Für die Headhunter ist die Post derzeit eine Goldgrube. Das durch den Postauto-Skandal ausgelöste Köpferollen auf allen Stufen des Staatskonzerns hat vielen von ihnen schöne Aufträge beschert: Die Firma Egon Zehnder sucht Ersatz für den Posten im Post-Verwaltungsrat, Russell Reynolds Associates für die Vakanzen im obersten Strategiegremium der Postfinance. Und Amrop Executive Search orchestriert die Suche nach dem neuen Post-Chef.
Für die Ersatzwahl des nach dem Rücktritt von Susanne Blank frei gewordenen Arbeitnehmersitzes im Post-Verwaltungsrat ist die Gewerkschaft Transfair verantwortlich. Sie hat am 26. Oktober ein Ticket mit zwei Kandidaten zuhanden des Post-Verwaltungsrats eingereicht. Das Ziel der Post: Alle offenen Posten sollen bis spätestens Ende Jahr besetzt sein, also noch vor dem Rücktritt von Doris Leuthard an der Spitze des federführenden Departements. Auch jener des CEO.
Beliebter Ulrich Hurni
Post-Präsident Urs Schwaller hatte jüngst in der «NZZ am Sonntag» über die Schwierigkeiten bei der Chefsuche geklagt: Viele Interessenten fragten sich, «ob sie diesen medialen und politischen Druck aushalten wollen. Ob sie damit leben können, einmal pro Woche durchs Dorf gejagt zu werden.»
Beobachter interpretierten Schwallers Aussagen als eine Art Rückzugsgefecht, als Erklärung dafür, dass nun alles doch etwas länger dauere. Post-intern hofften manche gar, dass die Chefsuche auf später vertagt werde und der langjährige Briefpost-Chef und Ad-interim-CEO Ulrich Hurni den Konzern noch etwas länger durch diese schwierige Phase lenken dürfe. Denn ein Mann, der das Geschäft kenne, wäre jetzt hilfreich, heisst es.
Immerhin stehen politisch wie wirtschaftlich schwierige Monate und Jahre bevor. Stichworte hierzu sind der Umbau des Postnetzes, die avisierten Tariferhöhungen für A- und B-Post-Briefe, die Privatisierung der Bankentochter Postfinance sowie die Zukunft von Postauto. Doch daraus wird nichts. «Unser Ziel bleibt, bis Ende Jahr einen neuen Chef oder eine neue Chefin ernennen zu können», betont Schwaller. «Daran hat sich nichts geändert.»
Der Prozess ist weit fortgeschritten, und der Post-Präsident hat auch schon mit mehreren Kandidaten Gespräche geführt. Gesucht wird eine «Führungspersönlichkeit für Leute und Unternehmen», wie Schwaller sagt. Ein Manager, der einen Grosskonzern mit wegbrechendem Kerngeschäft führen kann und etwas von «Digitalisierung und Transformation» versteht; einer mit Auslandserfahrung, der mehrere Landessprachen spricht und die Mechanismen von Bundesbern kennt; und vor allem: einer, der weiss, was Service public ist und die damit verbundenen Sensibilitäten versteht.
Für die Chefsuche verantwortlich sind neben Schwaller der Banker Marco Durrer und die frühere Max-Havelaar-Geschäftsführerin Nadja Lang. Zu dritt bilden sie den Nominationsausschuss. Aussen vor stehen die Gewerkschaften, obwohl sie theoretisch mit zwei Sitzen im Verwaltungsrat vertreten sind. Doch sie haben wegen Blanks Rücktritt niemanden mehr im Nominationsausschuss. «Wir sind informiert, aber nicht involviert», sagt Transfair-Präsident Stefan Müller-Altermatt.
Auf der Shortlist stehen dem Vernehmen nach nur externe Kandidaten. Postnetz-Chef Thomas Baur, der aussichtsreichste interne Kandidat, hat sich erst gar nicht beworben, wie er selber sagt. Ebenfalls nicht ins Rennen eingestiegen ist Postfinance-Chef Hansruedi Köng. Alle anderen Geschäftsleitungsmitglieder sind entweder zu alt, oder es fehlt ihnen das nötige Format, um den Staatskonzern mit knapp 60 000 Mitarbeitenden zu führen.
Keine Zeit für Beamte
Doch enttäuscht werden dürften auch all jene, die sich jetzt wieder einen Mann aus der Verwaltung wünschen. Einen wie Ulrich Gygi, der nach dem gescheiterten Experiment mit dem Computerveteranen und «New Economy»-Jünger Reto Braun im Jahr 2000 als Chef der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) an die Spitze der Post berufen wurde und bis heute für viele der Vorzeige-Post-Chef geblieben ist. Kein Wunder, machte schnell einmal der Name von Serge Gaillard die Runde, Gygis Nach-Nach-Nachfolger auf dem EFV-Chefsessel. Doch Gaillard ist mit 63 Jahren zu alt für den Job und kommt höchstens in ein oder zwei Jahren als Nachfolger von Schwaller als Post-Präsident in Frage.
Ebenfalls immer wieder zu hören ist der Name von Philipp Metzger. Der Chef des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) sei einer der «am unternehmerischsten denkenden Spitzenbeamten», heisst es. Deshalb ist er die bevorzugte Wahl jener Fraktion, die einen Chef aus der Verwaltung will. Nur Metzger selbst weiss nichts davon.
Die Post-CEO-Macher wollen keinen zweiten Gygi. Das seien andere Zeiten gewesen, ist zu vernehmen. Die Herausforderungen seien heute ganz andere. Anders gesagt: Die Zeiten für die Beamten sind vorbei. Gefragt ist jetzt ein «richtiger» Manager mit Gespür für den Service public. Und einer, der akzeptiert, dass die Politik den Spielraum definiert. Nicht wenige potenzielle Kandidaten hätten abgewinkt, heisst es. Darunter offenbar auch Christian Petit, bis vor kurzem noch Geschäftsleitungsmitglied bei der Swisscom.
Auf der Shortlist hingegen steht Christoph Brand, Leiter Bereich Rubriken & Marktplätze beim Medienkonzern Tamedia. Der Ex-Sunrise-Chef, der in Bern aufgewachsen ist, hat seine Karriere bei der Swisscom gestartet, wo er Bluewin leitete und zuletzt als Strategiechef bis in die Geschäftsleitung aufstieg.
Er kennt also die Welt der Staatskonzerne, auch wenn es zwischen der börsenkotierten Swisscom und der wieder näher an die Politik gerückten Post grosse Unterschiede gibt. Der Handlungsspielraum ist beim Telekomanbieter ungleich grösser, ebenso der Cheflohn: Swisscom-Lenker Urs Schaeppi kann insgesamt rund 1,9 Millionen Franken einstreichen, der Post-Chef kommt – inklusive Arbeitgeberbeiträgen für die Vorsorge – auf maximal 1 Million Franken.
Fokus aufs Kerngeschäft
Die digitalen Herausforderungen sind zwar gross, aber die Post stellt heute vermehrt wieder ihr Kerngeschäft und die Kunden ins Zentrum anstatt irgendwelcher trendiger Gadgets. Dafür gibt es mehrere Gründe: die Berufung von Urs Schwaller zum Post-Präsidenten, die Politik, welche die Spielregeln tendenziell wieder verschärft hat, und auch den mangelnden Erfolg all dieser digitalen Grossankündigungen. Oder in den Worten von Baur: «Die Kunden nutzen die digitalen Produkte nicht.» Eine bittere Erkenntnis nach all den vielen digitalen Versprechungen des gelben Riesen.