Karl Schweri hat seinen Enkel Philippe Gaydoul immer wieder ins kalte Wasser geworfen. «An einem Freitag, an dem meine Freunde nichts anderes als an den Ausgang dachten, wurde ich, kaum 20-jährig, ins Büro meines Grossvaters bestellt, und der erklärte kurz und bündig: Ab Montag bist du Denner-Filialleiter in Vevey.» 1998 eine ähnliche Situation: An einem Sonntag befiehlt der Patriarch seinen Enkel Gaydoul und dessen Mutter Denise zu sich. «Ab Montag bist du der Chef von Denner», teilt er seinem Enkel mit. «Solche Schocktherapien, die mir mein Grossvater oft verpasst hat, haben mich fit für die Zukunft getrimmt.»
Viele haben damals über den jungen CEO gelächelt. Doch das hat Gaydoul angespornt: «Ich werde es allen beweisen. Ihr werdet es schon noch sehen. Es gibt nichts Besseres, als unterschätzt zu werden.» Er verheimlicht aber nicht, dass er unter seinem Grossvater nicht nur faszinierende, sondern auch schwierige Zeiten erlebt hat. Da hatte er auch ab und zu Lust gehabt, den ganzen Bettel hinzuschmeissen.
Mister New Denner
Geprägt vom Management-Stil seines Grossvaters hat es Gaydoul allen gezeigt. Kaum war sein Grossvater 2001 gestorben, hat er die schmuddligen Filialen mit dem New-Denner-Konzept entrümpelt und den Läden ein frisches Aussehen verpasst, das Sortiment erweitert und die Markenartikel auf einen Anteil von 75% erhöht. Mit dieser Strategie ist er erfolgreich gefahren. Kein Unternehmen im Detailhandel ist in den letzten Jahren derart rasant gewachsen wie dieser Discounter.
Gaydoul hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Am noblen Zürichberg aufgewachsen, hat er bereits als Zehnjähriger in Denner-Filialen Gestelle eingeräumt. Als er 15 Jahre alt war, trennten sich seine Eltern ein Schock für den Teenager, der seine enge Bindung zur Mutter noch verstärkte. «Das war ein prägender Moment in meinem Leben, besonders da ich Einzelkind bin.» Alle haben sich nach dem Wohlbefinden seiner Eltern erkundigt, aber nicht nach ihm. Und sein Grossvater? Der hat sieben Tage die Woche von morgens früh bis spätabends gearbeitet.
Magere theoretischeAusbildung
Gaydoul wurde mit einem kleinen Schulsack ausgestattet: Wirtschaftsgymnasium an einer Privatschule, etwas Handelsschule und nach dem Diplom eine KV-Lehre in der Zürcher Hauptzentrale bei Denner. Danach schickte ihn sein Grossvater als einfachen Mitarbeiter nach Conthey in die abgelegenste Denner-Filiale im Wallis, wo er frostig empfangen wurde: Man glaubte, er sei als Spion geschickt worden. Schweris Enkel musste das Vertrauen der Mitarbeiter hart erkämpfen, indem er kräftig anpackte, Lastwagen ablud und sich nicht zu schade fand, die Hände schmutzig zu machen. Das hat seinem Grossvater imponiert und das verlangt Gaydoul auch heute von seinen Mitarbeitern: Anpacken, sich engagieren und genau zuhören, wenn der Chef spricht.
Immer nur bei Denner gearbeitet
Grossvater Schweri hielt seinen Enkel an kurzer Leine. Gaydoul hat immer nur bei Denner gearbeitet, wurde nie ins Ausland geschickt, hat nie bei Konkurrenten geschnuppert. Er hat keine Managementschule besucht und liest auch keine Literatur dazu: «Führen lernt man in der Praxis. Vieles ist Intuition. Und vieles habe ich auch aus Fehlern gelernt.» Auch von Fehlern, die sein Grossvater gemacht hat. «Er ist misstrauisch geworden und hat zu wenig berücksichtigt, was der Kunde will.» Entscheidend sei die Kommunikation und die, meint er, habe sich intern und extern bei Denner gewaltig verbessert, seit er die Führung übernommen hat. Trotzdem bewundert er seinen Grossvater, besonders wie dieser straff und kostenbewusst geführt habe.
Management bei walking around
Mindestens einen Tag in der Woche besucht der heutige Denner-Chef seine Filialen oder Lagerhäuser, oft überraschend für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. «Ich will dabei nicht nur kontrollieren, sondern auch den Puls der Mitarbeiter fühlen.» Seine Sekretärin nennt ihn «einen genialen Chef», auch wenn er hie und da dreinschiesse. «Er ist eben ein Macher, hat viele Ideen, entscheidet zack, zack, sodass man ihn manchmal wieder herunterholen muss.» Ein ehemaliges Kadermitglied qualifiziert ihn als «lieben Menschen», der aber immer die Rolle des erfolgreichen Anpackers spielen müsse. «Am liebsten möchte ich ihm durch die Haare fahren und ihm sagen, man ist nicht nur jemand, wenn man erfolgreich ist.» Vom Haarestreicheln ist allerdings eher abzuraten. Seit Jahren schmiert sich Gaydoul Migros-Gel in sein Haar. «Diese Frisur ist pflegeleicht und gegen jedes Wetter resistent», lacht er. Sein Kritiker moniert, dass Gaydoul oft die Faust auf den Tisch haue und meint, er sei zu jung und ohne Erfahrung in die Führungsrolle gezwängt worden. «Dass er Vater wurde ist das Beste, was ihm passieren konnte.» Seit dem Valentinstag ist Gaydoul Vater eines Leo. Auch das übrigens eine Folge von seinem «Management bei walking around». Denn seine Frau hat er in einer Denner-Kantine kennen gelernt.
Doch auf seinem beruflichen und privaten Erfolg mag Gaydoul noch lange nicht ausruhen. Rund 100 neue Denner-Filialen möchte er in den nächsten fünf Jahren eröffnen. Diese Woche will er an einer Medienkonferenz über die neue Expansionsstrategie im Detail informieren. Und dabei auch seine Führungsbotschaft rüberbringen sowohl nach aussen wie nach innen: «Zuoberst auf der Brücke stehe ich und trage die Fahne.»
Die wichtigsten Führungsprinzipien
1. Ich führe offen, ehrlich und direkt und fordere viel.
2. Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist unumgänglich.
3. Führen ist Intuition, ich glaube nicht, dass man das aus Lehrbüchern lernen kann.
4. Ich möchte die Kommuni-kation gegen innen noch verbessern, damit jeder Mitarbeiter unsere Strategie versteht.
Zur Person
Philippe Gaydoul (32) ist Delegierter und CEO des Verwaltungsrates der Rast Holding, zu der Denner AG und Franz Carl Weber gehören. Er ist verheiratet und wurde kürzlich Vater eines Sohnes. Nach der Handelsschule machte er bei Denner eine KV-Lehre, wurde Filialleiter, Verkaufsleiter und präsidierte bis 2002 den Verwaltungsrat der Rast Holding. Sein Hobby: Nichtstun.