Sie und Ihre Frau sammeln seit bald 40 Jahren zeitgenössische Schweizer Kunst, und Ihre Sammlung gilt als die grösste und bedeutendste in ihrer Art. Wie viele Positionen umfasst sie, und wie viele Künstler und Künstlerinnen sind darin vertreten?

Peter Bosshard: Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen. Zurzeit erstellen aber zwei Kunsthistorikerinnen ein Inventar. Grob geschätzt werden es über 3000 Werke sein. Die Zahl der Künstler schätze ich zwischen 200 und 300, wobei es eine Spezialität unserer Sammlung ist, dass wir über lange Jahre die gleichen Künstler weiter sammeln, wie dies auch in der derzeitigen Ausstellung in Rapperswil gezeigt wird. Sie ist repräsentativ für unsere Art des Sammelns, die nicht zum Ziel hat, lediglich einen grossen Bestand zu haben. Wichtiges Motiv für uns ist die Kunstförderung. Durch unsere Ankäufe fördern wir einerseits die Künstler, anderseits unterstützen wir damit auch die Galerien. Auch das ist ein Credo von uns: Wir kaufen die meisten Werke über Galerien an, weil nur so das Dreieck Künstler, Galerist und Sammler funktioniert. Ohne Galeristen können Kunstschaffende nicht an die Sammler gelangen, ohne Sammler können Künstler und Galeristen nichts verkaufen, und Galeristen können weder ohne Künstler noch ohne Sammler leben.

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Wer oder was zündete den «Initialfunken» zu Ihrer Sammlung?

Bosshard: 1967 kauften wir an einer Ausstellung im Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen, unser erstes Bild, «Berg» von Alex Sadkovsky, der dort eine Einzelausstellung hatte. So richtig angefangen, Schweizer Gegenwartskunst zu sammeln, haben wir aber erst 1971, als wir nach zwei Jahren in den Vereinigten Staaten in der Schweiz unsere Berufstätigkeit aufnahmen. Am Anfang haben wir das Ankaufen von Kunst noch nicht als «sammeln» betrachtet. Erst im Laufe der Jahre haben wir gemerkt, dass die Ankäufe sich zu einer kleinen Sammlung entwickelten.

Sind Ihre Ankäufe «Spontankäufe»?

Bosshard: Alle unsere Kunstkäufe beruhen auf spontanen Entscheiden. Meistens besuchen wir die Vernissagen von Galerien, und wenn wir dort etwas sehen, was uns gefällt, kaufen wir es. Es gibt deshalb in unserer Sammlung auch keine Linie, sondern es ist ein wildes Durcheinander: Geometrisches, Figuratives, Fotografien, Video, alles, was uns «über den Weg läuft», wird geprüft, und wenn wir finden, es sei etwas Gutes, wird es gekauft. Im Laufe der Zeit haben sich natürlich Vorlieben herauskristallisiert, wie zum Beispiel Stefan Gritsch. Er ist einer unserer Lieblingskünstler. Wir verfolgen seine Entwicklung besonders genau, und wenn er in der Schweiz oder im Ausland eine Ausstellung hat, schauen wir uns diese an und kaufen etwas.

Sicher ist es befriedigend, wenn man als Sammler Ankäufe von Künstlern tätigen kann, die sich beständig und positiv weiterentwickeln und auch international Karriere machen.

Bosshard: Wir schauen nicht auf die Karriere und hoffen auch nicht auf «internationales Erblühen» oder hoffen vielleicht schon, aber ohne dass das «Grossherauskommen» eines Künstlers oder einer Künstlerin für uns im Vordergrund steht. Wichtig für uns ist, ob uns ein Werk im Moment des Ankaufs gefällt. Ob dies in zehn Jahren auch noch der Fall sein wird, betrachten wir hingegen als nebensächlich. Die Erfahrung zeigt aber, dass die meisten Werke, die wir in den letzten 35 Jahren gekauft haben, ihren Wert behalten haben beziehungsweise sogar zugelegt haben, weil die Künstler jetzt national und international bekannt geworden sind.

Kaufen Sie gezielt auch von neuen Künstlern, die noch unbekannt sind, und vertrauen Sie dabei auf Ihre Intuition?

Bosshard: Ja. Wir haben immer wieder neue, junge Künstler entdeckt, wobei wir das «Entdecken» gerne den Galeristen überlassen, denn sie sind es, die neue, aufstrebende Talente entdecken und in ihre Programme aufnehmen müssen. Wenn es dann so weit ist und wir die Galerie auch kennen, dann kaufen wir, sofern die Werke uns interessieren.

Wie geht der Entscheidungsprozess bei Ankäufen vor sich? Machen Sie dies gemeinsam mit Ihrer Frau oder wechseln Sie sich hier ab?

Bosshard: Wenn es um Künstler geht, die wir seit langem kennen, dann müssen wir nur kurz diskutieren, wobei schon meistens ich derjenige bin, der entscheidet. Meine Frau ist aber häufig dabei und trägt den Entscheid mit. Wir sind nach 40 Ehejahren ein «eingespieltes Team»! Wenn es um neue Künstler geht, ja, dann bin wahrscheinlich eher ich es, der die Entscheidung trifft.

Können Sie auch einige Namen von «neuen» Künstlern nennen?

Bosshard: Marcel Gähler zum Beispiel. Er ist ein junger Zeichner und Maler, der hervorragende kleinformatige Bleistiftzeichnungen und Aquarelle macht. Ich habe ihn in der Galerie Art-Magazin Rolf Müller in Zürich entdeckt und bin einfach überwältigt, mit welcher Perfektion er arbeitet. Gähler ist ein Künstler, den wir seit zwei Jahren in unser «Sammlungsprogramm» aufgenommen haben. Auch Mario Sala kann, obwohl an Jahren nicht mehr ganz jung, doch als aufstrebender Künstler betrachtet werden. Er stellte im März dieses Jahres im Helmhaus in Zürich aus. Dort habe ich ein Hauptwerk von ihm, «Der Lift», angekauft.

Werden noch unbekannte Künstler, von denen Sie kaufen, dann zu «Shooting Stars»?

Bosshard: Es bestätigen uns viele Kunstschaffende, dass sie sehr froh darüber waren, als ich am Anfang ihres Künstlerdaseins als Sammler auf sie aufmerksam wurde und ihre Werke ankaufte. Dass ich junge Künstler zu «Shooting Stars» mache, kann man vielleicht im Rückblick im einen oder anderen Fall sagen. Sicher ist es aber nicht mein Ziel. Wenn sie es werden, dann freut dies meine Frau und mich und dann tragen wir es gerne mit. Mario Sala oder Reto Boller und Yves Netzhammer haben sich so entwickelt. Natürlich strebt wohl jeder Schweizer Künstler darnach, dass er auch ausserhalb der Schweiz bekannt wird und im Ausland ausstellen kann. Annelies Strba zum Beispiel, einer langjährigen Freundin von uns, ist dieser Sprung ins Ausland gelungen. Sie zeigte uns in den 80er Jahren die von ihr gemachten Schwarz-Weiss-Fotografien ihrer Kinder, in kleinen Schachteln geordnet. Mendes Bürgi hat dann 1990 Annelies Strba in der Kunsthalle Zürich in einer Einzelausstellung präsentiert. Sie war damals bereits 43, aber seit dieser Ausstellung ist ihr Name bekannt. Zurzeit stellt sie in Prag aus, aber sie war auch schon in London, Sydney und São Paulo zu sehen.

Welchen Stellenwert hat die Art Basel für Sie als Sammler von Schweizer Gegenwartskunst?

Bosshard: In erster Linie bietet sie mir eine sehr gute Informationsplattform. Jedes Jahr kann ich dort wieder sehen, was an Neuem geliefert wird oder von bereits reüssierten Künstlern neu gemacht wird. Dann ist es ein Ort, wo ich das Galerienangebot besonders gut anschauen und vergleichen kann, aber strikte bezogen auf Schweizer Kunst natürlich, denn an diese Einschränkung, die wir uns bei unserer Rückkehr aus Amerika auferlegten, halten wir uns. Es ist wohl der einzige Entscheid, an welchem wir bis jetzt auch festgehalten haben! Auch ist die Art Basel für uns ein Begegnungsort, wo wir nebst den Galeristen auch Freunde und andere Sammler treffen.

Und kaufen Sie dort auch?

Bosshard (schmunzelnd): Ja, die Umstände waren immer gegeben in den letzten 20 Jahren. Es ist natürlich auch schön, wenn man die einzelnen Galerien und ihre Programme vor Ort vergleichen kann, um dann an einem Nachmittag oder Abend die Rosinen herauszupicken. Das finde ich immer sehr spannend und lustvoll.

Orientieren Sie sich auch an der Biennale in Venedig oder an der documenta in Kassel?

Bosshard: Wir besuchen regelmässig alle diese grossen Events wie auch die Armory Show und die Gramacy Park Fair in New York. An der Art Basel Miami Beach waren wir bis heute noch nicht, aber die ist sicher auch eine Reise wert. Diese Reisen machen wir vor allem, um auf internationaler Ebene vergleichen zu können, wie die Schweizer Kunst sich positioniert. Und das sage ich allen, die es hören wollen die Schweizer Kunst steht gar nicht schlecht da, die kann durchaus mithalten. Ich meine damit nicht nur die international bekannten Schweizer Künstler, wie Pippilotti Rist, Roman Signer oder Fischli/Weiss, sondern etwa auch einen Uwe Wittwer, der zurzeit im Kunstmuseum Solothurn eine Retrospektive hat.

Wie «bewirtschaften» Sie Ihre Sammlung? Sie kaufen, aber verkaufen Sie auch?

Bosshard: Nein, verkaufen tun wir nicht!

Warum nicht?

Bosshard: Das ist doch im Wesen des Sammlers, dass er nicht handelt und nicht verkauft. Ich habe nur ganz wenige Werke von Künstlern, die gestorben sind, wie André Thomkins, Dieter Roth oder Martin Disler, verkaufen lassen durch Galerien, welche diese Künstler auch betreuten. Diese haben uns dafür dann neuere Werke gegeben. Wir sammeln eben nur von jungen oder junggebliebenen Schweizer Kunstschaffenden, die noch produzieren. Auch ein Künstler wie Ueli Berger gehört dazu. Er geht zwar bereits gegen die 70, aber macht immer noch Werke, die wir als jung, frisch und gut betrachten, und dies seit bald 40 Jahren.

Wie sieht die «Bewirtschaftung» in der Praxis aus? Sie können Ihre über 3000 Werke nicht permanent zeigen. Es ist aber wohl auch nicht die Meinung, dass sie permanent eingelagert sind.

Bosshard: Als ich im Büro und daheim keinen Platz mehr hatte, habe ich in den 80er Jahren Fabrikräume gesucht, um dort auszustellen und auch einzulagern. Ab 1985 habe ich in Uznach solche Räume gefunden. Seit 1997 bin ich nun in der Spinnerei Braendlin in Jona, wo ich einige Hallen als «Schaulager» benütze. Es ist tatsächlich ein «Schaulager», denn ich öffne dort von Zeit zu Zeit die Türen, zum Beispiel wenn ich an Sonntagen zum «Kunst-Zmorge» einlade. Auch mache ich gezielt und auf Anmeldung Führungen für Gruppen. Bereits verschiedentlich habe ich Klienten, wie Banken oder Industrie- und Handelsgesellschaften, die in Sachen Kunst noch nicht so gut bestückt waren, eingeladen, einmal vorbeizukommen, um Werke auszusuchen, die ich dann diesen Unternehmen leihweise zur Verfügung stelle. So sieht es in ihren Konferenzräumen und Gängen wenigstens nach etwas aus.

Wenn Sie heute einem angehenden Sammler einen Rat geben müssten, was er besonders beachten sollte beim Kauf von zeitgenössischer Kunst, wie könnte dieser lauten?

Bosshard: Sich umschauen, Augen offen halten, spontan das kaufen, was einem gefällt, und nach 20 Jahre schauen, was herausgekommen ist. Risikofreudigkeit ist auf alle Fälle wichtig. Man kann natürlich auch Mainstream sammeln oder nur Kunst von bereits etablierten Künstlern. Wir sammeln jedoch aufgrund eigener spontaner Entscheide.

Marcel Duchamp soll gesagt haben: «Der wahre Sammler ist ein Künstler im Quadrat. Er wählt Bilder aus und hängt sie an die Wände, er malt sich selbst eine Sammlung.» Ist Ihre eigentliche Berufung die eines Künstlers?

Bosshard: Im Duchamp-Sinn könnte man das sicher so sagen, ansonsten überlasse ich es aber meinen Künstlerinnen und Künstlern, Kunst zu machen. Ich helfe ihnen, so gut es geht. Das Schlagwort «Hilfe zur Selbsthilfe» ist im Zusammenhang mit unserer Sammlung verschiedentlich erwähnt worden. Wir helfen Künstlern vor allem, sich weiterzuentwickeln, und das können sie nur, wenn sie Sammler haben, die sie in materieller und ideeller Hinsicht unterstützen. In diesem Sinne führen meine Frau und ich eine Tradition weiter.



Steckbrief: Sammler und Förderer

Name: Peter Bosshard

Funktion: Rechtsanwalt, Dr. iur.

Geboren: 15. Mai 1942

Wohnort: Rapperswil SG

Familie: Verheiratet mit Elisabeth Bosshard-Heer, Dr. phil. II, Mikrobiologin, ein Sohn (Berufsmusiker)

Karriere

19611-966: Rechts- und Volkswirtschaftsstudium an der Universität Zürich

1968: Promotion Universität Zürich und Erwerb Zürcher Anwaltspatent

1969/70: Studien- und Arbeitsaufenthalt in den USA

Seit 1971: Wirtschaftsanwalt in Zürich

Nebenberuflich u. a. Gründungsmitglied und Präsident der Kunsthalle Zürich (1984-1994), Mitglied der Kunstkommission der Stadt Zürich (1992-2002)

1999: Goldene Ehrenmedaille des Kantons Zürich für kulturelle Verdienste

Sammlung Bosshard: Ausstellung

Unter dem Titel «Langläufer Sammlung Bosshard 2/Konstanten in den Ankäufen 1975-2005» werden Werke von 16 Künstlern aus der Sammlung gezeigt

Ort: IG-Halle, Alte Fabrik Rapperswil