Bisher haben Firmen, die hierzulande bei der Personalsuche nicht fündig wurden, im EU-Arbeitsmarkt gefischt. Allein von Ende April 2006 bis Ende April 2007 stieg die Zahl der ausländischen Wohnbevölkerung aus den EU/Efta-Ländern um 2% auf 917855 Personen – stark ist die Zuwanderung vor allem aus den neuen EU-Ländern. Doch auch die Unternehmen in der EU jagen zunehmend verzweifelt nach Spezialisten.
Angesichts des grossen Humanpotenzials in Drittstaaten fragt sich deshalb, ob die Unternehmen diese Ressource richtig anzapfen können. Oder ob dies gerade der freie Personenverkehr mit der EU erschwert, denn erst seit der Personenfreizügigkeit muss für die Anstellung einer Arbeitskraft aus einem Drittstaat nachgewiesen werden, dass sich in der EU keine ebenso gut qualifizierte Person finden lässt. Wenig überraschend ist 2006 die Zahl der Angehörigen von Nichtmitgliedstaaten der EU/Efta um 1,2% zurückgegangen.
Langsame Bewilligungsprozesse
Die Drittstaatenrekrutierung ist selbst für die Personalexperten von Adecco eine Herausforderung. «Der Erhalt der Arbeitsbewilligung für Fachkräfte aus Drittländern ist in der Schweiz möglich, jedoch sehr abhängig vom jeweiligen Fachgebiet, Ausbildung, Spezialerfahrung sowie Markt-und Sprachkenntnisse», erklärt Adecco-Sprecher Stefan Müller. Im Global Headoffice von Adecco in Glattbrugg arbeiten derzeit 130 Angestellte, davon sind zwei Drittel ausländische Staatsbürger; 15 kommen aus Drittländern.
Für den Internetkonzern Google, welcher im Zürcher Forschungszentrum 250 Mitarbeiter beschäftigt, davon nur 50 Schweizer, erweist sich der hohe Spezialisierungsgrad der gesuchten Fachkräfte als Vorteil. «Wir arbeiten eng mit den Schweizer Behörden zusammen und konnten nachweisen, dass die Spezialisten, die wir einstellen, herausragende Fachkräfte in ihren jeweiligen Arbeitsgebieten und essenziell für unseren anhaltenden Erfolg sind», sagt Randy Knaflic, der Chefrekrutierer bei Google für das Gebiet Europa, Naher Osten und Afrika. Da Google immer aus dem allerhöchsten Anforderungsbereich rekrutiere, sei schnell klar gewesen, dass es überall schwierig sei, die gesuchten Spezialisten zu finden.
Auch IBM beurteilt die Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden als sehr konstruktiv. Viele Mitarbeiter aus Drittstaaten wurden nach Zürich transferiert, als IBM vor zwei Jahren den Hauptsitz für Nordosteuropa nach Zürich verlegte, wie IBM-Sprecherin Susan Orozco sagt. Eine Erschwerung bei der Gesuchstellung für Aufenthaltsbewilligungen von Angestellten aus Drittstaaten sei nicht zu beobachten. «Aber das Bewilligungsverfahren kann sich in die Länge ziehen.»
Das Bundesamt für Migration (BFM) sieht die bekannten Fälle aus Drittstaaten, die keine Aufenthaltsbewilligung erhielten, als begründete Ausnahmen – etwa ein Chefkoch, der nicht nach Luzern konnte, oder der indische Informatiker, der für Schaffhausen keine Bewilligung erhielt. «Im Prinzip sollte ein Informatiker aus Indien eine Arbeitsbewilligung erhalten, falls der Arbeitgeber beweisen kann, dass er diese Person braucht, weil es auf dem Heimmarkt Schweiz und in der EU keine Person gibt, die ebenso gut qualifiziert ist», sagt BFM-Sprecher Dominique Boillat. Möglich sei, dass der Kanton bereits seine Kontingente für Jahres- und Kurzaufenthalter aus Drittstaaten ausgeschöpft hat.
Damit die Unternehmen bei der Rekrutierung nicht durch Kontingente gebremst werden, hat der Bundesrat für die Periode 1. November 2006 bis 31. Oktober 2007 die Kontingente für Kurzaufenthalter um 2000 auf 7000 erhöht, jene für Jahresbewilligungen beträgt 4000. Nach zwei Dritteln der Kontingentsperiode wurden bisher 70% der Kurzaufenthalts- und 55% der Jahresaufenthaltsbewilligungen aufgebraucht. An den Kontingenten kann die Rekrutierung folglich nicht scheitern.
Der Personalvermittler Adecco empfiehlt: «Man sollte als Antragsteller auf die Vollständigkeit der nötigen Informationen achten. Dazu gehören vor allem auch plausible Begründungen. Ausserdem sollten nur solche Fälle vorgelegt werden, die eine realistische Chance auf Genehmigung haben.»
Der Personalvermittler beobachtet, vor dem Hintergrund des zunehmenden Mangels an Fachkräften in den meisten westeuropäischen Ländern sei eine Verstärkung der International Candidate Migration feststellbar. Beispielsweise rekrutiere Adecco qualifizierte Arbeitskräfte aus Polen für Norwegen, aus Deutschland für die Schweiz, aus Bangladesch für Italien sowie aus Bolivien und Chile für Spanien.