Die Leute fühlen sich betrogen», gestand Novartis-Chef Daniel Vasella ein, als er an der Bilanzpressekonferenz auf den Vioxx-Skandal angesprochen wurde. Merck, die Herstellerin von Vioxx, wird verdächtigt, frühzeitig um die tödlichen Folgen ihres Produktes gewusst, diese Informationen aber unter dem Deckel gehalten zu haben.

Vioxx ist allerdings nur eines von vielen Krisensymptomen in der Pharmaindustrie: Seit längerem ist die Rede von leeren Pipelines, Scheininnovationen und von einem möglichen Ende der freien Preisgestaltung im US-Markt. Zudem droht den Konzernen eine härtere Gangart der Zulassungsbehörden und Generikakonkurrenz. Allein von 2004 bis 2006 verlören Medikamente mit Umsätzen von 20 Mrd Dollar den Patentschutz, schätzt Sandoz. Die Konsequenzen sind bekannt: Mit der Markteinführung von Generika brechen die Umsätze der Originalpräparate um bis zu 80% ein.

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Das hat die Investoren eingeschüchtert: Seit drei Jahren entwickeln sich Pharmaaktien schlechter als der Gesamtmarkt. «Diese sind heute so günstig wie Anfang der 90er Jahre», sagt Karl Heinz Koch, Analyst bei Lombard Odier Darier Hentsch. Damals herrschte grosse Unsicherheit darüber, ob Bill Clinton Reformen zum Schaden der Industrie durchführen würde.

Sanofi-Aventis ist die günstigste Aktie

Natürlich sind die Sorgen der Investoren in Bezug auf die Pharmaaktien real. Aber wenn sie nicht ohnehin etwas übertrieben sind, dann sind sie zumindest bereits in den Aktienkursen vorweggenommen. «Meiner Ansicht nach haben die Pharmatitel heute eine attraktive Bewertung», sagt Hernani de Faria von der Zürcher Kantonalbank.

Zudem können die Anleger innerhalb der Pharmabranche ihr Risikoprofil selber auswählen. Die wegen des Fusionsprozesses etwas risikoreichere Sanofi-Aventis-Aktie bekommt man etwa zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) 2005 von 14.

Novartis scheint mit einem KGV von 18 nur auf den ersten Blick teuer: Die Basler dürften aber auch im laufenden Jahr Marktanteile dazugewinnen und haben eine randvolle Pipeline. Patentabläufe drohen Novartis in den nächsten Jahren nur wenige. Das ist bei GlaxoSmithKline etwas anders: Doch die grösste Welle von Patenverfällen haben die Briten bereits hinter sich. Mit einem KGV von 15 scheint die Aktie attraktiv.

So ziemlich die teuerste Aktie ist derzeit Roche. Zu Recht, ist eine Mehrheit der Analysten überzeugt. Roche, die sehr stark im Biotech- und im Krebsgeschäft tätig ist, hat nur schon deshalb eine Prämie verdient. Biotech ist mehr als ein Label: Roches zweitwichtigstes Medikament, NeoRecormon, hat beispielsweise den Patentschutz verloren. Doch Generikakonkurrenz gibt es bisher keine, denn Biotech-Medikamente kann man nicht so einfach nachahmen. Am 2. Februar werden die Basler aller Voraussicht nach gute Zahlen vorlegen: Auch Roche dürfte Marktanteile gewonnen haben.

Europäer sind teurer

Etwas fällt grundsätzlich auf: Europäische Pharmaaktien kosten derzeit mehr als amerikanische. Das ist sehr selten, hat aber gute Gründe: Gemäss einer Studie von Merrill Lynch sind bei der europäischen Big Pharma in den nächsten zehn Jahren «nur» 24% der Umsätze durch Generika bedroht, während es bei US-Pharmaunternehmen 36% seien. Auch die Produkte-Pipeline der Europäer ist gemäss Merrill Lynch attraktiver. Obwohl die Merck-Aktie durch den Vioxx-Skandal stark unter Druck gekommen ist, sei es unvernünftig, jetzt einzusteigen, sagt Karl Heinz Koch: Mercks umsatzstärkstes Produkt verliere 2006 den Patentschutz, und dem Unternehmen drohten Schadenersatzklagen in Höhe von bis zu 50 Mrd Dollar. Zu den attraktivsten US-Aktien gehört Eli Lilly, die von der Qualität her mit Novartis vergleichbar ist. Es braucht derzeit etwas Mut, Pharmaaktien zu kaufen. Doch die Investition könnte sich auszahlen.

Viel versprechende Zukunft

Die attraktivsten

Pharmaaktien KGV 2005

Eli Lilly 19

GlaxoSmithKline 15

Novartis 18

Roche 20

Sanofi-Aventis 14

KGV=Kurs-Gewinn-Verhältnis

Quelle: «HandelsZeitung», diverse Banken