Als professioneller Investor sind Sie auf Informationen der Unternehmen angewiesen. Mit wem reden Sie auf Firmenebene?

Peter J. Lehner: Primär sind das der CEO und der Finanzchef. Bei etwa der Hälfte der Firmen, mit denen ich in Kontakt bin, übernimmt der CFO auch die Investor-Relations-Aufgaben. Bei den CEO und CFO hat man einfach ein besseres Gefühl als bei Leuten von den Investor-Relations-Abteilungen. Mit Leuten, welche die Firmen beraten, rede ich gar nicht.

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Ist die Nähe zum Management nicht zu gross?

Lehner: Nein. Als Investor braucht man zuverlässige Informationen und Interpretationen der Geschäftsleitung. Das liegt auch im Interesse der Unternehmen selbst.

Sie könnten ja zu mehr Informationen kommen als «Normalanleger».

Lehner: Wenn man eine Gesellschaft über Jahre verfolgt, dann lernt man sicher, Nuancen anders zu interpretieren. Man muss zwischen den Zeilen lesen und die richtigen Fragen stellen können. Wichtig ist, dass man die Firma kennt, deren Umfeld und die Einbettung zu Konkurrenten.

Recherchieren Sie auch bei der direkten Konkurrenz der Firmen?

Lehner: Ja. Für mich sind die so genannt «weichen Faktoren», also das, was man über das Management, die Konkurrenzsituation und das Umfeld hört, zum Teil wichtiger als die rein analytischen Faktoren.

Welche Informationsquellen benutzen Sie sonst?

Lehner: Alles, was über ein Unternehmen publiziert wird. Zum Teil beachte ich auch elektronische Medien. Bei den Medien ist es aber meist eine Informationswiedergabe dessen, was in den Presseverlautbarungen der Firmen schon steht. In einem «normalen» Zeitungsartikel findet man auch kaum Fragen wie zum Beispiel: Welche Massnahmen müssen ergriffen werden? Wo sind die Stärken und Schwächen des Unternehmens?

Das tönt so, als ob wir Journalisten uns verbessern müssten.

Lehner: Als Wochenzeitung sollte man sicher etwas mehr in die Tiefe gehen als eine Tageszeitung.

Gehen Sie auch an die Präsentationen der Jahresabschlüsse?

Lehner: Ja, und dabei ist es zum Teil gar nicht schlecht, wenn man dem Management vor dem Publikum Fragen stellt. Die Aussagen sind dann verbindlicher.

Vor allem bei Small und Mid Caps gibt es vor wichtigen Ankündigungen immer wieder Kursausschläge, die auf Insiderwissen schliessen lassen. Ärgert Sie das ?

Lehner: Wenn man davon ausgehen muss, dass gewisse Kreise mehr wissen, ärgert mich das sicher. Ich bin ein ganz klarer Verfechter folgenden Vorgehens: Bei einer kursrelevanten Ankündigung verlässt ein Communiqué an die Presse gleichzeitig die Firma wie die Managementangehörigen das Sitzungszimmer. Auffallende Kursausschläge lassen sich aber auch damit begründen, dass manch ein Investor schlicht eine Wette eingeht und auf gute Firmen-News hofft. Ich mache das manchmal auch so.

Es ist momentan wieder die Zeit der Geschäftsberichte. Sind Sie zufrieden mit den Informationen?

Lehner: Es wird zu viel Raum für schöne Grafiken, Darstellungen und all dies verwendet. Oft ist auch die Leserhilfe defizitär. So fehlen vielfach Crossreferenzen zu verwandten Themen und Zahlen. Ärgerlich ist auch, wenn man zentrale Kennzahlen für den Anleger wie Ausschüttungsquote oder Preis-Buchwert-Verhältnis selber ausrechnen muss. Tabellarische Vergleichswerte sollten zudem aufdatiert und in einer benutzerfreundlichen Form dargestellt werden.

Ebenso jagen sich dieser Tage die Generalversammlungen. Sind Sie auch dort anzutreffen?

Lehner: Ich gehe höchstens an fünf oder sechs Generalversammlungen. Da ergibt sich auch wieder die Gelegenheit, als Teil des Publikums Fragen zu stellen, sei es zu Corporate Governance oder Aktienstruktur. Beispiel Kaba: Da zweifelte ich an der GV an der Wahl von Swiss- Life-CEO Rolf Dörig in den Verwaltungsrat. Bei der Swiss Life bestehen ja Liaisons zur Credit Suisse, und das ist problematisch. Da kann man sich Geschäfte zuhalten. Solche Sachen habe ich gar nicht gerne. Nicht gerne habe ich auch Anwälte in den Verwaltungsräten. Ausser wenn sie ganz klar signalisieren, dass sie keine geschäftlichen Beziehungen mit der Firma aufrechterhalten.

Da gäbe es ja ein aktuelles Beispiel.

Lehner: Ja, Rolf Watter bei Forbo. Man sollte ganz klar in den Corporate-Governance-Richtlinien festhalten, dass Leute, die im Beratungsbusiness tätig sind, als Verwaltungsräte keine Aufträge vom Unternehmen erhalten. Klar, das Know-how soll in den Verwaltungsrat einfliessen, aber Anwälte sollten keine Rechtsberatungsmandate für sich oder ihr Büro übernehmen dürfen.

Den Generalversammlungen haftet gemeinhin der Ruf als Gähn- und Kopfnickerveranstaltungen an. Was muss sich ändern?

Lehner: Es hat viel zu wenig kritische Aktionäre. Ich meine damit nicht die «Portionenschnurri». Gefragt sind Leute, die konstruktive Fragen stellen und den Verwaltungsrat herausfordern. Ich habe erlebt, dass Leute schon bei der zweiten Frage, die ich stelle, unruhig werden.

Weil sie die Häppchen riechen?

Lehner: Genau. Ich schätze, dass teilweise mehr als 50% der GV-Teilnehmer ehemalige Angestellte der Firma sind. Die kommen nur wegen des Gesellschaftlichen. Deshalb bin ich dafür, dass es nach den GV keine Aperitifs oder «Bhaltis» mehr gibt. Damit effektiv die Leute kommen, die ein Interesse an einer gehaltvollen GV haben. Auch die Banker, die in Scharen auftreten, kommen doch nur, um sich wieder einmal in Erinnerung zu rufen, um sich im Handshake zu üben oder um Businessgespräche zu führen. Ich habe noch nie einen Banker gesehen, der an einer GV kritische Fragen gestellt hat.

Ausländische Investoren sind oder waren bei Forbo und Unaxis in einen Übernahmepoker involviert, und immer mehr US-Anlagefonds kaufen sich bei Schweizer Firmen ein. Wird sich diese Entwicklung akzentuieren?

Lehner: Die Welt wird internationaler, das Geld ist das Gut, das am schnellsten bewegt werden kann. Aber auch Schweizer Pensionskassen, die früher nur in einheimische Aktien investiert haben, verfügen heute gerade noch über Anlagequoten von etwa 20% in Schweizer Aktien. Aber wenn Sie schon Unaxis erwähnt haben: Das würde ich schon eher in die Klasse Raiders als Investoren einstufen. Wenn jemand wirklich etwas kaufen will, dann macht er dies im stillen Kämmerlein und sucht sicher nicht die grosse Pressebegleitung dazu. Ich habe den Eindruck, diese Leute wollen den Kurs treiben, um sich dann sehr wahrscheinlich wieder zu verabschieden.

Weshalb konzentrieren Sie sich bei Ihrer Arbeit als Fondsmanager eigentlich auf Small und Mid Caps?

Lehner: Ich finde diesen Bereich viel interessanter als die Large Caps, wo man oft mit irgendwelchen Floskeln abgespeist wird und wo selbst führende Leute nicht mehr wissen, was in ihren Konzernen passiert. Das neue Aktienrecht und das Börsengesetz haben dazu beigetragen, dass der Bereich der Small und Mid Caps attraktiver geworden ist. Die Firmen müssen heute viel mehr preisgeben als früher. Deshalb ist für mich die so genannte Hausse im Small- und Mid-Cap-Bereich überhaupt nicht überraschend: Jetzt sieht man, was man kauft. Man stochert nicht mehr im Nebel herum wie früher.

Weshalb ging die Hausse bei den Small und Mid Caps in diesem Jahr entgegen vieler Prognosen weiter?

Lehner: Es wird heute alles viel zu kurzfristig angeschaut. Ich achte nicht auf Halbjahrescharts oder Jahrescharts. Meine Frage ist: Wie stand die Firma vor fünf oder sechs Jahren da? Und ich sage mir: Wenn ich heute kaufe, dann will ich in zwei bis drei Jahren Erfolge sehen.

Bei einigen Gesellschaften wie Bell oder Hiestand haben Sie sich ja grosse Beteiligungen aufgebaut.

Lehner: Der SaraSelect-Fonds ist heute fast so etwas wie eine «Beteiligungsgesellschaft». Bei sehr vielen Unternehmen bin ich zwischen 5 und 10% beteiligt, bei drei Gesellschaften kann ich gar nicht mehr dazukaufen, weil ich bei 10% angelangt bin. Die Gewichtung der Branchen ist relativ nebensächlich. Ich habe aber keine Banken, Energiewerte und Versicherungen. Ebenso keine Gesellschaften, die halbstaatlich oder von staatlichen Regulierungen abhängig sind. Die Verwaltungsräte dieser Firmen sind nämlich gespickt mit aktiven oder ehemaligen Politikern. Das sind meistens keine Unternehmer, sondern Lobbyisten.

Neben erfolgreichen Titeln gibt es aber auch Werte in Ihrem Fonds, die nicht so recht vom Fleck wollen. Bachem zum Beispiel.

Lehner: Aber ich habe doch Zeit! Bachem ist nach wie vor ein Liebling von mir. Ich weiss nicht, wann die durchschlagenden News kommen aus den Projekten. Auf jeden Fall habe ich dann die Aktien, und ich will die sehen, die diesem Titel dann nachspringen müssen.

Mit Kantonalbank-Aktien hätte man in letzter Zeit einiges verdienen können. Sie haben keine.

Lehner: Ich nehme das in Kauf. Wir haben dort aber schon genug Skandale gehabt, und die Verwaltungs- beziehungsweise Bankräte haben sich nicht verändert. Die Banken werden zum Teil Ertragsprobleme in den nächsten Jahren bekommen. Sie müssen noch mehr schrumpfen, die Löhne sind zu hoch, es stehen grosse Investitionen im IT-Bereich an. Und wenn die Zinsen steigen, erhöht sich das Kreditrisiko.

Wann verkaufen Sie Titel?

Lehner: Wenn sie analytisch teuer sind oder wenn das Management und der Verwaltungsrat die versprochenen Ziele nicht erreichen.