Er geht nicht so, wie er gekommen ist. Peter Brabeck geht leise – und kam ziemlich laut. Sein Abschied nach 50 Jahren bei Nestlé endet heute an der Generalversammlung mit herzlichem Applaus. Dann trennt sich Brabeck von allen seinen Funktionen beim Arbeitgeber, den er ein Vierteljahrhundert geprägt hat. Ab morgen tritt der 72-Jährige seine zweite Karriere an, die des globalen Investors, des Startup-Financiers, des Beraters und Hobbyfliegers.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ganz anders war es bei seinem Start, der war ruppig und schrill. Beim Einstellungsgespräch bei Nestlé Österreich, im Jahr 1968 wars, hatte es der Studienabgänger insgeheim auf einen Job im fernen Chile abgesehen. Doch der Recruiter hatte anderes vor mit dem in Lateinamerika verliebten Ökonomen: Der sollte erst einmal als kommuner Glaceverkäufer bei einer Nestlé–Tochter loslegen und zeigen, was er drauf hat.

Börsenwert von Nestlé verfünffacht

Das war ganz viel. Schritt für Schritt stieg er anschliessend die Leiter hoch – und schaffte es später doch noch nach Chile, allerdings nicht als Nobody, sondern als Marketingchef. Vieles in seiner Karriere, auch der Schritt nach Lateinamerika, schaffte er dank seiner Hartnäckigkeit und seiner Kreativität.

Diese beiden Tugenden haben aus dem klinkenputzenden Glaceverkäufer den einflussreichsten und erfolgreichsten Manager der Schweizer Wirtschaft gemacht. Unter ihm hat sich der Börsenwert von Nestlé von 50 Milliarden Franken auf 240 Milliarden fast verfünffacht. Er gründete mit seinem Wachstumskurs die Nestlé-Formel, die bis vor wenige Jahren galt: Jedes Jahr 5 bis 6 Prozent Wachstum hinlegen – und das bei steigender Betriebsmarge.

Im Jahr 2000 gnadenlos abgeblitzt

Doch es ist nicht nur das Quantitative. Ebenso wichtig war ihm die Qualität. Denn Braback sah sich nie als Verwalter, stets hat er nach dem Neuem und nach dem Mehrwert gesucht - und ging dabei grosse Risiken ein. So hat er dem Verwaltungsrat als junger CEO einen aggressiven Kurswechsel empfohlen, weg von der Nahrungsmittelfirma und hin zum Kosmetik-, Nahrungsmittel- und Pharmakonzern. Doch mit seinen hochfliegenden Plänen blitzte er im Jahr 2000 gnadenlos ab. Beim zweiten Anlauf trat er mit weniger Ambitionen an (Nahrung, Gesundheit, Wellness) – und gewann das Gremium für sich.

Später freilich hat Brabeck, der Hartnäckige, seinen Masterplan doch  durchgesetzt und noch starker auf Functional Food und Health Care gesetzt. Und damit sein Kurswechsel auch personell verankert bleibt, entschied er sich nicht für eine interne Lösung als Nachfolger von Konzernchef Paul Bulcke, sondern für einen Externen. Letztes Jahr holte er in einem eigentlichen Coup von oben den unbekannten Mark Schneider, einen Health Care-Manager, als künftigen CEO in den Konzern. Es war ein Bruch mit der Tradition. Zurück liess er drei interne Papabili, die sich allesamt Hoffnungen auf den Topjob gemacht hatten. Doch Brabecks Personalwahl macht Sinn. Schneider gilt als einer der fähigsten Manager Europas.

Die Fähigkeit, seine Positionen in Frage zu stellen

Zur Qualität Brabecks gehört freilich auch, dass er seine Positionen zumal in den 10 Jahren als Verwaltungsratspräsident immer wieder aufs neue überdachte, in Frage stellte und mitunter erstaunliche Schlüsse zog. So stand er jahrelang unter Beschuss von Corporate Goverance-Puristen, die immer lauter eine personelle Trennung vom Posten des CEO und des VR-Präsidenten einforderten. Zuvorderst im Widerstand gegen Brabecks Doppelmandat standen Dominique Biedermann und seine Ethos-Stiftung. Schliesslich gab er das umstrittene Doppelmandat 2005 auf.

Und dachte radikal um. Am 10-Jahr-Jubiläum der Ethos-Stiftung trat Brabeck, der Vielgescholtene, als Keynotspeaker auf. Umgedacht und halbwegs versöhnt hat er sich auch mit den Globalisierungskritikern, die im Multi aus Vevey seit Jahrzehnten ihr Lieblingsangriffsziel gefunden hatten. Mal war es Greenpeace, dann Attac oder der umtriebige Jean Ziegler.

Streitgespräch mit Jean Ziegler

Auch hier hat Brabeck in späteren Jahren dazugelernt. Während man früher auf Konfrontation setzte und höchstens im Notfall kommunizierte, nahm Brabeck den mitunter hitzigen Dialog mit dem Kritikern auf. Legendär wars, als sich der gestandene Konzernlenker mit Ziegler, dem Poltergeist der Wirtschaft, zum Streitgespräch traf und anschliessend meinte, in vielem würde er mit Ziegler einer Meinung sein.

Klar war diese Offenheit auch einem neuen Verständnis von PR geschuldet, aber da war auch ein echtes Umdenken. Es war nicht aufgesetzt, dass er sich um die Zukunft der Gesundheit, des Klimas oder des Wassers interessierte. Im Gegensatz zu manchem Topmanager behielt sich Brabeck auch nach vielen Jahren in der Corporate World die Sensibilität für neue Entwicklungen und frische Ideen. Daran wird sich auch morgen nicht ändern.