Nachdem Denner-Chef Philippe Gaydoul in seinem Discounter den Schmuddel-Look abgeschafft hat, lässt er nun sogar einen Hauch Luxus durch die Gänge wehen. Auf die Festtage hin lancierte Denner eine Premiumlinie mit 23 kulinarischen Köstlichkeiten, von einem mit Trüffelbutter gefüllten Brie bis zum äthiopischen Hochlandkaffee. Der Verkauf der Feinkostlinie, der am 5. Dezember begann, sei «sehr erfreulich» angelaufen, heisst es bei Denner. «Wir sind vom Erfolg überwältigt.»
Damit hat die Demokratisierung der Delikatessen, die Mövenpick-Gründer Ueli Prager vor Jahrzehnten mit dem Cüpliausschank eingeleitet hat, nun als letzte Station den Discountkanal erreicht. Feinkost fürs Volk ist ein Grosserfolg. 2004 respektive 2005 starteten Coop und Migros mit ihren Premiumlinien Fine Food und Sélection, dies nach dem Vorbild der britischen Tesco, die schon Jahre zuvor mit dem Label Finest Furore machte. Das Beste von Denner heisst nun Primess, wohl eine Wortschöpfung aus Premium und Princess.
Ob Coop, Migros oder Denner – der Cheap Chic gleicht sich bei allen. Die Linien haben eine ähnlich strenge und edle Ästhetik, mit viel Weiss oder Silber, nur wenigen Elementen und sauberen Bildern. Und sie erzählen Geschichten über die Herstellung der Produkte, von wilden Breitkopf-Bärenkrebsen in Vietnam etwa oder vom Raclettekäse aus den Pyrenäen.
«Einfacher, aber besser», lautet die Botschaft auf den Packungen – und sie kommt an. Während der Schweizer Lebensmittelhandel 2006 bloss um 1,2 Prozent zulegte, vervierfachte sich das Premiumsegment bei den Grossverteilern Migros und Coop. Für das Jahr 2007 zeichnet sich eine Zunahme zwischen 55 Prozent (Migros) und 100 Prozent (Coop) ab. Die Fine-Food-Linie zählt bereits 350 Artikel, das Migros-Programm Sélection rund 200, und es wird weiter kräftig ausgebaut. Discount und Delikatessen stossen beim hybriden Konsumenten des 21. Jahrhunderts auf Anklang. «Reich und Arm kaufen Produkte in allen Preislagen, einmal teuer, einmal billig», heisst es in einer Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts, «im Food-Bereich ist der Preis wichtig, aber nicht prioritär. Kern des Erfolgs sind Nähe, Frische, Freude.»
Das Schlaraffenland wird erschwinglich. Der globale Beerenmix von Sélection, bestehend aus chilenischen Sultaninen, Sauerkirschen und schwarzen Bingkirschen aus Kalifornien, kostet 5.90 Franken. Ein Carpaccio vom Gelbflossenthunfisch mit Zitronensauce der Linie Fine Food wird für 8.50 Franken verkauft. Denner verlangt für 150 Gramm Riesencrevetten 5.95 Franken.
Einkäufer für die Feinschmeckerprogramme zu sein, müsste ein Traumjob sein – doch weder bei Coop noch bei Migros noch bei Denner gibt es einen «Mr. Fine Food», einen «Monsieur Sélection» oder eine «Mrs. Primess». Mit Ausnahme von Migros, die eigentliche Trendnasen beschäftigt, werden die Spezialitäten grösstenteils über die bestehenden Kanäle aufgespürt. Manchmal kommt die Inspiration von aussen, wie im Fall eines Berner Gastroenterologen und Food-Fetischisten, der auf einer kulinarischen Entdeckungstour durch Italien auf einen kleinen Familienbetrieb aufmerksam wurde, der die Kunst der Glaceherstellung beherrscht. Zusammen mit dem Chef des Betriebs, einem deutschen Patissier und Coop entwickelte er neue Glacerezepturen, die nun unter dem Label Fine Food bei Coop in den Regalen stehen – etwa Roseneis aus dem destillierten Öl handverlesener Rosenblüten.
Der Verdacht liegt nahe, dass die unter einem Dach vereinten Anbieter Migros, Denner und Globus die Delikatessen gemeinsam aufstöbern und einkaufen. Offiziell geschieht dies nicht, informell hingegen schon. Kontakte zwischen den Einkäufern gebe es durchaus, wenn es um die Beschaffung von Spezialitäten gehe, sagt ein Migros-Mann, aber sie seien selten.
Wie es sich beim Einkauf verhält, sei dahingestellt, punkto Preis spielt jedenfalls die interne Konkurrenz. Zu den Paradeprodukten bei Migros gehört der Pata-Negra-Schinken von den Schwarzfussschweinen, die sich ausschliesslich von Eicheln ernähren. Unter dem Denner-Label Primess kosten 100 Gramm des schmackhaften Fleisches 11 Franken, bei der Migros-Linie Sélection 12.30 Franken, und Globus verlangt 16 Franken.