Die Ziele sind gesteckt: Reto Gamma, Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei (SPS), will, dass seine Partei bei den eidgenössischen Wahlen vom 19. Oktober einen Wähleranteil von 25% erreicht und damit unter den Bundesratsparteien die Nummer eins wird.

«Stärkste Partei» lautet auch das Wahlziel von Gregor Rutz, Generalsekretär der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Ihre bürgerliche Gegenspielerin, die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), strebt einen Anteil von «deutlich» über 20% an, wie Generalsekretär Guido Schommer sagt. Bescheidener, aber angesichts des langjährigen Negativtrends trotzdem ehrgeizig, gibt sich schliesslich Reto Nause, Generalsekretär der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP): «Unser Ziel ist der dritte Rang unter den Regierungsparteien, wofür wir einen Wähleranteil von 20% anstreben müssen.»

Die Ausgangslage für den Wahlkampf ist spannend. Die Mobilisierung hat denn auch in allen Parteien schon längst begonnen, die Wahlplattformen waren früher als sonst bereinigt. Gregor Rutz, SVP: «Wer die Programmarbeit rechtzeitig und intensiv betreibt, erreicht eine grössere Geschlossenheit.» Diese Geschlossenheit bezeichnet Rutz denn auch als den stärksten Trumpf, den seine Partei in den nächsten Monaten auszuspielen habe.

Inhaltliche Klarheit, so alle Generalsekretäre, ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches Politmarketing. Diesen Begriff lehnt SP-Mann Gamma jedoch ab, weil er zu sehr nach Verpackung klinge: «Und das signalisiert, dass es letztlich egal ist, welches die Inhalte sind.» Doch gerade auf diese komme es in der Politik an, meint Gamma, «weil sie zeigen, wie ernst die Parteien die Probleme der Bürgerinnen und Bürger nehmen».

*Kampagne mit Duschgel*

Für die «Mutter aller Dinge» hält zwar auch Reto Nause die inhaltlichen Festlegungen. Zu denken gaben dem CVP-Generalsekretär aber Beobachtungen im jüngsten Bundestagswahlkampf in Deutschland. Danach hätten die Medien weniger über Inhalte berichtet als über die Art und Weise, wie Parteien ihren Wahlkampf führen. Am Beispiel der eigenen Partei kann Nause nachweisen, dass dies auch für die Schweiz zutreffe: Mit ihrer «Mehr Biss»-Kampagne, in deren Verlauf Nause 120000 orangefarbene Zahnbürsten unters Volk bringen will, sorgte die CVP bisher unter den Bundesratsparteien für die grössten Wahlkampf-Schlagzeilen. Die Idee, mit Gags die Aufmerksamkeit zu wecken, hatte Nause 1999 im Kanton Aargau schon erfolgreich umgesetzt: Mit dem Verteilen von Duschgels und dem Slogan «Für einen frischen Aargau» hatte er Doris Leuthard als Ständeratskandidatin so bekannt gemacht, dass sie als Newcomerin den Sprung zwar nicht, wie erhofft, in den Ständerat, so doch in den Nationalrat auf Anhieb schaffte.

Aufgrund dieser Erfahrungen arbeitet Nause wiederum mit der Kommunikationsagentur Mach in Baden zusammen. Die SVP lässt sich traditionell von der Zürcher Goal AG beraten, während sich für die Freisinnigen SE Impuls in Meggen (Deutschschweiz) und Atelier Grand in Sierre (Romandie) grafische Ideen einfallen lassen. Der SP schliesslich steht bei Bedarf ein befreundeter Grafiker mit Rat und Tat zur Seite. In allen Generalsekretariaten sind es - nicht zuletzt aus Kostengründen - eigene Leute, welche die Kommunikationsmittel vom Plakat bis zum Flyer texten und gestalten.

Dafür holte sich die SP - wie die CVP - Anregungen aus Deutschland. Erfolg verspricht sie sich von der von der SPD abgeguckten «campa03», einem eigens im Hinblick auf die Wahlen ins Leben gerufenen vierköpfigen Think Tank, der unter der Führung Gammas die Politik beobachtet und witzige Ideen für den Wahlkampf entwirft. Die Hälfte ihres nationalen Wahlkampfbudgets von 1,1 Mio Fr. setzt die SP für die «campa03» ein, «weil wir nur Themen setzen können, wenn wir dafür auch die entsprechenden Kapazitäten zur Verfügung stellen», wie Gamma begründet.

*Die Basis arbeiten lassen*

«Abzocker machen die Fliege»: Aktuell und frech wie dieser Slogan aus dem vergangenen Sommer soll der Stil der 12 Wahlkampfplakate sein, mit denen die SP die öffentliche Aufmerksamkeit gewinnen will. «Runter mit den kranken Prämien!» eröffnet im April die Kampagne, dann folgt ein Plakat zu den Atomenergie-Abstimmungen; die restlichen Sujets werden erst nach und nach festgelegt. 30 der Plakate hängen in den wichtigsten Kantonshauptorten. Wenig für eine nationale Kampagne? «Aus Kostengründen ist nicht mehr möglich», bedauert Gamma.

Doch die SP hat aus der Not eine Tugend gemacht: Sie sucht derzeit in der ganzen Schweiz über 1000 Wahlhelfer, die jeweils fünf Plakate jeder Serie an Garagentoren, Hauseingängen, Bau- und Gartenzäunen aufhängen. Gamma: «Auf diese Weise können wir unsere Botschaft kostengünstig verbreiten und erst noch die Mitglieder mobilisieren.»

Die Idee, die eigene Basis direkt in den Wahlkampf mit einzubeziehen, stammt allerdings nicht aus der SP-Küche selber. Wie das erfolgreich funktioniert, hat die SVP in den vergangenen Abstimmungskämpfen demonstriert. In jeder Kantonalpartei gibt es einen Plakatverantwortlichen, der nach den Worten von Generalsekretär Rutz «alle Plätze kennt, wo unsere Mitglieder Plakate aufhängen können». Wer zum Beispiel vor der Asylabstimmung im vergangenen November mit dem Auto über Land fuhr, konnte anhand der Plakate relativ schnell erkennen, wie gross die Sympathie der bäuerlichen Bevölkerung für die SVP ist. Rutz ist überzeugt, dass die in den heissen Abstimmungen über EWR, EU, Uno, Auslandeinsätze der Armee sowie Gold- und Asylinitiative erprobte Aktivierung der Basis bei den kommenden Wahlen positiv zu Buche schlagen wird: «Wir haben gewisse Mechanismen etabliert, die wir heute spielen lassen können.»

*Im orangen Truck*

Die Nähe zum Volk suchen alle, am radikalsten wohl die SVP, die unter anderem in den Kantonen mit eigentlichen Rechenschaftsberichten den Dialog mit den Bürgern sucht. Auffallend ist auch, dass im Vergleich zu 1999 alle Bundesratsparteien den Kontakt mit den Kantonalparteien massiv intensiviert haben. SVP-Generalsekretär Rutz geht beispielsweise am Freitagabend auf der Heimfahrt von Bern nach Zürich mit mindestens einem halben Dutzend Exponenten in den Kantonen die zu Ende gehende Woche durch und plant die kommenden Einsätze. Auch die FDP setzt auf den direkten Draht zwischen Präsidium und Kantonen. Die SP wiederum versorgt ihre Leute an der Basis über E-Mail und SMS mit Stellungnahmen zu aktuellen politischen Fragen.

Die CVP, deren Generalsekretär im vergangenen Jahr im Dienste der Partei 40 000 Autokilometer absolvierte, macht ganz bewusst einen Strassenwahlkampf, weil sie nach den Worten von Reto Nause «die Politik und die wichtigen Köpfe zu den Leuten bringen will». Als «Eyecatcher» für ihre Roadshow setzt die CVP ab April einen mit den Parteifarben bemalten Truck ein, der in 13 Agglomerationen Halt machen wird und dort die CVP bekannt machen und für gute Laune sorgen soll.

Die CVP setzt den Schwerpunkt ihrer nationalen Dachkampagne, für die ihr 1 bis 1,5 Mio Fr. zur Verfügung stehen, in den Städten und Agglomerationen. «In den grossen Kantonen können wir mit weniger Aufwand etwas zu unseren Gunsten bewegen», begründet Nause dieses Vorgehen. Dass er es als «Pendlerstrategie» bezeichnet, hat einen doppelten Grund: «Wenn wir die ?Stoppt den Steuervogt?-Plakate in den Bahnhöfen aufhängen, erreichen wir die grossen Pendlerströme. Gleichzeitig zielen wir auf die Mehrzahl der Bürger ab, die jeweils zwischen den Parteien pendeln.» Damit sich die «Laufkundschaft» am Wahltag noch an die CVP erinnert, beschränkt sich die Partei ganz bewusst auf drei Kernthemen (Familie, KMU- sowie Ausländerpolitik). Nause: «Erfahrungsgemäss können Wähler in einem Mehrparteiensystem höchstens drei Themen einer bestimmten Partei zuordnen.»

Eine ganz andere Strategie hat die FDP (Wahlkampfbudget: 1 Mio Fr.) gewählt: Aufgrund der negativen Erfahrungen von 1999 verzichtet sie dieses Jahr auf einen frühen Aushang von Plakaten. Sie sind, wie der Hauptharst der

Inserate, erst für die heisse Phase des Wahlkampfs vorgesehen, und die Sujets stehen auch noch nicht fest. «Plakate können kaum

jemanden davon überzeugen, eine bestimmte Partei zu wählen. Sie dienen vielmehr dazu, im Wahlkampf Präsenz zu markieren», sagt FDP-Generalsekretär Schommer.

Besondere Anstrengungen unternimmt die FDP, um ihre 120000 Mitglieder zu mobilisieren. Diese sollen dann die Wähler von ihrer Partei überzeugen, die auf die Kernthemen Wachstum und Sicherung der Arbeitsplätze, sichere Renten und Bürgersicherheit setzt. Auf die Frage, wie das in der Praxis geschehen könne, verweist Schommer auf das Beispiel des Kantons Luzern, wo im gegenwärtigen Grossratswahlkampf erfolgreiche Unternehmer sagen, weshalb sie Mitglied der FDP sind oder sie FDP wählen. Schommer: «Auf diese Weise können wir uns auch als glaubwürdige Wirtschaftspartei profilieren.» Das ist für die FDP von umso grösserer Bedeutung, als nach den Worten Schommers eine Partei aus drei Gründen gewählt werde: «Werte, Image und Tradition.»

*Die SVP hat das kleinste Budget*

Von den Orts- und Kantonalparteien erwartet Schommer, dass sie im Wahlkampf mit profilierten Köpfen und prägnanten Stellungnahmen im redaktionellen Raum in den Medien präsent seien. Mit ausserordentlichen Persönlichkeiten könne man Panaschierstimmen bei jenen Wählern holen, die nicht traditionell die FDP-Liste in die Urne legen.

Ruhige Zeiten sind für CVP und FDP von Vorteil, da beide auf eine Stammwählerschaft zählen können - sofern sie von den nationalen und kantonalen Kampagnen genügend mobilisiert werden können. Gehen hingegen die Emotionen und die politischen Wellen hoch, profitieren in der Regel SP und SVP. Mit ihren Plakaten versucht die SP denn auch ganz bewusst, die durch das äussere Klima aufgerüttelten Nichtwähler (Neuwähler und jene, die 1999 an den Wahlen nicht teilgenommen haben) anzusprechen und für sich zu gewinnen.

Die Ausgangslage ist so spannend, dass dieser emotionalisierende Effekt durchaus eintreten könnte. Denn diesmal geht es tatsächlich um die Zukunft der Zauberformel im Bundesrat. Mit dem Slogan «klar.sozial» versucht die SP, das klassisch-sozialdemokratische Potenzial in die Waagschale zu werfen. Die SVP, die mit 600 000 Fr. auf nationaler Ebene das geringste Wahlkampfbudget aufweist, spielt mit «Schweizer Qualität» die nationale Karte. Die FDP wiederum tritt gegen die «Koalition des Stillstands» von SP und SVP an und versucht, sich so als reformerische Kraft der Mitte zu profilieren. Hier kommt sie der CVP in die Quere, die sich als «le parti suisse» bezeichnet, das heisst, als Partei, die für das schweizerische Konkordanzsystem eintritt. Klar, denn sie profitiert davon auch am meisten.

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