Dieses Jahr will Bachem ein Umsatzwachstum von 8 bis 12% und eine Ebit-Marge von 30 bis 35% erreichen. Sind diese Ziele immer noch aktuell?
Peter Grogg: Ja, ich kann diese Guidance bestätigen. Das Jahr 2007 ist gut gestartet.
Anfang Januar zogen Sie bereits einen ¬ersten grösseren Auftrag an Land. Für das Medikament Invicorp des britischen Pharmaunternehmens Ardana gegen Erektionsstörungen beim Mann liefern Sie das Peptid Aviptadil. Mit welchen Mengen dieses chemischen Stoffes rechnen Sie?
Grogg: Das dürfen wir wegen vertraglicher Bestimmungen nicht nennen. Aus dem gleichen Grund sind auch kaum Kunden von uns bekannt. Allgemein schwankt die Menge der hergestellten Peptidwirkstoffe von einigen hundert Gramm bis maximal 50 bis 100 kg und mehr.
Wie sieht es mit den Preisen aus?
Grogg: Ein Beispiel: Ein Peptid, das für uns momentan sehr wichtig ist, kostet mehrere Millionen Franken pro Kilo der hergestellten Substanz.
Sie sprachen die langfristige Orientierung an. Wird Bachem die Ziele alleine erreichen?
Grogg: Klares Ziel von Bachem ist, im Geschäft mit Peptiden weiterhin die Nummer eins zu bleiben und diese Position zu festigen. Mit welcher Strategie dies geschehen wird, kann ich nicht sagen.
Also ist Selbstständigkeit nicht sakrosankt?
Grogg: Wir wollen nicht um der Unabhängigkeit willen unabhängig bleiben. Unter Umständen könnte es sich negativ auswirken, wenn man stur an solch einem Ziel festhalten würde.
Über Ihre Firma Ingro Finanz und über private Investments hält Ihre Familie fast 57% der Bachem-Aktien. Würden Sie Ihre Beteiligung überhaupt abgeben?
Grogg: Ich habe noch nie Aktien verkauft und hege aktuell auch keine Verkaufspläne. Aber: Falls sich ein Weg eröffnen sollte, der für Bachem besser ist als der bisherige Weg der Unabhängigkeit, müssten wir darüber sprechen.
Wäre ein Zusammenschluss mit Lonza sinnvoll, die ja auch Peptide produziert?
Grogg: Ob es Sinn machen würde, kann ich nicht sagen. Zudem hat sich Lonza 2006 durch den Kauf der Peptid-Division der belgischen Firma UCB verstärkt.
Wie schätzen Sie die allgemeine Lage der gesamten Branche ein?
Grogg: Es ist ein Konsolidierungsdruck da. Ich schätze ihn aber nicht als dramatisch ein. Man darf auch nicht vergessen, dass keiner unserer Konkurrenten ähnlich hohe Margen erzielt wie wir.
Sie weisen 32,5% aus. Was macht die Konkurrenz?
Grogg: Die Angaben der Konkurrenz, die ich gesehen habe, schwanken zwischen roten Zahlen und einer Marge von 20%.
Woher kommt dieser grosse Unterschied?
Grogg: Wir arbeiten sehr kostenbewusst. So besteht beispielsweise unsere Konzernleitung nur aus drei Leuten. Wir zahlen auch keine exorbitant hohen Löhne.
Zurück zum Konsolidierungsdruck: Will Bachem aktiv daran teilnehmen?
Grogg: Uns werden immer wieder Unternehmen zum Kauf angeboten. Falls sich eine lukrative Gelegenheit bieten würde, wäre eine Akquisition sicher möglich.
Also steht das organische Wachstum im Vordergrund?
Grogg: Ja.
Durch welche Therapiegebiete soll dieses in Zukunft gespiesen werden?
Grogg: Vermehrt beruhen etwa Medikamente gegen Krebs, Alzheimer, Diabetes, Fettleibigkeit, Multiple Sklerose oder Aids auf Peptiden. Da sehen wir weiteres Potenzial für uns.
Wird Bachem auch durch die zunehmenden Absätze von Generika wachsen?
Grogg: Ja. Der Grund dafür ist einfach: Weil Peptide nicht einfach zu kopieren sind, kaufen die meisten Generikahersteller diese gleich bei uns.
Welche Rolle spielt das Marketing?
Grogg: Wir sind zwar in der glücklichen Lage, dass den meisten potenziellen Kunden beim Stichwort Peptide gleich der Firmenname Bachem einfällt. Trotzdem ist es essenziell, aktives Marketing zu betreiben. Jährlich geben wir dafür ein paar Prozente des Umsatzes aus.
Das ist nicht viel.
Grogg: Im Gegensatz zu einem grossen Pharmakonzern müssen wir unsere Produkte aber auch nicht weltweit lancieren und bewerben. So stehen auf unserer Lohnliste keine Ärztevertreter.
Zusammen mit dem niederländischen Biotechunternehmen Crucell betreibt Bachem ein Joint Venture namens Pevion, das an Impfstoffen forscht. Für das Fort¬bestehen dieser Berner Biotechfirma läuft nun eine zweite Finanzierungsrunde. Wann kommt diese zustande?
Grogg: Bachem und Crucell wollen Pevion weiter finanziell unterstützen, sofern sich dritte Parteien daran beteiligen. Das Ganze ist auf sehr gutem Weg. In der Schweiz sind momentan viele Biotechgeldgeber vorhanden.
Wie viel Geld benötigt Pevion?
Grogg: Mehr als die total 24 Mio Fr., welche das Unternehmen bisher erhalten hat.
Wann sind die Verträge unterschrieben?
Grogg: Bis spätestens Juli 2007.
Sie amtieren bei Pevion als Präsident. Ist ein Börsengang der Firma denkbar?
Grogg: Sagen wir es einmal so: Bis in ungefähr fünf Jahren ist ein Börsengang möglich. Aber auch der Verkauf an ein anderes Unternehmen.
Im selben Haus wie Pevion residiert die kleine Biotechfirma Kenta Biotech, bei der Sie Verwaltungsratsmitglied sind. Das Unternehmen forscht an Antibiotika gegen Infektionen, die in Spitälern auftauchen. Ist auch bei Kenta ein IPO möglich?
Grogg: Darüber eine Prognose zu machen, ist noch etwas früh.
Die Basler Biotechunternehmen Arpida und Basilea forschen auf dem gleichen Gebiet. Weshalb verkaufen Sie und die anderen Kenta-Investoren die Firma nicht an eine der beiden?
Grogg: Über potenzielle Abnehmer möchte ich nicht spekulieren. Es geht ja nicht immer darum, Firmen gleich zu übernehmen. Oftmals sind auch strategische Partnerschaften sehr erfolgversprechend.
Das Startkapital von Kenta betrug 9 Mio Fr. Wie lange reicht das Geld noch?
Grogg: Ungefähr eineinhalb bis zwei Jahre. Es ist aber bereits jetz klar, dass die bisherigen Investoren noch weitere Gelder sprechen werden.
Sie sind 65 Jahre alt, bleiben aber als Investor aktiv. So sind Sie bei der Genfer Biotechfirma Novimmune investiert und halten als Vizepräsident von Dottikon ES 5% des Aktienkapitals dieses Unternehmens. Kein Wunsch, sich zurückzulehnen?
Grogg: Wieso auch? Ich war schon mein ganzes Leben lang als Unternehmer tätig. Und es bereitet mir immer noch Freude, junge Firmen aufzubauen.
Sehen Sie zwischen Bachem und Dottikon ES Synergiemöglichkeiten?
Grogg: Primär geht es mir um den Erfahrungsaustausch. Aber sicherlich könnte man in verschiedenen Gebieten enger zusammenarbeiten. Beispielsweise besitzt Dottikon ES eine spezielle Abfallverbrennungsanlage; Bachem hat Bedarf für die Verbrennung von Lösungsmitteln.
Und zwischen Dottikon ES und der Bachem-Feinchemietochter Sochinaz?
Grogg: Da gilt das Gleiche wie für Bachem.
Gemäss den Statuten von Bachem dürfen Sie noch bis zum 70. Altersjahr als Verwaltungsratspräsident amtieren. Was geschieht dann?
Grogg: Die entsprechenden Vorbereitungen laufen. Geplant ist, dass meine ältere Tochter ab dem Jahre 2012 im Verwaltungsrat die Interessen unserer Familie vertreten wird.
Als Verwaltungsratspräsidentin?
Grogg: Nein.
Wer übernimmt dann das Präsidium?
Grogg: Ich habe bereits erste Vorstellungen. Namen möchte ich aber noch keine nennen.