Ach, Air Berlin. Keine andere Airline roch schon beim Einsteigen so sehr nach Ferien, Strand und Urlaubsflirt. Entgegen ihrem Namen war Air Berlin nie eine ernsthafte Hauptstadtfluglinie – sondern berüchtigt für die Partystimmung auf ihrem «Mallorca-Shuttle». In ihren besten Zeiten war Air Berlin ein Lebensgefühl, wie es die Schweizer Edelweiss noch anstrebt. Hätten sie es doch dabei belassen.

Aber Ferienflieger, das reichte dem Air-Berlin-Übervater Joachim Hunold nicht. Er wollte der mächtigen Lufthansa Konkurrenz machen. Hunold sammelte also fusskranke Konkurrenten, andere sind ja selten günstig zu haben: die Deutsche BA, auf innerdeutschen Strecken stark, die Düsseldorfer LTU, einen stolzen Ferienflieger mit teurem Personal, er stieg bei der Schweizer Belair ein, übernahm Österreichs Niki – und wäre es nicht nach Deutschlands Kartellbehörde, sondern nach Hunold gegangen, hätte Air Berlin auch den Ferienflieger Condor geschluckt.

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Nichts davon richtig

Wer 2001 das Swissair-Grounding verpasst hatte, konnte nun bei Air Berlin besichtigen, wohin die Hunter-Strategie führt: keine homogene Flugzeugflotte, unterschiedlichste Firmenkulturen im Patchwork-Konzern, keine nachvollziehbare Strategie – Ferienflieger, Linienflieger, Charteranbieter, alles wollte Air Berlin sein und war nichts davon richtig. In den zurückliegenden fünf Jahren sank die Zahl der Passagiere kontinuierlich, über 2,3 Milliarden Euro Verlust türmten sich auf.

Ende 2011 schwang sich Etihad zum weissen Ritter für Air Berlin auf. Die Scheichs hatten sich von Etihad-CEO James Hogan verführen lassen, selber auf Einkaufstour zu gehen und gleich eine eigene Luftfahrtallianz zu gründen. Air Seychelles, Air Serbia (als frühere Jugoslovenski Aerotransport führendes Mitglied diverser Unfallstatistiken), Indiens Jet Airways, der Schweizer Regionalflieger Darwin, die kranke Alitalia und die sieche Air Berlin reichten sich die Hände. Das konnte nicht gut gehen. Die Scheichs klemmten Hunter Hogan von der Petrodollar-Pipeline ab und stiessen ihn vom Pilotensitz. Der Hunter hat sich am Hunter verschluckt.

Die Zerlegung der Air Berlin ist hoffentlich der Anfang einer Bereinigung an Europas Luftfahrthimmel. Zu viele Zombies heben immer noch ab. Wenn sich dabei die Lufthansa Sahnestücke der Air Berlin einverleiben kann, mag das auf den ersten Blick etwas Wettbewerb killen, hilft aber langfristig, das Gleichgewicht zu wahren: zwischen British Airways mit ihrem bärenstarken Hub London und der Mehrländergruppe Lufthansa, auch mit Blick auf die Lowcoster EasyJet und Ryanair.

O’Leary - der frechste Rosinenpicker

Ryanair ist heute Europas grösste Fluglinie. Das Gemecker ihres Oberlautsprechers Michael O’Leary, die Insolvenz von Air Berlin sei ein abgekartetes Spiel zugunsten der Lufthansa, braucht keiner ernst zu nehmen. O’Leary selbst ist der frechste Rosinenpicker der Luftfahrt, hat Kleinflughäfen systematisch ausgequetscht und sich gern wenige Jahre später abrupt verabschiedet. Ein wenig Industriepolitik zugunsten der Lufthansa geht voll in Ordnung.

Alle Landerechte wird sie ohnehin nicht bekommen, auf Kurzstrecken könnte EasyJet reüssieren. In der Luftfahrt gilt die Faustregel: Wo genug Nachfrage besteht, findet sich meist auch ein Anbieter. Zwischen Zürich und Brüssel oder Frankfurt war es schon bisher unverschämt teuer (warum steigt Ryanair nicht hier ein?), und grundsätzlich sinken die Ticketpreise seit Jahren. Ist Fliegen nicht fast schon zu billig?

Das Ende der gespaltenen Airline-Persönlichkeit Air Berlin wird die Pole stärken. Wer dichte Flugpläne, Bonusmeilen und Businessklasse schätzt, wird Swiss und Lufthansa wählen, wer für Niedrigpreise den Verteilungskampf um Fensterplätze 
aufnimmt und bei Ausfällen gern in Asylheimen statt Hotels nächtigt, bucht eben beim Lowcoster.

Adieu, Air Berlin. Oft wars ganz schön mit dir. Aber nie schön genug, um dich jetzt zu vermissen. Die schlichte Wahrheit ist: Es braucht dich nicht.

 

Dirk Ruschmann ist Mitglied der Chefredaktion 
von BILANZ.