Als Christoph Blocher am 10. Dezember 2003 in den Bundesrat gewählt wurde, stand er kurz vor seinem grössten Coup als Unternehmer. Niemand hätte den Ems-Patron noch davon abhalten können, die Basler Lonza zu schnappen. Auf einen Schlag wäre Blocher zum Mehrheitsaktionär über ein sechs Milliarden Franken schweres Imperium mit 8000 Mitarbeitern geworden. Sein Plan war raffiniert und von langer Hand vorbereitet – einzig seine Wahl in die Landesregierung hatte er nicht einkalkuliert.
Während Martin Ebner und Sergio Marchionne das Geschehen bei Lonza über Jahre dominierten, wartete Blocher im Hintergrund auf den richtigen Moment zum Zugreifen. Im März 2001 war er von seinem Amt als Vizepräsident des Lonza-Verwaltungsrats zurückgetreten, obwohl seine Ems-Chemie damals gut zehn Prozent der Lonza-Aktien besass. Dieser Rücktritt war ein Triumph für CEO und VR-Mitglied Marchionne; die beiden hatten das Heu nie auf der gleichen Bühne. Doch die Zeit arbeitete für Blocher.
Von April bis Juli 2002 nahm die Ems-Chemie am Kapitalmarkt zu günstigen Konditionen 950 Millionen Franken auf. Ein grosser Teil davon war für allfällige Akquisitionen reserviert. Dabei liebäugelte Blocher mit einem «Hosenlupf» bei der Lonza. Die Chance kam schneller als erwartet: Am 4. Oktober 2002 trat Martin Ebner als Lonza-Präsident zurück. Sein Aktienpaket stand wegen Geldnöten zum Verkauf.
Darauf zimmerte der Ems-Chef mit seinen Beratern innert Stunden eine gerissene Angriffsstrategie mittels Put-Optionen.
Konkret spekulierte Blocher entgegen der Marktmeinung auf sinkende Lonza-Kurse. Beim Preis des Ebner-Pakets von 85 Franken pro Aktie – rund 50 Prozent billiger als noch vier Monate zuvor – rümpfte er bloss die Nase. Die Finanzmärkte dagegen rissen sich um das vermeintliche Schnäppchen: Das 27-prozentige Lonza-Paket im Gesamtwert von 1,2 Milliarden Franken wurde von den Investoren fast ums Doppelte überzeichnet.
Derweil verkaufte Blocher, von den Märkten kaum beachtet, 4,4 Millionen Put-Optionen auf Lonza. Damit sicherte er sich den Fünfer und das Weggli, kassierte er für seine Put-Optionen von den Käufern als Entgelt für die Kursabsicherung doch eine Prämie von sechs bis sieben Franken pro Stück. Einen saftigen Finanzgewinn von rund 30 Millionen Franken hatte er also bereits im Sack. Es sollte noch besser kommen: Da der Lonza-Kurs in den folgenden Monaten unter den Ausübungspreis der Put-Optionen von 70 bis 80 Franken pro Aktie fiel, konnte Blocher zusätzlich zur Optionsprämie deutlich günstiger Lonza-Aktien erwerben als die Käufer des Ebner-Pakets nur wenige Monate zuvor.
Auf diese Weise erhöhte die Ems-Chemie bis im Dezember 2003 ihren Anteil an Lonza auf 22,5 Prozent. Blocher stand somit vor dem finalen Schachzug in seinem Übernahmeplan – den er wegen seiner Wahl in den Bundesrat indes nicht mehr realisieren konnte. Zunächst wollte er über die Börse nochmals rund zehn Prozent der Lonza-Aktien hinzukaufen. Über die Marke von 331/3 Prozent durfte sein Anteil jedoch nicht steigen, weil er dann sämtlichen Lonza-Aktionären eine Kaufofferte hätte unterbreiten müssen.
Deshalb wollte sich Blocher eines weiteren Kniffs bedienen: Geplant war die Schaffung einer Dachholding für Lonza und die Ems-Chemie. Den Publikumsaktionären der Lonza wollte Blocher offerieren, dass sie ihre Lonza-Valoren in Aktien der neuen Ems-Lonza-Holding tauschen könnten. Das Gleiche war für die Ems-Aktionäre vorgesehen. Damit hätte Blochers 72-Prozent-Anteil an der Ems-Chemie zusammen mit den gut 30 Prozent an Lonza genügt, um eine Mehrheit von über 50 Prozent an der Holding zu erlangen.
Gleichzeitig hätte Blocher mit dem Lonza-Coup die familiäre Nachfolge vorgespurt: Während die älteste Tochter, Magdalena Martullo-Blocher, für die Führung der Ems-Chemie bereits gesetzt war, hätte Sohn Markus dereinst an die Lonza-Spitze aufrücken können. Der promovierte Chemie-Ingenieur mit McKinsey-Erfahrung leitet zurzeit die Feinchemiesparte des Ems-Konzerns in Dottikon, die in die Lonza integriert worden wäre.