahren haben sich die Kantonalbanken im Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB) zusammengeschlossen. Zur Erfüllung seiner Aufgaben wurde 1971 eine Geschäftsstelle in Basel gegründet. Der VSKB übernimmt die Wahrnehmung der Interessen der Verbandsmitglieder und unterstützt Massnahmen, welche die Stellung der Kantonalbanken in der Schweiz stärken, und fördert die Zusammenarbeit unter den Mitgliedern. 2005 konnten die Kantonalbanken insgesamt den Bruttogewinn um 15% auf 3,8 Mrd Fr. steigern. Zum guten Ergebnis trugen alle Bereiche bei.
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Kantonalbanken: Grosser Zwerg oder kleiner Riese?
Je nach Wahl des Massstabs sind die Kantonalbanken Mitspieler oder tonangebend im Bankengeschäft. In Bezug auf die Bilanzsumme sind sie im Vergleich zu den Grossbanken mit 327 Mrd Fr. (Stand Dezember 2005; Quelle: Schweizerische Nationalbank) gegenüber 1911 Mrd weit abgeschlagen. Betrachtet man die Kreditvergabe der Banken im Inland, dann ergibt sich das Bild eines Kopf-an-Kopf-Rennens. Per Ende 2005 hatten die Kantonalbanken für 245 Mrd Fr. Kredite an Inländer ausstehend. Bei den Grossbanken waren es 266 Mrd Fr. Die Statistiken zeigen aber auch eine Schwäche der Kantonalbanken auf. Die Kredite im Ausland haben 2,9 Mrd Fr. betragen, bei den Grossbanken waren es 272 Mrd Fr. Eine Kreditbeziehung ist ein wichtiger potenzieller Anknüpfungspunkt für weitere Bankgeschäfte wie das Private Banking. Zwar versuchen die Kantonalbanken die Kräfte zu bündeln, aber dies ist auch aufgrund der Grössenunterschiede zwischen den Instituten schwierig. Die Zürcher Kantonalbank mit einer Bilanzsumme von 84,4 Mrd Fr. hat eine ganz andere Ausgangs- und damit auch wohl eine andere Interessenlage als die Kantonalbank Jura mit einer Bilanzsumme von 1,74 Mrd.