Francesco Sinigaglia war überrascht. Der CEO des italienischen Biotechunternehmens Bioxell war bisher immer davon überzeugt, dass sein Produktkandidat Elocalcitol gegen urologische Probleme (Schmerzen in der Prostata, überaktive Blase) wirksam sein würde. Anfang dieses Jahres machten seine Forscher aber die Entdeckung, dass Elocalcitol auch gegen die männliche Unfruchtbarkeit helfen könnte. Eine erste Untersuchung zeigte nämlich, dass das Medikament die Qualität der Spermien verbessert.



Sinigaglia will deshalb im 4. Quartal 2007 eine weitere Studie starten, um zu sehen, ob sich die ersten, zufälligen Erkenntnisse bestätigen (siehe «Nachgefragt»). Dafür sollen 220 Versuchsteilnehmer in insgesamt zehn Studienzentren in Deutschland und Italien während jeweils vier Monaten entweder mit Elocalcitol oder einem Placebo behandelt werden.

Die an der Schweizer Börse SWX kotierte Bioxell ist zwar nur per Zufall auf diesen Markt gestossen. Dieser ist aber attraktiv. Denn die Zahl der unfruchtbaren Männer steigt. Grund sind unter anderem Probleme bei der Spermienproduktion im Hodengewebe oder Nervenschäden durch Verletzungen oder Krankheiten wie Diabetes.

Heute bleiben deshalb 10 bis 25% aller Paare, die sich Nachwuchs wünschen, ungewollt kinderlos. Genaue Finanzzahlen über den Markt sind nicht erhältlich. Zum Vergleich: Der Markt für weibliche Unfruchtbarkeit beträgt weltweit gegen 1,2 Mrd Dollar.

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Auf der Suche nach den Ursachen



Laut Martin Hund, Medical Director der hiesigen Niederlassung des Pharmaunternehmens Organon, sind bei ungefähr 30% der betroffenen Paare «männliche Faktoren» für die Sterilität verantwortlich. Zu den behandelbaren männlichen Faktoren zählen Verschlüsse oder Infektionen der Samenwege, hormonale Störungen und Hodenkrampfadern. Aber: «Bei 75% der infertilen Männer sind die Ursachen für deren Infertilität nicht bekannt», sagt Hund.

Die Forschung hat hier noch viel Arbeit vor sich. Es gibt aber bereits Behandlungsmethoden. Die Spermienfunktion kann durch Hormoninjektionen angeregt werden. Oder die weibliche Eizelle kann durch die gezielte Injektion eines einzelnen, gesunden Spermiums befruchtet werden. Der Erfolg durch die Behandlung mit Medikamenten ist bisher bescheiden geblieben.

Auch Merck-Serono ist aktiv



Die Produkte einzelner Pharmaunternehmen scheinen aber zumindest teilweise wirksam zu sein. So sind die Organon-Medikamente Puregon und Pregnyl in der Schweiz zur Förderung der Spermienproduktion zugelassen. 2006 erzielte Organon mit Puregon weltweit einen Umsatz von 384 Mio Euro, insgesamt setzte der Konzern 2,6 Mrd Euro um. Auch das Mittel Gonal-f von Merck-Serono ist zugelassen. 2006 trug das Produkt 533 Mio Dollar zum Umsatz von 3,9 Mrd Dollar bei.

Ebenfalls in diesem Therapiegebiet aktiv sind die privaten Schweizer Pharmaunternehmen Ibsa und Ferring. Sie geben keine Umsatzzahlen bekannt. Ferring hat mehrere Produkte auf dem Markt: Decapeptyl, Lutrelef, Zyklomat, Menopur, Menogon und Repronex. Ibsa wiederum produziert die Mittel Merional und Choriomon, welche ebenfalls die Spermienproduktion fördern sollen.

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Nachgefragt: «Der Kurs wird steigen»

Der CEO der italienischen Biotechfirma Bioxell forscht an einem Medikament gegen männliche Unfruchtbarkeit.



Sie entdeckten per Zufall, dass Ihr Produktkandidat Elocalcitol die Qualität männlicher Spermien verbessern könnte. Wie geht es weiter?

Francesco Sinigaglia: Wir sehen für dieses Therapiegebiet grosses Potenzial. Deshalb haben wir beschlossen, im 4. Quartal 2007 eine zweite Studie zu starten.

Wann wird das Produkt auf den Markt kommen?

Sinigaglia: Wenn alles nach Plan verläuft, könnte dies 2011 oder 2012 der Fall sein.

Wird Bioxell das Medikament alleine lancieren?



Sinigaglia: Dies ist noch nicht klar. Wir haben die finanziellen Mittel, um das Produkt alleine zu entwickeln. Eine Partnerschaft für die Lancierung und den Vertrieb ist aber gut möglich. Wir würden aber wohl die Rechte für Elocalcitol behalten.

Ist dieses Potenzial im Aktienkurs von Bioxell bereits enthalten?



Sinigaglia: Das denke ich nicht. Ich gehe deshalb auch davon aus, dass der Kurs wieder steigen wird, wenn die angesprochene Studie gut anläuft und auch gute Resultate zeigen wird.



Bioxell entstand als Spin-off von Roche. Das Basler Pharmaunternehmen hält noch 8,1% der Bioxell-Aktien. Wie verläuft die Zusammenarbeit?

Sinigaglia: Sehr gut. Ich habe auch keine Anzeichen, dass Roche ihren Anteil verkaufen will. Anfang Jahr übernahmen wir von Roche ein Projekt zur Behandlung von Gewebe, das nach gynäkologischen Operationen nicht gut zusammenwächst.

Bioxell war das erste italienische Biotechunternehmen, das an die Schweizer Börse kam. Newron und Cosmo folgten kurz darauf. Wann kommt das nächste?



Sinigaglia: Das wird wohl noch einige Zeit dauern. Ich sehe momentan kein italienisches Biotechunternehmen, das bald börsenreif sein könnte.