Das abgelaufene Geschäftsjahr sei ein «transition year» gewesen, sagte der anglophile Phonak-Verwaltungsratspräsident Andy Rihs an der Bilanzpressekonferenz von letzter Woche. «Aber es ging entscheidend besser, als ich mir das vorgestellt hatte», fügte er aufgeräumt bei. Nun sei die Basis für eine Rückkehr auf den Erfolgspfad gelegt.
Tatsächlich hat der Patron in den vergangenen Monaten einiges für seine krisengeschüttelte Phonak erreicht: Mit Valentin Chapero konnte er den früheren Chef von Marktführer Siemens als neuen CEO gewinnen. Chapero tritt bestimmt auf, scheut sich nicht, klare Zielsetzungen bekannt zu geben und kommt daher bei der Finanzgemeinde gut an.
An der GV sollen nun auch drei hochkarätige Persönlichkeiten der Gesundheitsindustrie in den Verwaltungsrat gewählt werden: William Dearstyne, früherer Johnson&Johnson-Präsident, Michael Jacobi, Finanzchef der Ciba Spezialitätenchemie, und Robert F. Spoerry, Chef von Mettler-Toledo. Die beiden Phonak-Pioniere Beda Diethelm und Hans-Ueli Rihs stellen sich nicht mehr zur Wiederwahl, bleiben dem Unternehmen aber als Berater erhalten.
Produktelancierungen als remedur
Neben den personellen Rochaden hat Phonak Massnahmen getroffen, die zu Wachstum und höheren Margen führen sollen. Beides hat Phonak dringend nötig: Der Umsatz ist gegenüber dem Vorjahr um 4% auf 550 Mio Fr. geschrumpft, der Betriebsgewinn (Ebita) gar um 34%. Die Bruttomarge liegt über 10 Prozentpunkte unter der des Branchenprimus William Demant und geriet im 2. Halbjahr sogar noch weiter unter Druck.
Phonaks Rezept, um aus der Wachstums- und Profitabilitätskrise auszubrechen, lautet: Neue Produkte. Dafür haben die Stäfner das «Übergangsjahr» 2002/03 gut genutzt. Zahlreiche neue Produktfamilien wurden lanciert, vor allem auch im Billigsegment. Somit wird Phonak sein Ziel bald erreichen, bei seinen beiden Marken Phonak («der Mercedes») und Unitron («der Volkswagen») alle Preissegmente abzudecken: Economy, Business und First Class, wie es in der Firmensprache heisst. Rasche Produkteneuerungen sind das Gebot der Stunde. Denn die Hörgeräte der sechs grossen Hersteller unterscheiden sich technisch kaum mehr voneinander. Um in einem von der Wirtschaftsflaute gekennzeichneten Markt mehr Geräte absetzen zu können, müssen in schnellen Abständen und mit viel Marketingaufwand neue Versionen lanciert werden.
Wachstumspotenzialin Asien
Die jüngsten Produkteinführungen haben sich im 2. Halbjahr bereits in den Zahlen niedergeschlagen: Gegenüber der ersten Jahreshälfte nahmen die Verkäufe währungsbereinigt um 10% zu in einem schwierigen Marktumfeld. Besonders vom neuen Phonak- Highend-Produkt Perseo, das nur einen Monat lang zum Umsatz beigetragen hat, erhofft man sich in diesem Jahr einen kräftigen Wachstumsbeitrag. Perseo sei sogar noch besser gestartet, als das überraus erfolgreiche Vorgängermodel Claro vor drei Jahren, sagte Valentin Chapero.
Als zusätzlichen Wachstumstreiber sieht Chapero die Forcierung der asiatischen Märke. In diesen Tagen werde Phonak Japan ins Leben gerufen, sagte Chapero. China soll folgen. Bisher verkaufte das Unternehmen erst 4% seiner Produkte in Australien und Asien. Phonak gibt sich für das laufende Jahr ein Umsatzziel von 600 Mio Fr., was einem Wachstum von 9% gleichkommen und Marktanteilsgewinne voraussetzen würde. Denn das Marktwachstum beträgt lediglich 2 bis 3%.
Bei den Margen will sich Chapero hingegen nicht auf die Äste hinauslassen. Phonak nennt ein mittelfristiges Ziel von 60% (2002/03: 51%) für die Bruttomarge und eine Spanne von 15 bis 20% für die Ebita-Marge (8,7%). Neben dem angestrebten Mengenwachstum, das die Profitabilität steigern soll, sind Kosteneinsparungen in Produktion und Vertrieb angesagt. In China wird derzeit eine Produktionsstätte für arbeitsintensive Teile errichtet, die Ende Jahr in Betrieb genommen werden soll.
Es macht also tatsächlich den Anschein, als ob Phonak alle dringenden Aufgaben angepackt habe. Durch den «Nachholbedarf» scheinen die kommunizierten Ziele nicht unrealistisch. Die Stäfner dürften über kurz oder lang wieder zum Industrieleader aufschliessen: So wie das Zahnimplantatunternehmen Nobel Biocare unter neuer Führung wieder näher zu Straumann aufgerückt ist.
Doch es gibt zwei fundamentale Unterschiede zwischen den klassischen Medtechmärkten und der Hörgeräteindustrie: Erstere wachsen ungebrochen, und die Unternehmen erfreuen sich an stabilen oder sogar steigenden Margen. Der Hörgerätemarkt wächst hingegen sehr gemächlich und hat zumindest vorläufig ein Reifestadium erlangt, wo der Preisdruck zunimmt.
Keine Innovation in Sicht
Wachstumsschübe und Margensteigerungen gab es historisch gesehen nur bei bahnbrechenden Innovationen, beispielsweise als digitale Geräte die analogen abgelöst haben. Dieser Prozess ist nun weitgehend abgeschlossen. Die nächste fundamentale Neuerung ist hingegen nicht in Sicht. Eine solche Innovation könnte z. B. das Tragen einer Hörhilfe als unsichtbares Implantat sein. Viele Hörgeschädigte möchten sich nämlich nicht als solche zu erkennen geben.
So kann Phonak in den nächsten zwei, drei Jahren vielleicht von einem Wachstumsmoment profitieren, indem sie versäumte Möglichkeiten nachholt. Doch der Hörgerätemarkt ist längst nicht so lukrativ wie die klassischen Medtechmärkte. In der Bewertung von Phonak ist das Aufholpotenzial aber weitgehend vorweggenommen.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 25 für das Geschäftsjahr 2004/05 lässt wie andere Kennzahlen kaum auf eine Kurssteigerung hoffen. Die Phonak-Aktie ist etwa gleich teuer wie die Titel anderer Schweizer Medtechgesellschaften. Das ist nicht zu rechtfertigen, und das sehen auch die Bankanalysten so: Die meisten sind «neutral».
Tipp: Phonak ist auf bestem Weg, die Fehler der Vergangenheit auszubügeln. Eine Reihe neuer Produkte, die Eroberung asiatischer Märkte und Kostenmassnahmen werden Phonak wohl bald wieder in die Nähe des Branchenführers William Demant bringen. Doch die Bewertung nimmt einen Grossteil der erhofften Wachstumsdynamik voraus: Die Phonak-Aktie ist etwa gleich teuer wie andere Schweizer Medtechtitel. Das ist ungerechtfertigt, denn der Hörgerätemarkt ist punkto Wachstum und Margenentwicklung ziemlich unspektakulär. (stä)