Obwohl der Zürcher Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer in seiner 1708 erschienenen «Natur-Historie des Schweizerlandes» ausdrücklich die Fläscher Weine lobte, standen die Winzer des kleinen Bauerndorfes lange Zeit im Schatten ihrer Kollegen aus der grösseren Nachbargemeinde Maienfeld. «Im Vergleich zu den Maienfeldern waren wir Fläscher Nobodys», erinnert sich Winzer Peter Hermann.
In der Zwischenzeit hat sich das Blatt gewendet. Mit 65 ha ist die Fläscher Rebfläche zwar noch immer deutlich kleiner als jene Maienfelds (106 ha), doch wenn es um die Qualität der erzeugten Weine geht, liegen die Fläscher Winzer heute eindeutig vorne. «Wir mussten halt etwas tun, um auf uns aufmerksam zu machen», meint Peter Hermann.
Dies ist nicht allein dem Fläscher Winzerpaar Martha und Daniel Gantenbein gelungen, die schon früh kompromisslos auf Qualität gesetzt haben und die heute zur Schweizer Winzerelite zählen. Inzwischen hat sich der Kreis der Fläscher Vorzeigewinzer erweitert. Neben Daniel Marugg, Thomas Marugg, Andrea sowie Marianne Davaz und Christian Hermann gehören auch Peter und Rosi Hermann dazu.
Die Grundmauern des alten Fläscher Bades ausgegraben
Führte Hans-Peter Hermann, Peter Hermanns Vater, noch einen Mischbetrieb, zu dem auch einige kleinere Rebparzellen gehörten, so beschloss der Sohn Anfang der 80er Jahre, sich auf den Weinbau zu konzentrieren. Dies wurde möglich dank der Gesamtmelioration, welche die Gemeinde Fläsch 1974 durchgeführt hatte und zu der auch umfassende Güterzusammenlegungen gehörten. Die Hermanns bekamen den Rebberg beim ehemaligen Fläscher Bad, am äussersten Rand der Bündner Herrschaft, zugesprochen. Sie terrassierten den steilen Rebhang; gleichzeitig begannen sie, die Grundmauern des Fläscher Bades auszugraben. Nachdem hier während rund 200 Jahren verschiedene Besitzer einen Badbetrieb geführt hatten, zu dem Badhütten, ein Gasthaus mit Zimmern und ein oberhalb der Gebäude gelegener Rebberg gehörten, stellte in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Gemeinde Fläsch, die nunmehrige Eigentümerin, den Badbetrieb ein und liess die Gebäude abreissen.
Heute betreibt die Familie Hermann in den rekonstruierten Kellerräumen, zu denen auch eine lauschige Pergola gehört, ein Grotto für gesellige Anlässe.
1982 kelterte Peter Hermann seine ersten Weine: Riesling x Sylvaner, Grauburgunder und Blauburgunder, die damals zur limitierten Auswahl kantonal bewilligter Rebsorten zählten. Inzwischen sind die staatlichen Regulierungen, die darauf ausgelegt waren, den Rebbauern die Existenz zu sichern, doch zugleich auch deren Eigeninitiative behinderten, abgeschafft worden. Wie die meisten anderen Winzer haben auch Peter und Rosi Hermann seither weitere Rebsorten gepflanzt. Die insgesamt 6,5 ha eigenes Rebland (davon entfallen allein 5 ha auf den terrassierten Rebberg oberhalb des Fläscher Bads) sind nunmehr mit zehn Sorten bestockt, die nach den Richtlinien der Integrierten Produktion kultiviert werden.
Zum Sortiment zählen fünf verschiedene Weissweine. Frisch und fruchtig präsentiert sich der Riesling x Sylvaner 2003, dessen knackige Säure gut mit der dezenten Restsüsse harmoniert. Wunderbar geradlinig und harmonisch zeigt sich der von den sortentypischen Holunderblüten-, Brennnessel- und Stachelbeerenaromen dominierte Sauvignon Blanc 2003. Als vielschichtig, gehaltvoll und gleichwohl elegant kann man den während acht Monaten in Barriques ausgebauten 2003er Chardonnay bezeichnen, und beim breitschultrigen, aber keineswegs plumpen Grauburgunder gefällt die Aromatik von reifen Früchten und die von einer präsenten Säure sekundierte Restsüsse.
Création heisst der ebenfalls aus angetrockneten und gefrorenen Grauburgundertrauben gekelterte Süsswein. Der 2002er ist ein beeindruckendes Elixier mit Aromen von getrockneten Früchten, dem die knackige Säure Frische und Tiefgang verleiht.
Chorherren zu Chur lieferten den Namen Completer
Eine wiederzuentdeckende Rarität ist schliesslich der Completer, eine bereits im Jahre 926 urkundlich erwähnte weisse Sorte. Während Jahrhunderten wurde sie in der Bündner Herrschaft, vorab in Malans, kultiviert. Seinen seltsamen Namen soll dieser körperreiche und zugleich säurebetonte Wein einem sympathischen Brauch der Chorherren des Churer Stifts verdanken. Angeblich genehmigten sich diese jeweils nach dem Abendgebet, dem Completorium, einen ordentlichen Schluck dieses kräftigenden Rebensafts. Wegen seiner markanten Säure und seiner Frostanfälligkeit im Frühjahr fiel der Completer jedoch Ende des 19. Jahrhunderts sowohl bei den Konsumenten wie den Winzern in Ungnade. Überlebt hat er nur auf einigen kleinen Parzellen. Zurzeit sind in der Bündner Herrschaft knappe 2 ha mit dieser eigenwilligen Sorte bestockt. «Wenn man die Completer-Rebe an guten Lagen pflanzt und den Ertrag begrenzt, kann man aus ihr ausgezeichnete Weine keltern», lobt Peter Hermann.
Schon seit Jahren gehört der in 500-l-Fässern ausgebaute Completer der Hermanns zu den Spitzenerzeugnissen der Gegend. Der 2002er überzeugt in der Nase durch seine nussig-balsamische Noten und im Gaumen durch seine dicht gewobene, vielschichtige Textur sowie den bemerkenswert langen, säuregestützten Nachhall. Ein Wein, dem man gerne einige Jährchen Reifezeit gönnen möchte.
Zur Abrundung gibt es drei verschiedene Blauburgunder
Obwohl der Produktionsschwerpunkt des Winzerbetriebs von Peter und Rosi Hermann bei weissen Gewächsen liegt, gehören auch aus der hier dominierenden Blauburgunder-Rebe gekelterte Weine ins Sortiment. Neben dem Schiller, einem fruchtig-süffigen Rosé (aus Blauburgunder- und Grauburgundertrauben gekeltert) erzeugen Peter und Rosi Hermann auch zwei reine Blauburgunderweine. Während der Charakter des «normalen» 2003er Blauburgunders von dessen beeriger Fruchtigkeit und dem ebenso kräftigen wie eleganten Körper geprägt ist, lässt die kräftigere, in Barriques ausgebaute Version in der Nase Aromen von reifen, kompottigen Beeren aufscheinen, denen ein von weichen Tanninen, saftiger Säure und dezenten Röstnoten geprägter Körper Rückhalt verleiht. In nächster Zukunft wollen die Hermanns ihr Rotweinsortiment um eine Cuvée aus Merlot, Diolinoir, Zweigelt und Acolon erweitern.
Die Weine sind direkt ab Gut erhältlich. Peter und Rosi Hermann, Hinterdorf 91, Fläsch. Tel. 081 302 40 85; Fax 081 302 86 44.