Das elektronische Auge hat sich auf ihn fokusiert. Pierre-Alain Graf schwärmt. Über die Möglichkeiten der Technik, der Kommunikation, der modernen Telekommunikation. Telefonieren war gestern, Heute heisst Internet. Und morgen? Der General Manager von Cisco Systems Schweiz kratzt sich an der Schläfe. Sagt dann: «Beamen, ich weiss, das klingt nach Raumschiff Enterprise, aber beamen, das wär schon was, das ich gerne einmal erleben würde.» Entmaterialisierung. Dislokation in Sekundenbruchteilen. Auge in Auge mit der Zukunft.
Seit einem Jahr hat Pierre-Alain Graf beim Schweizer Ableger des US-Netzwerkriesen Cisco Systems das Sagen. Der 44-Jährige verfügt über breite Erfahrung im Schweizer und im internationalen Informationstechnik- und Telekomumfeld. Als Corporate Development Director hat er in der Vergangenheit für die Colt Telecom Group verschiedene Ländergesellschaften aufgebaut. Graf ist ein Kenner der Materie, ein alter Branchenhase quasi – und dies, obwohl er eigentlich gar nie geplant hat, ins Business mit Routern, Switches, Sprach- und Datenübertragung einzusteigen. Ganz im Gegenteil. «Ich hatte früher einmal zwei Grundsätze: Niemals IT, niemals Banken.» Graf lacht. Und verweist auf seinen Lebenslauf. Er sei seinen Prinzipien gleich in doppelter Hinsicht untreu geworden, würden die einen sagen – sein Werdegang zeuge von Flexibilität, die anderen. Scheuklappen, was die berufliche Laufbahn anbelangt, trägt der gebürtige Basler auf jeden Fall keine. Denn nicht nur hat es ihn letztlich ins Netzwerkmanagement gezogen; nein, schwarz auf weiss belegt ist auch seine Karriere in der Finanzwelt. Bei der Credit Suisse hat er in den 90er Jahren Stufe um Stufe auf der Karriereleiter genommen, angefangen vom Rechtsberater bis hinauf zum Head of Finance Global Network Services bei CS First Boston Information Services – dort auch ist in gewissem Sinne die Verschmelzung von Bank und IT erfolgt. Die Faszination der Technologie, die Innovationen, der Drive, wie Graf es umschreibt, haben ihn seither nicht mehr losgelassen.
Affinität für Führungsaufgaben
Steht man mit dem studierten Juristen im Showroom von Cisco im Bürokomplex des Glattzentrums vor den Toren Zürichs, wird einem unweigerlich klar: Da ist einer in seinem Element. Die kleine Kamera auf dem Laptop nimmt ihn ins Visier, auf dem Bildschirm erscheint sein Kollege – sie parlieren Auge in Auge durch Bürowände, Videotelefonie über Kilometerdistanzen, über Kontinente sogar. «Kommunikation hat mit zwischenmenschlichem Umgang zu tun, mit Zugang zu anderen, mit Zugriff auf Wissen und Informationen, mit Emotionen», sagt Pierre-Alain Graf, «das ist es, was diesen Bereich des Lebens so spannend macht.»Pierre-Alain Graf hat früh schon seine Affinität für Führungsfunktionen entdeckt. Ob als Pfadfinder (sein Name: Filou) oder als Basketballer (Captain mit einer Körpergrösse von 1,84 m) und später als Schiedsrichter in der höchsten Spielklasse – «Verantwortung zu übernehmen, das liegt mir seit Kindesbeinen an.» Sich vor versammelter Mann- schaft hinzustellen, die Direktive durch- und den Takt anzugeben, damit bekundet der Vater zweier Kinder offenkundig keine Mühe. Des Flötenspiels mächtig, die Finger ab und an über die Tastatur seines Klaviers flitzen lassend, weiss Graf, dass es immerzu auf die Kombination von leisen Tönen und lauteren ankommt, auf das wohldosierte Wechselspiel zwischen Pianissimo und Fortissimo, auf die Verknüpfung von schnellen Passagen mit langsameren auch, um einer Partitur Ausdruckskraft zu verleihen. Da unterscheiden sich Musik und Job nicht wesentlich. Soziale Interaktion ist in diesem Zusammenhang ein Begriff, den Graf denn auch gerne zitiert. Die Vernetzung von Menschen, der Austausch, das gemeinsame Arbeiten auf ein klar definiertes Ziel hin. «Ein Ziel, das Werte darstellt und hinter dem ich als Chef voll und ganz stehen kann», bemerkt er, der er den Mitarbeitenden gerne Freiheiten zugesteht («Jeder soll auf seine Art und Weise ein selbstständiger Unternehmer sein»), in gleichem Masse die Übernahme von Verantwortung einfordert und selber in seiner Funktion «echt» rüberkommen will. «Für mich hat Führen viel mit Respekt zu tun, mit dem aufrichtigen Interesse am Mitmenschen, mit Enthusiasmus und damit, einer Aufgabe, einem Team konstant Energie zuzuführen.» Irgendwie, schmunzelt Pierre-Alain Graf, sei sein Weg ins Management eines Unternehmens wohl doch vorgezeichnet gewesen, auch wenn er da nichts geplant habe. «Als Kind nämlich wollte ich nicht wie die anderen Pilot oder Arzt werden. Ich sah mich lieber vor einem grossen Orchester stehen. Als Dirigent.»In Basel aufgewachsen und dort mit seiner Familie nach mehrjährigen Abstechern ins Ausland wieder sesshaft geworden, ist eines von Pierre-Alain Grafs Steckenpferden die Internationalität. Der Vater Ostschweizer, die Mutter Westschweizerin, habe er den Bezug zur kulturellen Vielfalt des Heimatlandes quasi mit der Muttermilch eingeflösst erhalten, sagt er. «In mir vereinen sich die Seriosität und das Pflichtbewusstsein der Ostschweizer mit der Gelassenheit und der ganzheitlichen Betrachtungsweise der Romands», führt Graf aus, wohlwissend, dass mitunter das eine hinter dem anderen zurückzustehen hat. Was ihm die eidgenössische Melange auch noch bringt: «Man lernt, die Dinge von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten, den gleichen Gedanken auf zwei unterschiedliche Arten weiterzuspinnen.»
Konsensorientiert und direkt
Im beruflichen Alltag permanent mit Netzwerken der hochtechnologischen Sorte beschäftigt, bezeichnet sich Pierre-Alain Graf im Umgang mit Mitarbeitenden und Geschäftspartnern als konsensorientiert und direkt. Etwas, das er erst habe lernen müssen, damals, im Ausland und im Umgang etwa mit amerikanischen Kollegen. «Da wird an Sitzungen nicht lange Federlesens gemacht, sondern scharf geschossen. Die Fakten kommen auf den Tisch, gnadenlos. Aber man schaut sich in die Augen und kann sich nach der Besprechung die Hand geben.» An den Engländern sei ihm deren Pragmatismus aufgefallen, mit dem diese ans Werk gingen, die diplomatische Ausdrucksweise auch, die Projektorientiertheit. Die Asiaten wiederum hätten ihn mit ihrem unglaublichen Energiepotenzial zu beeindrucken gewusst. Und die Schweizer? «Die Schweizer, das fällt einem doppelt auf, wenn man eine Zeit im Ausland gearbeitet hat, die Schweizer überzeugen durch ihre Geradlinigkeit, ihre Zuverlässigkeit – da wird etwas erledigt, ohne gross Aufhebens darum zu machen – und dadurch, dass man auch Andersdenkenden ihren Raum lässt; etwas, das ich persönlich sehr an der Schweiz schätze.» Als Chef der Schweizer Niederlassung des weltweit führenden Netzwerkausrüsters ist der joggende Familienvater viel unterwegs. Rund 50% seiner Arbeitszeit, schätzt Graf, sei er zu Besuch bei Kunden. Einen gestressten Eindruck hinterlässt er trotz der Vielfahrerei dennoch nicht. Sein Geheimnis: Meditation. Damit habe er zu einer inneren Balance gefunden. «Man wird gelassener, und was das Erstaunliche ist: Wenn man gelassener wird, wird man gleichzeitig auch schneller und speditiver in dem, was man tut.»
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ZUR PERSON
Steckbrief
Name: Pierre-Alain Graf
Funktion: General Manager Cisco (Switzerland) GmbH
Alter: 44
Wohnort: Basel
Familie: Verheiratet, zwei Kinder
Karriere
- 1988 F. Hoffmann-La Roche AG, Basel, Key Account Manager
- 1989–1991 HSG, Institut für Marketing, St. Gallen, Assistent
- 1992–1997 Credit Suisse Group
- 1997–2006 Colt Telecom Group Plc, zuletzt Director Online and Sales Operations, London
- Seit 2006 Cisco (Switzerland) GmbH, General Manager
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Führungsprinzipien
1. Als Führungspersönlichkeit «echt» sein.
2. Respekt vor dem und Interesse am Gegenüber haben.
3. Zielvorgaben klar kommunizieren.
4. Eigene Firmenkultur schaffen und leben.
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Firma
Cisco Systems 1984 gegründet und global führend im Bereich Netzwerkausrüstung, erwirtschaftet das Unternehmen weltweit einen Umsatz von 30 Mrd Dollar und beschäftigt 50000 Mitarbeiter – 160 davon in der Schweiz.