Retrospektiv betrachtet ist der Weg des Hauses Piaget von bescheidenen Anfängen im Westschweizer Jurabogen bis hin zum Hersteller begehrter Luxusgüter ebenso lang wie steinig. Er begann 1874 im 1000 m über Meer gelegenen La Côte-aux-Fées mit Georges Edouard Piaget. 90 Jahre später, damit 1964, erwarb Piaget die Mehrheit an der Uhrenmarke Baume & Mercier. Unter der Leitung des Urenkels Yves Piaget fertigte die Manufaktur 1981 im Auftrag eines zahlungskräftigen Japaners die Phöbus als damals weltweit teuerste Herrenarmbanduhr. Sie bestand aus 154 gr Platin, war ausgefasst mit insgesamt 87,87 Karat Diamanten und kostete rund 3,5 Mio Fr.

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1987 produzierte Piaget etwa 15000 Uhren und erzielte damit einen Umsatz von 162 Mio Fr. Gleichwohl trennte sich die Familie 1988 von 60% ihrer Anteile. Käufer war die Cartier Monde S.A., Paris, heute Richemont S.A. Im damaligen Pressecommuniqué stand zu lesen: «Angesichts des härter werdenden Konkurrenzkampfes auf dem Weltmarkt festigen die beiden Firmengruppen durch die Vereinigung ihrer Potenziale auf dem Gebiet der Technik und der Produktion, ihrer Vertriebsorganisationen und ihrer Finanzkraft ihre Position.» 1993 gingen die beiden Luxusmarken ganz in den Besitz des Richemont-Imperiums über.

Die Kaliber aus dem Jura

Geblieben bei Piaget sind die Identität und der Status einer echten Manufaktur, die ihre Kaliber grösstenteils selber herstellt. Und zwar weiterhin in der abgeschiedenen Bergregion unter Leitung von Jean Pierre Schafer, dem Direktor für technische Entwicklung. Zusammen mit etwa 130 Angestellten kümmert er sich in dem verwinkelten Gebäude um die Konstruktion und Produktion von Kalibern mit den Signaturen Piaget oder Cartier.

Das Leitungsteam samt Mitarbeiterschar, darunter rund 30 qualifizierte Uhrmacher mit jeweils vierjähriger Ausbildung, stellt per annum rund 30000 Uhrwerke her. Rund 15000 davon ticken ganz klassisch und gehören zur 1996 lancierten Kaliberfamilie 430 P und 500 P.

Grosse uhrmacherische Komplikationen gehörten bisher nicht zu jenen Herausforderungen, denen sich die kleine, aber feine Entwicklungsabteilung im Jura stellen musste. Doch das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Der viel versprechende Anfang heisst Emperador. Diesen Namen, der eine rechteckige Uhrenlinie mit geschwungenen Gehäuseflanken repräsentiert, kennen Piaget-Fans schon seit geraumer Zeit.

Doch die Emperador 2003 ist mehr als das Übliche. Nämlich ein brandneuer Stern am Tourbillon-Himmel. Ein fliegender sogar. Denn das ungewöhnliche Drehgestell aus hoch belastbarem, aber extrem leichten Titan besitzt keine vorderseitige Lagerung. Dafür aber ein unübersehbares blaues P, das sich mit ihm einmal pro Minute im Kreise dreht. Das gesamte Handaufzugswerk ist gerade einmal 3,5 mm hoch. Damit reiht es sich ein in die Piaget-Tradition ultraflacher Kaliber wie 9 P (Handaufzug) oder 12 P (Automatik). Das Gegenstück zum Tourbillon-Ausschnitt im Zifferblatt bildet eine sektorale Gangreserveanzeige bei der 6.

Weil gut Ding nicht nur bei der Entwicklung Weile braucht, produzierte Piaget im ersten Jahr nur 20 Exemplare, zehn mit Weiss- und weitere zehn mit Rotgoldgehäuse.

Die Uhren aus Genf

Zusammengebaut werden Piagets Uhren in der eigenen Fabrik im Genfer Vorort Plan-les-Ouates. Entworfen vom Architekturbüro Pierre Studer, La Chaux-de-Fonds, besticht das kreisförmig angelegte Bauwerk durch helle, lichtdurchflutete Räume. Die äussere Form macht Sinn. Sie symbolisiert ein Zifferblatt und damit einen Link zum traditionell wichtigsten Betätigungsfeld der Uhrenmanufaktur Piaget. Das Herz des Ganzen verkörpert ein knapp 4500 m2 umfassendes Hauptgebäude, in dem Empfang, Administration, Kantine und weitere Abteilungen untergebracht sind. Flankiert wird es von zwei weitläufigen Produktionshallen, eine 2628 m2 und die andere 1124 m2 gross.

In Plan-les-Ouates zeichnet Pascal Narbeburu (42) als Generaldirektor verantwortlich. Seine Zahlen können sich ebenfalls sehen lassen: Der Umsatz dieses Profitcenters, in dem nicht nur Piaget-Produkte fertig gestellt werden, lag 2001 bei 175 Mio Fr.; neuere Zahlen liegen nicht vor. Über den Gewinn schweigt er sich weisungsgemäss aus. Der Output lag in besagtem Jahr bei 12000 Metallarmbändern, 43000 Gehäusen und 25000 Uhren unter Verwendung von Werken aus La Côte-aux-Fées.

Sicherheit über alles

Immerhin verarbeitet die Mannschaft jährlich mehr als 4 t Edelmetall und 1 Mio kostbarer Brillanten. Beim Rundgang wird schnell klar, dass sich die Planer jede Menge gedacht und die Piaget-Verantwortlichen viel Geld in die Hand genommen haben. Allein der Baukomplex kostete um die 30 Mio Fr. Überall stehen Maschinen der neuesten Generation, selbstverständlich computergesteuert, wo immer dies geht. Diese kommen in erster Linie bei der Fertigung von Gehäusen und Armbändern zum Einsatz. Auch derjenigen für die High-Jewellery-Modelle des Emperador-Tourbillon.

Eine derart grosse Produktion will auch verkauft sein. Bei den Absatzmärkten stehen Japan und Hongkong mit etwa gleichem Anteil an der Spitze der Piaget-Rangliste. Im Fernen Osten gewinnt China zunehmend an Bedeutung. Eingebrochen ist hingegen der Mittlere Osten. Er steuerte einst 20% zum Piaget-Umsatz bei. Gegenwärtig ist es nur noch ein Viertel dessen. Insgesamt dominiert der fernöstliche Markt mit etwa 55% Umsatzanteil ganz eindeutig das Piaget-Geschäft. Europa liegt mit 25% auf Platz zwei. Leader ist traditionsgemäss die Schweiz neben Frankreich und dann Deutschland.