An Geistesblitzen mangelt es dem Mann offenbar nicht: «Ich stehe jeden Morgen auf und bin voller Ideen und Energie», sprudelt es aus Peter Ohnemus heraus. Der 53-Jährige ist Präsident und CEO des Schweizer HealthTech- und InsurTech-Anbieters Dacadoo, gründete mit 23 Jahren seine erste Firma, trinkt gerne stilles Wasser und bezeichnet sich selbst als seriellen Unternehmer.
Seine beruflichen Wurzeln hat Ohnemus, dessen Mutter Dänin und dessen Vater Schweizer ist, in der Chemiebranche. Schon früh entdeckte er seine Faszination für Computer und eignete sich immer spezifischeres Wissen im Bereich Software an – alles
autodidaktisch. Es folgten mehrere Firmengründungen, darunter des Schweizer Datenbank-Unternehmens SQL AG, das er später an das grosse amerikanische Softwareunternehmen Sybase verkaufte. Oder die an der Börse hochgejubelte und dann abrupt gefallene Hightech-Firma The Fantastic Corporation. Oder die Nachhaltigkeits-Datenbank Asset4, die er 2009 an Thompson Reuters verkaufte.
Gesundheit von 1 bis 1000
Sein nächstes grosses Projekt widmete sich der Gesundheit. «Ich fand, dass man nicht nur Unternehmen, sondern auch Menschen nach ihrer Nachhaltigkeit bewerten kann», erzählt der IT-Crack. Und so erfand er den Gesundheitsindex (engl. Health Score) und gründete im Jahr 2010 mit Eigenkapital sein nächstes Unternehmen, die Dacadoo AG. «Der Grundgedanke war, einen Proxy, also eine Währung, zu erfinden, um die Gesundheit eines Menschen zu beschreiben», erklärt Peter Ohnemus. Diese werde durch einen Echtzeit-Algorithmus anhand von drei Hauptsäulen berechnet: 1. Lebensstil (Ernährung, Schlaf, Bewegung, Stress), 2. Körper (Gewicht, Grösse, Geschlecht sowie andere Körperwerte) und 3. mentales (Wohl)Befinden. Basierend auf den anonymisierten Daten von über 300 Millionen klinischen Personenjahren ergibt sich dadurch ein individueller Health Score von 1 (klinisch tot) bis 1000 (übermenschlich).
Der persönliche Gesundheitsindex sinkt, wenn man den ganzen Tag sitzt. Deshalb bietet Dacadoo zusätzlich einen auf künstlicher Intelligenz basierenden Feedback Loop an. Dieser funktioniert als eine Art automatisierter und personalisierter Gesundheitscoach, und er gibt dem User Tipps in den Bereichen Bewegung, Ernährung, Stress und Schlaf. «Wir wollen den Leuten nicht nur erklären, wie gesund sie sind, sondern auch, was sie tun können, um ihre Gesundheit zu halten bzw. zu verbessern», erklärt der Unternehmer. Und weil Menschen für gutes Verhalten gerne belohnt werden, können Versicherungskunden von Dacadoo optional das eingebaute Belohnungssystem aktivieren. Wer Gutes tut für seine Gesundheit, bekommt Punkte, die er später für eine Belohnung einlösen kann.
Neue, digitale Ideen
Als Unternehmer sei er auch ein Querdenker, sagt Peter Ohnemus nicht ohne Stolz. «Ich suche nach Innovationen; davon lebe ich.» Das gilt auch für das Gesundheitssystem. «Die Kostenstruktur, hier auf uns zukommt, ist wahnsinnig. Das können wir uns gar nicht leisten!» Eines der grösseren Probleme im heutigen Gesundheitswesen sei, dass Daten analog erfasst würden. «Das gesamte Gesundheitswesen wird und muss digital werden», hält der Datenbank-Experte mit Nachdruck fest und zitiert aus einer Studie von McKenzie: «Damit lässt sich ein Drittel der Kosten im Gesundheitssystem sparen.» Hohe Kosten verursachen gemäss Ohnemus auch falsche Diagnosen. «Gemäss führenden internationalen medizinischen Studien geht man davon aus, dass zwischen 35 und 40 Prozent der medizinischen Diagnosen falsch sind», erklärt er.
Der IT-Spezialist hält viel von künstlicher Intelligenz (KI), insbesondere von Machine Learning. «Google konnte in einer Studie mit 20 000 Leuten nachweisen, dass KI fähig ist, via Face ID den Augendruck zu erkennen und so grauen Star vorauszusagen. Ohne dass ein Mensch dabei war. Nur mit dem Smartphone.» Klar könne man mit dem Smartphone keine Herzoperation durchführen. «Aber was man heute Computer in Bilderkennung trainieren kann ist Wahnsinn», sagt Ohnemus mit einem Strahlen im Gesicht.
Nicht nur die Zukunft der Medizin ist gemäss Ohnemus’ Prognose digital, sondern auch diejenige des Versicherungswesens. «Die Zukunft der digitalen Versicherung ist ein Marktplatz. Und dieser Marktplatz wird nur funktionieren, wenn man etwas gibt und dafür etwas zurückbekommt. Das ist ganz wichtig.» In anderen Bereichen sei das Prinzip bereits selbstverständlich. «Wenn Sie jahrelang unfallfrei Auto fahren oder sogar eine Blackbox installiert haben, angemessen beschleunigen und nicht mit 200 Sachen über die Autobahn brettern, bekommen Sie viel attraktivere Prämien bei Ihrem Motorfahrzeugversicherer», untermalt der Unternehmer seine Argumentation. Das sei doch fair.
Think positive
Peter Ohnemus hat es einmal mehr geschafft: Mit seiner Firma Dacadoo gewinnt er einen Preis nach dem anderen, er kann immer mehr grosse Kunden von seinem Produkt überzeugen, geht Partnerschaften in der ganzen Welt ein und baut sein Angebot laufend aus. «Mittlerweile zieht es langsam an», freut sich der Unternehmer. Aber am Anfang habe er es schwer gehabt: «Die meisten Menschen fanden, dass ich spinne, als ich ihnen meine Idee erklärt habe.» «Das schafft der nie», sei der Grundtenor gewesen. «Was wir da auf die Schnauze bekommen haben mit Dacadoo in den ersten paar Jahren …» Aber als wahrer Unternehmer stehe man immer wieder auf und denke positiv.
Unternommen hat Ohnemus während seiner bisherigen Karriere schon einiges. Bestraft wurde er für sein ungestümes Wesen schon früh: «In meinen jungen Jahren erlitt ich einmal ein Burnout und musste lernen, dass ich auf mich selbst Acht geben muss.» Heute sei er sehr ausbalanciert und mache viel Sport, probiere, genügend Schlaf zu bekommen und im Gleichgewicht zu bleiben. «Zuerst musste ich aber voll in die Wand knallen, und dann habe ich daraus gelernt.»
Das gesamte Interview lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der «Schweizer Versicherung».