Ein Auftrag in dieser Milliardenhöhe, das hatte Stadler Rail bisher gefehlt: 4,06 Milliarden Euro. Es ist der grösste Auftrag in der Firmengeschichte und hilft, um in der Liga der weltgrössten Schienenfahrzeughersteller weiter vorne mitzuspielen.

Die Vorteile

Stadler hat den Zuschlag für insgesamt 504 Schienenfahrzeuge und deren Instandhaltung für 32 Jahre erhalten. Der Clou dabei: Erstens geht es um eine ausserordentlich hohe Stückzahl. Das hilft, die Produktion effizienter zu machen, die Stückkosten zu senken. Und das macht Stadler Rail künftig bei Ausschreibungen gegen die Konkurrenz wettbewerbsfähiger.

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Zweitens: Dieser grösste Auftrag der Unternehmensgeschichte für Stadler Rail ist eigentlich ein Sammelauftrag. Dieser besteht nicht aus einem, sondern sechs Aufträgen: Im Rahmen des Projekts «VDV-Tram-Train» sind das die Verkehrsbetriebe Karlsruhe (VBK), die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), die Saarbahn, Schiene Oberösterreich, das Land Salzburg und der Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb.

Sprich: Mit einem Schlag hat Stadler Rail sechs Kunden dazugewonnen. Und die Auftraggeber versprechen sich von dem Auftragspaket bis zu 1 Million Euro weniger Kosten pro Fahrzeug.

Die Nachteile

Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail: Das Los über 504 Fahrzeuge setzt sich zusammen aus 246 Schienenfahrzeugen im Wert von 1,7 Milliarden Euro, die Stadler Rail bereits fix zugesagt bekommen hat. Aber bei den anderen 258 Stück handelt es sich um Optionen. Das hat vor allem praktische Gründe: Wenn diverse Aufträge und Lose in einen Grossauftrag hineingepackt werden, dann muss man nicht jedes Mal neu ausschreiben, sondern hat den bestehenden Partner bereits an der Hand.

Derzeit ist das aber ein Rahmenvertrag und eine Option ist keine Verpflichtung. In der Branche gilt in der Regel ein Wahrscheinlichkeitswert von 60 bis 70 Prozent, dass solche Optionen gezogen werden. Und im vorliegenden Fall Stadler Rail auch die weiteren Aufträge auf die gesamten 504 in den kommenden Jahren erhalten wird.

Für die Marktpositionierung von Stadler Rail ist der Grossauftrag zwar durchaus hilfreich. Aber Patron, Firmenchef und Stadler-Grossaktionär Peter Spuhler steht vor allem durch die chinesische Konkurrenz, das Unternehmen CRRC, gewaltig unter Druck. Die Chinesen holen beim Technik-Know-how auf und produzieren günstig. Und sie ziehen dadurch reihenweise Aufträge an Land, mittlerweile auch in Europa, im Heimmarkt von Stadler Rail.

Die Konkurrenten

Nicht nur vom Weltmarktführer CRRC kommt Druck. Sondern auch von der Fusion Alstom und Bombardier Transportation, welche einen Branchenlöwen mit erdrückender Marktmacht hervorgebracht hat.

Das Fusionsgebilde gilt als die Nummer zwei auf dem Weltmarkt für Schienenfahrzeuge, hinter CRRC.

In dieser Liga kann Stadler Rail noch nicht mitspielen. Für den Zugbauer aus Bussnang wird sich der Konkurrenzkampf dafür in der zweiten und dritten Reihe abspielen. Skoda etwa punktet immer wieder mit einem guten Preis und einer starken Verankerung in Osteuropa. Und Hitachi Rail hat den Bereich Hochgeschwindigkeitszüge ausgebaut, indem es die Bombardier-Einheit Zefiro gekauft hat. Bombardier Transportation musste die Firma loswerden, um die Auflagen der Genehmigungsbehörden für die Fusion mit Alstom zu erfüllen.

Kommt hinzu, dass Hitachi Rail sich auch im Bahnsignal-Bereich ausbreitet. Das ist für Stadler Rail einer der wenigen Bereiche, wo man gut über die Kompetenzen als reiner Schienenfahrzeughersteller hinauswachsen könnte. Stadler holte sich bereits die deutsche «BBR Verkehrstechnik» und «Bär Bahnsicherung» unters Dach.

Und jetzt grätscht Hitachi Rail auch hier dazwischen: Die Firma übernahm 2019 die Mehrheit an der italienischen Signalling-Firma Ansaldo STS und macht sich auch in diesem Segment (mit Hitachi Rail STS) breit.

Der Grossauftrag von 4 Milliarden Euro macht sich sehr gut in den Büchern, wird Stadler Rail gegen die markthungrige Konkurrenz aber mit immunisieren.