In der Steuerzentrale der Textilgruppe Esprit in Hongkong – der Bekleidungsriese registriert rund 3,6 Milliarden Franken an Verkaufserlösen – hatte Anteilseigner Jürgen Friedrich vorsorglich die Schweiz als Lebensmittelpunkt für sich und Gemahlin Anke Beck-Friedrich zu Protokoll gegeben. Doch noch bevor sich die Zuzüger am noblen Sonnenberg in Zürich richtig einrichten konnten, machten ihnen die Stimmbürger im Wahlkanton einen Strich durch die Kalkulation. Den Wegfall der Pauschalsteuer, der Besteuerung nach Lebensaufwand, quittieren die Friedrichs mit Wegzug – ins Bündner Steuerparadies. Die Behörden im Engadin begnügen sich bei reichen Ausländern unverändert mit einer Steuerpauschale. Der Patron kommentiert seinen privaten Laufsteg Richtung St. Moritz allerdings nicht.
Friedrich ist nur einer von zahlreichen vermögenden Ausländern, die seit dem Fall der Pauschalsteuer aus dem Kanton Zürich weggezogen sind. Der bekannteste – und mit einem von BILANZ geschätzten Vermögen von zehn bis elf Milliarden Franken reichste – Steuerflüchtling ist Viktor Vekselberg; er hat sich in Zug niedergelassen. Andere wie der Deutsche Theo Müller, oberster Melker bei Müller Milch, haben sich dagegen trotz x-fach höherer Steuerbelastung zum Bleiben entschieden. Sogar Zuzüge von Reichsten waren zu verzeichnen. So zügelte Maurice Brenninkmeijer, Chef des Textilkonzerns C&A, in den Kanton Zürich.
Unter dem Strich jedoch fällt die Bilanz negativ aus. Laut einer Umfrage der Finanzdirektorenkonferenz erfreuten sich 2008 im Kanton Zürich insgesamt 201 Personen der Besteuerung nach Lebensaufwand. Seit Anfang 2010 dürften laut Steuerexperten gegen 100 Reichste in steuermildere Gefilde weggezogen sein.
Profitiert hat davon vor allem die Westschweiz. Ende 2010 wurden im Kanton Waadt 1397 Aufwandbesteuerte gezählt, was einem Plus von 17 Prozent seit Ende 2008 entspricht. In Genf stieg in derselben Periode die Zahl der Pauschalsteuerabkommen um 8 Prozent auf 690 und im Kanton Wallis um 16 Prozent auf 1162.