Die Revisionsgesellschaften unterstehen neu einer Aufsichtsbehörde. Führt das Zulassungsverfahren für den Berufsstand zu einer Qualitätssteigerung?

Markus Neuhaus: Der Wechsel von der Selbstregulierung zu einer staatlichen Aufsicht ist ein grosser Schritt. Die Zielsetzung ist ganz klar: Es geht um die Qualität. Der gesamte Berufsstand muss die gestellten qualitativen Anforderungen erfüllen. Unsere Gesellschaft erfüllt diese Erwartungen bereits, weil wir schon bisher den internationalen Qualitätsstandards entsprochen haben. Gewisse Neuerungen ergeben sich in der Dokumentation der Abläufe und beim Reporting. Die zugelassenen Revisionsunternehmen bei den kotierten Firmen werden zudem innerhalb von drei Jahren überprüft.

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Die neu geschaffene Behörde muss rund 10000 Wirtschaftsprüfer und Gesellschaften kontrollieren. Zu mehr als einigen Stichproben dürfte das bei gut zwei Dutzend Leuten kaum reichen?

Neuhaus: Die Aufsichtsbehörde arbeitet zweistufig. Zunächst bestimmt sie in einem Registrierungsverfahren, wer für eine Revision zugelassen wird. Ohne diese Bewilligung wird ein Wirtschaftsprüfer straffällig. Die zweite Stufe im Bereich der rund 255 börsenkotierten Gesellschaften gestaltet sich wesentlich intensiver. Pro Jahr müssen etwa 80 Revisionsarbeiten im Detail überprüft werden. Das ist ein Arbeitsanfall der durchaus überschaubar ist.

Die Branche muss künftig die Aufsichtsbehörde über Gebühren finanzieren. Werden damit auch die Revisionsleistungen teurer?

Neuhaus: Ja, davon ist auszugehen. Die exakten Kosten dieser Prüftätigkeit kennen wir noch nicht. Bei der Registrierung handelt es sich um eine jährliche Pauschale. Dazu kommen die Aufwendungen für die eigentlichen Kontrollaktivitäten. Gemäss der Verordnung liegen die fakturierten Tagessätze zwischen 1500 Fr. bis 2500 Fr. und der Stundensatz bei 250 Fr. Diese Kosten fliessen in unsere Kalkulationen ein und entsprechend wird das Geschäft teurer.

In den USA bestreiten die börsenkotierten Gesellschaften direkt einen wesentlichen Anteil an den Kosten der Revisionsaufsicht. Weshalb wurde dieses Modell nicht für die Schweiz gewählt?

Neuhaus: Wir haben das amerikanische Finanzierungsmodell im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen, weil es auf dem Nutzniesser- und Verursacherprinzip basiert. Im politischen Willensbildungsprozess haben sich unsere Argumente aber nicht durchgesetzt.

Der Konkurrenzkampf um lukrative Revisionsmandate hat sich verschärft. In der Branche hört man, neue Kunden würden oft auch mit Dumpingpreisen gewonnen.

Neuhaus: Ja, es lässt sich beobachten, dass wichtige Referenzkunden zu einem schlechten Preis akquiriert werden. Im günstigen Wirtschaftsklima ist auch das Risiko für die Revisionsfirmen etwas niedriger. Das verleitet den einen oder anderen Anbieter zu einer tiefen Offerte. Es können auch wieder schwierigere Zeiten kommen. Wir sehen das in der Finanzindustrie. Die Prüfungsarbeit für das 3. Quartal 2007, mit der Bewertung verschiedener Finanzinstrumente und Beteiligungen, wird äusserst anspruchsvoll. Das braucht einen gewissen Zeiteinsatz, der mit Dumpingpreisen nicht gedeckt ist. Aufgrund unserer seriösen Kalkulation für eine qualitativ hoch stehende Kontrolltätigkeit haben wir auch schon Mandate verloren.

Als Marktleader sind Sie besonders exponiert.

Neuhaus: Bis jetzt hat uns die Grösse genützt. Wir sind in absoluten Zahlen stärker gewachsen als die Konkurrenz. Den Marktanteil konnten wir halten.

Ist es nicht interessanter, bei einem grossen multinationalen Unternehmen statt dem Revisionsmandat eine umfangreiche Beraterrolle einzunehmen?

Neuhaus: Das ist für uns eine ganz entscheidende Frage. Etwa 55% des Honorarvolumens entfällt auf die Wirtschaftsprüfung und der Rest auf die Beratung. Studien zeigen, dass die Sachkompetenz in beiden Bereichen qualitätssteigernd ist. Die Grenzen zwischen Revisionstätigkeit und flankierender Beratung sind in der Schweiz klar abgesteckt. Als Kontrollstelle können wir eine Firma nicht gleichzeitig managen. Wir können dem Kunden aber etwa in der Steuer- oder Finanzberatung beistehen.

Bei der Revisionstätigkeit sind dem Wachstum enge Grenzen gesetzt. Wollen Sie deshalb das Beratungsgeschäft forcieren?

Neuhaus: Im Beratungsgeschäft eröffnen sich bei den Nicht-Revisionskunden gute Perspektiven. Das sehen wir unternehmensstrategisch ganz klar als zweites Bein.

Welches sind die interessantesten Geschäftsfelder?

Neuhaus: Zuoberst steht die Strategieberatung und am anderen Ende finden sich die ausführenden Tätigkeiten, wie etwa das Outsourcing oder die IT-Implementierung. Dazwischen liegt der grosse Bereich des Financial and Business Consulting. Wegen unserer Herkunft aus dem finanzwirtschaftlichen Bereich und der daraus resultierenden Kompetenz sehen wir dort unseren Schwerpunkt. Dazu gehören das Transaktionsgeschäft und das Risikomanagement, verbunden mit forensischen Tätigkeiten.

Als Engpass entpuppt sich die Personalrekrutierung. Müssen Sie in einzelnen

Fällen auf mögliche Aufträge verzichten, weil Sie nicht über genügend Spezialisten verfügen?

Neuhaus: Die Personalauswahl ist knapp. Wir finden aber die nötigen Leute, obwohl wir derzeit noch rund hundert Stellen zusätzlich besetzen wollen. Bis jetzt mussten wir auf keine Aufträge verzichten. Das war aber oft nur dank einer kurzfristigen Nutzung von Ressourcen aus dem Ausland möglich.

Im Sommer haben Sie zusätzlich die Funktion des CEO von Eurofirms übernommen. Können Sie innerhalb dieses kontinentaleuropäischen PwC-Netzwerkes mit 20 Ländern nach Bedarf auch personelle

Ressourcen verschieben?

Neuhaus: Ja, dieser Verbund hat zum Ziel, einen Ressourcenpool mit rund 40000 Leuten noch besser einzusetzen.

Was sind die weiteren Vorteile dieser Organisation?

Neuhaus: Wir können unsere Kunden grenzüberschreitend wesentlich effizienter und konsistenter bedienen.

Ist dieser Verbund die Vorstufe für eine Fusion zu PwC Europa?

Neuhaus: Im Moment besteht keine Absicht für eine Fusion.Ich persönlich sehe derzeit keine Vorteile für unsere Kunden aus einer Fusion.

Andere grosse Revisionsfirmen haben sich in Europa teilweise enger zusammengeschlossen.

Neuhaus: Wir beobachten diese Konzentration bei der Konkurrenz. Jede Gesellschaft hat ihren eigenen strategischen Ansatz. Für uns ist der bestmögliche Auftritt gegenüber der Kundschaft das ausschlaggebende Kriterium.

Wie viel von Ihrer Zeit verwenden Sie für Eurofirms?

Neuhaus: Etwa die Hälfte. Ziel ist es, diese Organisation weiterzuentwickeln. Wir machen uns insgesamt Überlegungen, wie die künftige Struktur weltweit aussehen soll.

Die Wachstumsmärkte in Asien dürften eine wichtige Rolle spielen?

Neuhaus: Ja, das ist für uns ganz entscheidend. In China sind wir im letzten Jahr um 25% gewachsen und in Indien hat der Aufschwung erst begonnen. Bis anhin war der chinesische Markt stark durch Auslandsinvestitionen geprägt. Jetzt kommen die chinesischen Firmen zu uns. Damit ergeben sich bei der Beratung völlig neue Fragestellungen.

Sind Sie bei Eurofirms ein Chef auf Zeit?

Neuhaus: Ja, das ist so. Meine Funktion wurde auf zwölf Monate definiert, weil wir im nächsten Jahr entscheiden wollen, wie es mit Eurofirms weitergeht. Bei PwC sind alle Führungspositionen zeitlich limitiert. In der Schweiz amtiert der CEO maximal neun Jahre.

In der Schweiz finanziert PwC mehrere Lehrstühle an Hochschulen. Versprechen Sie sich damit einen besseren Zugang zu Hochschulabsolventen?

Neuhaus: Mit unserem finanziellen Engagement wollen wir den Fachbereich Accounting an den Universitäten aufwerten. Wenn es mehr Professuren gibt, wenden sich auch mehr Studierende diesem Studiengang zu. Von diesem erweiterten Ressourcenpool profitieren nicht nur die Revisionsfirmen, sondern beispielsweise auch die Finanzdienstleistungsunternehmen.

Mit laufend neuen Rechnungslegungsvorschriften, wie etwa bei IFRS, steigen auch die Anforderungen für jeden Revisor. Wie stellen Sie die Weiterbildung sicher?

Neuhaus: Wir investieren 12% des Umsatzes in die Aus- und Weiterbildung. Im Vergleich mit dem Aufwand in einem Industriebetrieb ist das ein Mehrfaches. Nebst der fachtechnischen Ausbildung gehört dazu auch die Förderung der kommunikativen Fähigkeiten und ganz allgemein der Sozialkompetenz.

Die Klagefreudigkeit gegenüber den Revisionsfirmen hat ebenfalls zugenommen. Müssen Sie sich entsprechend höher versichern?

Neuhaus: Unsere beste Versicherung ist die Sicherstellung der Qualität. Selbstverständlich sind wir gegen die Restrisiken auch versichert. In jedem Rechtsstreit wird fast regelmässig auch die Revisionsfirma eingeklagt. Meistens zu Unrecht. Trotzdem muss unsere Branche bei Schadenersatzzahlungen überproportional viel beitragen. Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass der Kontrolleur am Schluss mehr zahlen muss als der Fahrer.

Bei der Haftungsfrage scheinen fixierte Obergrenzen in der Vernehmlassung zum neuen Aktienrecht keinen Anklang zu finden. Welche anderen Möglichkeiten gibt es?

Neuhaus: Die Haftung der Kontrollstelle muss neu strukturiert werden. Nebst klar definierten Obergrenzen ist auch ein Mehrfachbetrag des Kontrollstellenhonorars als Haftungslimite denkbar.