Seit mehr als 30 Jahren war der Name der in Zürich beheimateten Wirz-Gruppe unweigerlich mit demjenigen von Jost Wirz verknüpft. Im Juli 2005 nun hat der Kapitän die Brücke des Generalunternehmens in Sachen Werbung und Kommunikation Richtung Verwaltungsrat verlassen und das Steuer definitiv neuen Händen anvertraut. Das operative Kommando obliegt fortan dem Quartett Geri Aebi (Wirz Werbung), Urs Binggeli (Wirz Corporate), Michel Juhasz (Assai Interactive, eine von Wirz neu erworbene Online-Kommunikationsfirma) sowie Peter Strub. Letzterer, mit 52 Jahren der Älteste in der notabene mit lauter Betriebswirten besetzten Gruppenleitung, wurde von Patron Wirz 2002 an Bord geholt und sogleich mit der Aufgabe betraut, nach äusserst schwierigen Jahren den Turnaround durchzuziehen.
Ruhender Pol im Kreativchaos
Die Schwarzwälder Pendule an der sonst blanken Bürowand schlägt um 2 Uhr exakt ein Mal und punkt 3 zwei Mal. Eine Verschrobenheit, die den Herrn mit dem markanten Bart nicht weiter zu stören scheint. Wer als Kind in einem Haus aufgewachsen ist, das mit Pretiosen höchster Uhrmacherkunst vollgestopft war, dessen Gehör schenkt dem Ticken der antiken Zeitmaschinen mit den Jahren kaum mehr Aufmerksamkeit, als eine übersättigte Konsumentenschaft es tut, wenn ihr wieder einmal ein Waschmittel als ultra-mega-wirksam gegen dunkle Flecken auf weissen Westen angepriesen wird.
Das Leben des Peter Strub, der als Chef des Wirz-Gebäudes Übersicht über sämtliche (kreativ-chaotischen) Bereiche behalten muss, böte recht eigentlich Stoff für einen ganzen Roman. Denn wenn andere seines Kalibers Studentenverbindungen und Fontainebleau erwähnen, dann spricht Strub lieber über seine Zeit «i de Chischte», über Weltumrundungen mit dem Rucksack und die Abkehr von materiellen Werten.
Die Karriere des im Basellandschaftlichen aufgewachsenen Sohns eines Ingenieurs ist denn auch nur so gespickt mit Wendungen und Brüchen, die augenfällig belegen: Dem Mann geht eines über alles die persönliche Freiheit. «Wenn mir etwas nicht passt, wenn es mir langweilig wird, dann muss ich das schleunigst ändern oder ich muss gehen. Das war schon immer so.» Die Angst vor dem Nichts, vor der unvorhersehbaren Veränderung, die will Peter Strub, der mittlerweile nebst CEO auch Mitbesitzer der Wirz-Gruppe ist, nicht kennen.
Aus dem Vollzug in Richtung Osten
Den Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung hat der überzeugte Pazifist schon zur Schulzeit verspürt. Konkret, als es darum ging, dem Ruf von Vater Staat Folge zu leisten. Als Mitstreiter der «Münchensteiner Initiative» kämpfte Peter Strub anfang der 70er Jahre an vorderster Front für die Einführung des Zivildienstes für Dienstverweigerer aus Gewissensgründen. Nicht mehr als logisch, machte er in der Folge einen grossen Bogen um Kasernen und Kanonen. Die Quittung: Neun Monate Gefängnis. Sechs davon hatte er effektiv abzusitzen. Dafür, dass er der Rekrutenschule fern geblieben war.
Strub ringt der Zeit in der Strafanstalt von Solothurn heute gar auch Gutes ab. Ziemlich Glück habe er nämlich gehabt, habe er auf einem externen Hof mit Pferden arbeiten und sich gleichzeitig überlegen können, was er nach seiner Entlassung mit dem Leben anzufangen gedenke. Ein Studium, darauf hatte er keine Lust die Schulzeit, die Jahre am Gymnasium, sie waren ihm noch als allzu lang in Erinnerung. So entschied er sich für eine Lehre als Elektrozeichner.
Vom Unternehmergeist getrieben, gründete Peter Strub anschliessend eine eigene Standbaufirma und spezialisierte sich damit auf Messebauten im Ostblock. Eine Zeit, an die er sich gerne erinnert. Denn Osteuropa, das sei Ende der 70er Jahre noch ein Abenteuer gewesen. Mit dem Auto sei er in 24 Stunden von Basel nach Plovdiv in Bulgarien gefahren und dort wie ein König behandelt worden. «Wir Westler hatten damals ja alles, was die Leute hinter dem Eisernen Vorhang nicht hatten.»
Trotz quasi-royalem Privileg verkaufte Strub nach vier Jahren Jungunternehmerdasein und der damit verbundenen Reiserei überdrüssig seine Firma, heuerte in Basel bei einem Elektroinstallationsunternehmen an und wechselte alsbald nach Genf, um beim TCS die Kursorganisation «Noch besser fahren» auf die Beine zu stellen. Eine Zusatzrunde, denn eigentlich zog es ihn, der sich spätestens zu diesem Zeitpunkt als äusserst vielseitig Begabter bewiesen hatte, nun doch in die Hörsäle.
An der HWV Basel beabsichtigte er nach seiner Rückkehr aus dem Osten Betriebswirtschaft zu studieren. Allein, man wollte ihn anfänglich nicht. Ihn, den langhaarigen Dienstverweigerer im Wolfspelz(mantel) mit Russlanderfahrung und wie Strub heute vermutet wohl auch einem Eintrag im Fichenregister. «Mir wurde beschieden, dass frühestens in zwei Jahren ein Platz frei werde», erinnert er sich, «dies wohl in der Annahme, dass ich es mir mit der Zeit doch noch anders überlegen würde.» Was er selbstverständlich nicht tat.
Abseits materieller Werte
Heute, 20 Jahre nach seinem Studium, ist Peter Strub als Vorsitzender der Gruppenleitung von Wirz verantwortlich für die Zahlen einer der landesweit renommiertesten Werbeagenturen. «Man sollte das machen, was man gut kann», lacht der in Zug wohnhafte Landrover-Fahrer, den beruflich insbesondere die strategischen Herausforderungen reizen und der sich den Mitarbeitenden verpflichtet fühlt, insofern, als dass er davon ausgeht, jedes Problem auf eine «menschliche Art» lösen zu können selbst Entlassungen.
Was er im Geschäftsalltag schätzt? «Leute, die an meinem Stuhl sägen. Denn solche Menschen wollen etwas erreichen, und das zwingt mich, in dem, was ich tue, stets einen Schritt voraus und dabei auch noch besser zu sein.» Strub vertraut dabei vor allem auf seine Erfahrung. Jene im Beruf, jene aber auch im Leben. Und die hat ihn in der Vergangenheit unter anderem gelehrt, materielle Werte nicht überzubewerten. Sollte er sich zwischen persönlicher Freiheit und finanzieller Sicherheit entscheiden müssen, so würde er klar Ersteres wählen, betont der begeisterte Bergsportler.
So hat er denn vor vier Jahren, nach seinem Engagement bei Euro RSCG Switzerland, erst einmal ein Sabbatical eingelegt und ist mit nichts mehr als dem Rucksack auf dem Rücken während eines Jahres durch die Welt getrampt. Ohne zu wissen, was danach kommen würde. «Ein eindrückliches Erlebnis, der Horizont öffnet sich, und das gewohnte Wertesystem hat keine Gültigkeit mehr», erinnert sich Strub insbesondere an seine Aufenthalte in Nepal, Kambodscha und Südamerika. «Plötzlich gewinnen so grundsätzliche Begebenheiten wie der Sonnenschein, wie Begegnungen mit Menschen oder die Natur enorm an Bedeutung.»
Dass er dennoch in die von Materialismus geprägte Erste Welt zurückgekehrt ist, hatte zwei Gründe, wie Peter Strub schmunzelnd anfügt. Zum einen habe die Partnerin nicht ein Leben mit ihm und einer Herde Rinder in der argentinischen Pampa führen wollen, zum anderen sei da aber auch dieses verlockende Angebot von Jost Wirz auf dem Tisch gelegen «eine Herausforderung, zu der ich nicht wirklich Nein sagen konnte».
Allerdings, aufgeschoben heisst auch oder erst recht bei Peter Strub nicht aufgehoben. Sein Traum, den er irgendwann mal verwirklichen will: Über die Panamericana von Alaska hinunter nach Feuerland cruisen. Im eigenen Tempo der Freiheit entgegen.
Nationale und internationale Kunden: Steckbrief
Name: Peter Strub
Funktion: CEO Wirz-Gruppe, Zürich
Alter: 52
Wohnort: Zug
Familie: In fester Partnerschaft
Karriere
1981-1983 Touring Club der Schweiz
1983-1986 HWV Basel, Studium der Betriebswirtschaft
1986-1988 Metromec AG Chur, CFO
1988-2001 Euro RSCG Switzerland, COO
2001-2002 Sabbatical
Seit 2002 Wirz-Gruppe, CEO
Firma
Wirz zählt mit 24,7 Mio Fr. Umsatz (2004) zu den führenden Unternehmen der Schweizer Kommunikationsbranche und betreut nationale und internationale Kunden (beispielsweise Migros, Mövenpick, Kuoni, Mobiliar, Toyota) in den Bereichen Werbung, Corporate Communications und Online-Kommunikation. 1936 durch Adolf Wirz als Ein-Mann-Werbebüro gegründet, zählt die Gruppe heute an den Standorten Zürich, Bern, Frankfurt und Wien rund 130 Beschäftigte. Die Aktienmehrheit und Führung ging diesen Sommer an die vier in der Gruppenleitung vertretenen Geschäftsführer.