Weil die Gewinne bei der Postfinance sinken, will der Bundesrat der Post-Tochter den Zugang ins Kredit- und Hypothekengeschäft gewähren und sie teilweise privatisieren. Ein Eintritt der Postfinance in den Hypothekenmarkt wäre laut Experten aber nicht ohne Risiken. «Es ist ein Riesenvolumen, das potenziell auf den Markt kommt», sagte Julius-Bär-Chefökonom Janwillem Acket der Nachrichtenagentur AWP.

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Seiner Meinung nach bestehe die Gefahr, dass die Postfinance mit ihrem «Gratisgeld» aggressiv auftreten wird. «Ich nehme aber an, dass es Regeln geben wird, dass die neue Postfinance ein seriöses Geschäftsgebaren an den Tag legen muss.» Grundsätzlich hält er den Entscheid für richtig.

Von einem «potenziell hohen Marktanteil am Hypothekenmarkt» spricht auch Wellershoff-Chefökonom Adriel Jost. Doch er relativiert. Der Bundesrat schreibe selber von einem schrittweisen Markteintritt; zudem seien viele Hypothekarnehmer über Jahre gebunden.

Seiner Meinung nach könnten andere Banken wegen des neuen Anbieters gleichwohl «noch aggressiver» am Markt auftreten (siehe hier der Kommentar zum Thema). Und dies könnte zu einer Überhitzung am Immobilienmarkt führen, wovon die Schweizerische Nationalbank (SNB) schon lange warnt. «Ich gehe aber nicht davon aus, dass die Postfinance mit ihren Hypothekarangeboten an die regulatorischen Grenzen gehen wird», sagte Jost.

Der Spagat der Postfinance

Wie kaum ein anderes Institut in der Schweiz leidet die PostFinance unter den seit Jahren rekordtiefen Zinsen. Im ersten Halbjahr 2018 brach der Gewinn des Posttochter um zwei Drittel auf 125 Millionen Franken ein. PostFinance sammelt zwar stetig neue Kundengelder ein, diese kann die Gesellschaft aber nicht genügend gewinnbringend einsetzen. Denn der Staat verbietet dem Institut die Vergabe von Krediten und Hypotheken, um die anderen Banken des Landes nicht unter Druck zu setzen. Stattdessen parkt sie einen Teil der Gelder bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Dafür muss PostFinance der Notenbank allerdings Strafzinsen bezahlen.

Doch nun hat die Regierung eine Kehrwende vollzogen. Auslöser sind strengere Eigenkapitalanforderungen für die systemrelevanten Schweizer Banken, die Anfang 2019 in Kraft treten. Bislang erfüllt PostFinance zwar die regulatorischen Mindestanforderungen. Diese werden jedoch schrittweise erhöht, sodass sich ab 2021 eine Kapitallücke öffnen dürfte. Denn trotz Sparmassnahmen rechnet die Regierung bei dem Institut mit weiter rückläufigen Ergebnissen. Daher will sie PostFinance nun den Eintritt in den Kredit- und Hypothekarmarkt ermöglichen. «Wir begrüssen den Richtungsentscheid», erklärte ein PostFinance-Sprecher.

Und falls die Überhitzungserscheinungen doch zunähmen, gäbe es seiner Meinung nach noch Gegenmassnahmen. So könnten zum Beispiel nicht mehr vollständig befolgte Selbstregulierungsmassnahmen in Gesetze überführt werden. «Das wäre etwa für die Tragbarkeitsregeln möglich, die heute von der Branche nicht immer befolgt werden.»

Partizipationsscheine oder ausländische Investoren?

Für die geplante Teilprivatisierung der Postfinance gibt es laut Wirtschaftsjurist Peter V. Kunz von der Universität Bern diverse Möglichkeiten. «Juristisch lässt sich vieles machen», sagte er auf Anfrage. Es sei zum Beispiel denkbar, dass es Partizipationsscheine gebe wie bei diversen Kantonalbanken. «Das wären dann in erster Linie Liebhaberpapiere», sagte der Professor.

Einen eigentlichen Börsengang mit Aktien wie bei der Swisscom, an welcher die Eidgenossenschaft eine Mehrheitsbeteiligung hält, sieht er hingegen weniger. «Die Postfinance wäre wohl für Investoren zu wenig attraktiv», sagte Kunz. Denn im Gegensatz zur Swisscom sei die Posttochter kein dominanter Platzhirsch im Kredit- und Hypothekargeschäft und biete somit zu wenig Fantasie.

Verkauf ins Ausland undenkbar

Politisch undenkbar ist für den Juristen, dass eine Minderheitsbeteiligung an einen grossen ausländischen Investor verkauft würde - zum Beispiel an einen ausländischen Staatsfonds. «Das ist wegen der Vorbehalte vieler Bürger gegenüber solchen ausländischen Investoren politisch unvorstellbar», sagte Kunz.

Die beste Variante wäre laut Kunz, wenn die Postfinance im Rahmen der Teilprivatisierung aufgesplittet würde - in einen privaten Teil mit dem Kredit- und Hypothekargeschäft sowie einen öffentlichen Teil mit dem Zahlungsverkehr. In einem solchen Szenario wäre der Staat seiner Meinung nach idealerweise nur am öffentlichen Teil beteiligt, weil es dort keinen wirklichen Markt gebe.

Inlandbanken gegen Kreditvergabe

Die Schweizer Inlandbanken sind sich einig. Postfinance soll nicht selbst Kredite vergeben dürfen. Sie befürchten mit der Aufhebung des Kreditverbots, dass vor allem kleinere Regionalbanken vom Markt verdrängt würden. Zu einer möglichen Aufhebung des Kreditverbots haben die Migrosbank, Raiffeisen, der Verband der Schweizerischen Kantonalbanken und der Verband der Regionalbanken VSRB bereits im Juli 2018 aus Anlass einer parlamentarischen Motion der Grünliberalen Stellung genommen.

In ihrem gemeinsamen Positionspapier führen die Inlandbanken vier Hauptgründe für ihre ablehnende Haltung an. So befürchten sie erstens, dass ein neuer öffentlicher Grossanbieter kleinere, regional ausgerichtete Finanzinstitute verdrängen würde. Zweitens sehen sie in der Schweiz im Bereich der Kredite kein Marktversagen vorliegen, das ein Eingreifen der öffentlichen Hand rechtfertigen oder notwendig machen würde.

Grundsätzliche Diskussion über Zukunft der Bank

Nach Ansicht der Inlandbank wäre es drittens zudem nicht sachgerecht, allein aufgrund einer temporär erschwerten Ertragslage den Versorgungsauftrag von Postfinance zu ändern. Dazu müsse erst eine grundsätzliche Diskussion über die Zukunft der Bank geführt und ein entsprechender strategischer Richtungsentscheid gefällt werden, heisst es dazu im Positionspapier.

Zu dieser Überprüfung gehört laut den Inlandbanken auch die Überprüfung der Eigentümerstrategie. Bisher ist der Bund alleiniger Besitzer der Bank. Mit der Aufhebung des Kreditverbotes hat er aber auch eine Teilprivatisierung angekündigt. Der Versorgungsauftrag von Postfinance beschränkt sich bisher auf den Zahlungsverkehr.

Schliesslich stellen die Inlandbanken die Verfassungsmässigkeit einer Kreditvergabe durch Postfinance in Frage. Ein Gutachten des Bundesamtes für Justiz habe nämlich ergeben, dass die Bundesverfassung dem Bund die Betreibung einer Bank untersagt, heisst es im Positionspapier.

Kein Kommentar

Verschwiegen zeigten sich indes die Credit Suisse und die Zürcher Kantonalbank (ZKB): Beide systemrelevanten Geldhäuser wollten keinen Kommentar abgeben. «Wir nehmen die Mitteilung des Bundesrats zur Kenntnis», erklärte eine ZKB-Sprecherin.

Bei der grössten Schweizer Bank hiess es: «Die UBS äussert sich nicht zu Konkurrenten. Der Bundesrat befindet über das Pflichtenheft der Postfinance. Die Angelegenheit hat eine den ganzen Finanzplatz betreffende Dimension, weshalb wir an die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) verweisen.»

SP begrüsst Einstieg der Postfinance ins Hypothekargeschäft

Die Parteien sind in ihren Haltungen gespalten. Die SP kritisiert insbesondere die Pläne des Bundesrats zur Teilprivatisierung. Die jüngsten Skandale etwa bei Postauto machten deutlich, dass reines Gewinnstreben den Interessen der Bürgerinnen und Bürger zuwiderlaufe, schreibt die Partei in einer Stellungnahme vom Mittwoch.

Nur mit einer umfassenden politischen Kontrolle könnten die Qualität von Infrastrukturen und Dienstleistungen und damit auch gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sichergestellt werden. Hingegen befürwortet sie einen Einstieg der Postfinance in das Hypothekargeschäft, um die einbrechenden Erträge der Post-Tochter zu stoppen.

«Der Einstieg ins Hypothekargeschäft wäre ein Schritt in diese Richtung», sagt SP-Nationalrat Thomas Hardegger. Dieser Ansicht ist auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Er begrüsse die Absicht des Bundesrats, den Spielraum für die Postfinance zu erweitern und das Kredit- und Hypothekarverbot aufzuheben. Die Gewinne der Postfinance seien entscheidend für die Kostendeckung der Leistungen des Unternehmens.

Eine Teilprivatisierung würde aber den Grundversorgungsauftrag der Postfinance gefährden, so der SGB. Bereits heute sei die Post einem hohen Druck ausgesetzt, Gewinn zu erwirtschaften. Mit der Teilprivatisierung würde der Druck noch mehr erhöht. Das würde dem Service public nachhaltig schaden, so der SGB.

Die Gewerkschaft Syndicom erachtet eine Änderung der Rechtsform zudem als unnötig. Nicht die Rechtsform oder die Besitzverhältnisse seien Grund für die Einschränkungen von Postfinance, sondern das Postgesetz. Dieses könne geändert werden, ohne dass die Rechtsform geändert werden müsste, argumentiert die Gewerkschaft.

SVP hält volle Privatisierung für zwingend

Ganz anders sieht das die SVP. Sie lehnt den Einstieg der Postfinance ins Kredit- und Hypothekengeschäft aus ordnungspolitischen Gründen ab, wie sie am Mittwoch mitteilte. Sollte sich aber der Bundesrat durchsetzen, müsste die neue Postbank laut der Partei zwingend privatisiert werden.

Die neue Postbank solle das volle Risiko selber tragen, ohne Staatshaftung, argumentiert die SVP. Deshalb müsste sie zwingend von der Post als Bundesbetrieb abgetrennt werden und ohne Staatsgarantie am Markt auftreten. In diesem Fall würde auch die Quersubventionierung der Post durch Postfinance entfallen.

Die FDP ihrerseits werde sich zum Entscheid des Bundesrats im Rahmen der angekündigten Vernehmlassung äussern, teilte die Partei am Mittwoch mit. Dabei müsse aber auf jeden Fall verhindert werden, dass es zu einer Wettbewerbsverzerrung beziehungsweise Benachteiligung von privaten Finanzinstituten führe.

Diesbezüglich erachtet auch die FDP die Beteiligung des Bundes als Mehrheitsaktionär als heikel. Eine Privatisierung der Postfinance müsste in diesem Zusammenhang zwingend diskutiert werden.

(sda/tdr/me/mlo)