Die Anbieter von Private- Banking-Dienstleistungen stehen im Informationszeitalter als Informationsintermediäre unter dem Druck zur Überprüfung ihrer strategischen Positionierung, da der bisherige Informationsvorsprung gegenüber den Kunden erodiert und sich eine «Commodisierung» wichtiger Bereiche des Bankgeschäfts vollzieht. Analyserahmen für diese Überprüfung sind die Kernkompetenzen innerhalb der Wertschöpfungskette. Jedes Geschäftsmodell bewegt sich dabei primär im Spannungsdreieck zwischen den Kunden, den unternehmensinternen Fähigkeiten und der Positionierung gegenüber der Konkurrenz im Netzwerkzeitalter.
Kundenverhalten als zentrale Erfolgsdeterminante
Wichtigste Komponente für den Erfolg jedes Geschäftsmodells ist das Kundenverhalten. Erkenntnisse aus der industriellen Innovationsforschung legten vor einigen Jahren den Schluss nahe, dass auch im Private Banking eine radikale Verhaltensveränderung bevorstand. Grundlage dieser Argumentation war die Erkenntnis, dass der Informationsvorsprung der Finanzintermediäre gegenüber den Kunden als einer der Hauptpfeiler des attraktiven Wertschöpfungspotenzials im Private Banking durch das Internet sehr stark reduziert würde. Wie die Entwicklungen gezeigt haben, ist diese radikale Entstehung bisher nicht eingetreten. Adaptive Strategien auf der Basis bestehender Geschäftsmodelle haben sich bis anhin als erfolgreich erwiesen.
Das periodisch durch das Swiss Banking Institute der Universität Zürich erhobene Anlageverhalten von Schweizer Anlegern ermöglicht hier, tatsächliche Veränderungen wahrzunehmen. Es kann eine verstärkte Nutzung des Informationskanals Internet und somit eine weitere schleichende Erosion des Informationsvorsprungs der Banken konstatiert werden. Die Zahl der Anleger im Kundensegment des Private Banking, welche das Internet sowohl für die Informationsgewinnung als auch den Börsenhandel benutzen, ist von 13% im Jahr 2000 auf 41% im Jahr 2004 gestiegen. Dieser Anteil ist dabei signifikant grösser als im Segment des Affluent oder Retail Banking. Die These, wonach klassische Private-Banking-Kunden eher nicht zu den typischen Online-Anlegern gehören, scheint sich hier nicht zu bestätigen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Private-Banking-Kunden unisono zu Online-Tradern mutieren werden. Dennoch verpflichtet diese Entwicklung die Anbieter von Private-Banking-Dienstleistungen, den Nutzen ihrer Dienstleistungen stärker zu valorisieren und effektiven Beratungsmehrwert zu schaffen. Hauptherausforderung ist demnach die Anpassung an das sich graduell verändernde Kundenverhalten. Härter umkämpfte Kundenbeziehungen, höheres Kundenwissen und damit einhergehend gesteigerte Kundenerwartungen erfordern eine zunehmend differenziertere Betreuung aller Kundensegmente und eine Verbesserung der Ausbildung der Kundenberater im Sinne der strukturierten Lebenszyklusberatung.
Kunde bei Gebühren selektiv
Die Wertschöpfungskette im Private Banking modularisiert sich Schritt für Schritt in die Bereiche «Kundenschnittstelle», «Produkterbringung» und «Transaktionsabwicklung». Die Wertschöpfung unterliegt dabei in den verschiedenen Bereichen des Private Banking unterschiedlichen Gesetzmässigkeiten.
Die Transaktionsabwicklung ist ein ausgesprochen skalenbasierter Geschäftsbereich, bei dem die ökonomische Rente nur über eine Ausdehnung des Auslastungsgrades der Systeme gesteigert werden kann. Verschiedene Anbieter zielen auf die Erreichung von Skalenerträgen durch Volumenausdehnung ab, z.B. die UBS mit «Bank for Banks», die Bank Wegelin & Co. oder Märki Baumann sowie eigentliche Transaktionsbanken wie die State Street Bank oder die «Xchanging european transaction bank». Die «Commodization» vieler Bankprodukte führt zu einer entsprechenden Margenerosion im Produktebereich. Eine mögliche Konsequenz ist die Entstehung von Produktionsbanken, wie dies im Retailgeschäft bereits durch die Valiant-Gruppe beabsichtigt wird.
Im Bereich der Kundenberatung gilt es zu beachten, dass die Kunden durch ihren verbesserten Informationszugang in Zukunft nur im Bereich komplexer Fragen zur Entrichtung entsprechender Gebühren bereit sein werden. Dabei haben hier viele Anbieter aufgrund der sehr begrenzten Skalierbarkeit der Ressourcen die Chance zur Aufrechterhaltung ihrer Nischenpositionierung. Zentraler Erfolgsfaktor ist die Fähigkeit zum Angebot eines strukturierten Analyse- und Beratungsprozesses, der nachhaltigen Mehrwert schafft und so das Kundenvertrauen rechtfertigt. Das Prozess-Know-how kann dabei durchaus von Drittanbietern bezogen werden, wie das Beispiel der jüngst eingegangenen Kooperation zwischen der Bank Wegelin und der Bank Linth, die sich auf die regionale Kundenschnittstelle «Oberer Zürichsee» fokussiert und alle anderen Beratungsleistungen von der Bank Wegelin bezieht, zeigt.
Neue Kooperationsmodelle
Wertschöpfungsketten werden sich also mittelfristig mit zunehmendem Margendruck weiter desintegrieren. Verschiedene Kooperationsmodelle sind in allen drei Bereichen bereits am Markt zu beobachten. Der allseits erwartete Konzentrationsprozess wird sich dieser Geschäftslogik folgend nicht in Richtung grosser Übernahmen und Fusionen von ganzen Bankinstituten, sondern in Richtung des Outsourcing oder des Verkaufs einzelner Teile der Wertschöpfungskette, bei denen Grössenvorteile wesentlich sind, entwickeln. Nicht zuletzt geht es in diesem Prozess der Netzwerkpositionierung auch um die Frage, wer die Verteilung der Margen unter den Netzwerkpartnern zukünftig wesentlich beeinflussen kann. Während grössere Anbieter mit Vorteil die Rolle des fokalen Anbieters in einem Netzwerk das auch Best-in-Class-Fremdanbieter mit einbezieht anstreben, müssen sich kleinere Anbieter fragen, wie sich ihre Unabhängigkeit in der Rolle des «Juniorpartners» mittelfristig entwickeln wird. Für sie erscheint die Suche nach gleichwertigen Outsourcing-Partnern mit anderen Nischenpositionierungen im Netzwerk die sinnvollste Option, da sie auf diese Weise die eigene Unabhängigkeit unter Fokussierung auf ihre Beratungskompetenz auch langfristig sichern können.
Dr. Teodoro D. Cocca, Dozent für Private Banking, Universität Zürich; Senior Researcher, Swiss Banking Institute und u.a. Autor der Studien «The International Private Banking Study» (2003 und 2005) und «Equity Ownership in Switzerland» (2000, 2002, 2004).
Dr. Bernhard Koye, Programmdirektor Swiss Banking School und Lehrbeauftragter, Universität Zürich. Seine Dissertation «Private Banking im Informationszeitalter» setzt sich mit den Geschäftsmodellen im Private Banking auseinander.