Immer mehr privates Geld fliesst in die Landwirtschaft in Schwellenländern. Seit Mitte der 2000er-Jahre haben die institutionellen Investitionen in der Landwirtschaft frappant zugenommen. Inzwischen sind weltweit über 300 Fonds tätig, die sich auf den Bereich Landwirtschaft konzentrieren. Bei den meisten dieser Fonds handelt es sich um «Private Equity»-Fonds. Sie versammeln einen Pool von Geldern, die in private Unternehmen investiert werden, die nicht an der Börse kotiert sind. In der Regel werden dabei gleich mehrere Millionen investiert, die an eine gewisse Laufzeit von bis zu 15 Jahren gebunden sind. Deshalb sind bei diesen Fonds vor allem Pensionskassen, Staatsfonds, Family Offices oder reiche Privatpersonen investiert.
Doch was geschieht, wenn Private Equity Fonds in die Landwirtschaft von Schwellenländern investieren? In einer Reportage schildert die «Financial Times» die Zusammenhänge anhand einer Teeplantage im kenianischen Kericho und dem britischen Nahrungsmulti Unilever. Dieser ist ebenfalls in der Schweiz tätig. Unilever betreibt seit Jahrzehnten eine riesige Teeplantage in Kenia, mit der sie ihre Teesparte bedient. Unilever stellt auf dieser Plantage Unterkünfte für bis zu 30'000 Menschen inklusive Schulhäuser und Krankenhäuser zur Verfügung.
Plantagearbeiter pochen auf Entschädigung
Das Arbeitsverhältnis ist jedoch gespalten, seit es 2007 nach Wahlen in Kenia zu einem Angriff auf die Plantage in Kericho kam. Bei diesen Angriffen sind mindestens sieben Menschen getötet und über 50 Frauen vergewaltigt worden. Noch heute kämpfen zahlreiche Arbeiter um eine angemessen Entschädigung sowie um eine medizinische Behandlung durch Unilever.
Der Konzern weist jedoch die «Behauptung zurück, dass das Unternehmen bei den tragischen Ereignissen nach den umstrittenen Wahlen 2007 in Kenia seine Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern oder deren Familien verletzt hat», schreibt die «FT». Eine internationale Untersuchungskommission sei damals zum Schluss gekommen, dass das Ausmass und die Geschwindigkeit des Ausbruchs der Gewalt «unvorhersehbar waren» und Unilever Tea Kenya damals alle möglichen Schritte unternahm, um Mitarbeiter und Angehörige zu schützen.
Die Beziehung zwischen dem Nahrungsmittelgiganten Unilever und den Plantagearbeitern aus Kenia ist schon heute vielschichtig – das könnte künftig noch zunehmen. Unilever hat vor einigen Wochen einem Verkauf zugestimmt. Bei diesem Verkauf geht das Teegeschäft von Unilever, welches die Marken PG Tips, Lipton und Brooke Bond umfasst, für 4,5 Milliarden Euro an die Private-Equity-Gruppe CVC Capital Partners. Dieser Verkauf umfasst auch die Übernahme der Plantagen in Kenia, Ruanda und Tansania.
Public Eye Schweiz äussert sich kritisch
Diese Entwicklung beobachtet auch Oliver Classen von Public Eye Schweiz. Es sei eine klare Zunahme von Agri-Fonds zu beobachten, die auf Landwirtschaft mit Fokus Afrika setzen würden, sagt Classen. Die meisten dieser Fonds seien Private Equity. Das bedeute, es seien Investitionen in private Firmen oder Buy-Outs. Es benötige allerdings grosse Summen, um sich in solche Projekte einzukaufen, das Geld sei dann oft für Jahre gebunden.
Classen bemängelt die Intransparenz von Private Equity Fonds: «Der Erhalt der Firmen, Arbeitsplätze und Menschenrechte stehen nicht im Vordergrund», sagt Classen. Die Konkurrenz um fruchtbares Land nehme aber weltweit zu, wie auch eine aktuelle Studie von Grain zeigt, einem NGO, die Bauern unterstützt. «Unter dem Stichwort Landgrabbing sind solche Investments relevant, aber auch hochproblematisch», gibt Classen zu Bedenken.
Mit der Übernahme der Unilever-Teesparte durch CVC würden die Missstände auf der Teeplantage «wohl kaum besser werden.» Classen sagt: «Die Profit-Maximierung steht bei Private Equity im Zentrum. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass sie das Thema Menschenrechte und Umwelt höher gewichten als Multis.» Die Chance, dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtern sei gross. Zudem sei es schwieriger, eine «gesichtslose» Private-Equity-Gesellschaft zur Rechenschaft zu ziehen.
Classen war bei der Abstimmung um die Konzernverantwortungsinitiative eine der prägenden Stimmen. Bei der Abstimmung im November 2020 ging es ebenfalls um die soziale Verantwortung von multinationalen Unternehmen.
ESG-Kriterien müssen zunehmend eingehalten werden
Laut der «FT» tritt CVC damit ein schwieriges Erbe an: Die Gewaltakte von 2007 sind noch immer in den Köpfen der Arbeiter in Kericho. Dazu kommen die Arbeitsbedingungen einer Branche, die für harte Arbeit und niedrige Löhne bekannt ist. Das stellt eine Herausforderung für die neuen Eigentümer der Plantage dar. Dabei kommt der Druck nicht nur von den Plantagearbeitern, sondern auch von der Private-Equity-Branche selbst. Die Unternehmen müssen zunehmend den ESG-Kriterien und deren Anspruch an Nachhaltigkeit und Ethik gerecht werden. Die Pensionsfonds, die Gelder in die Fond stecken, stellen immer mehr Fragen zu ethischen Standards in der Branche, erläutert die «FT».
Das wissen auch die Private-Equity-Fonds selbst. Zwei der drei letzten Bieter für das Unilever-Teegeschäft, die Buyout-Gruppen Advent International und Carlyle, zogen sich zumindest teilweise wegen Bedenken im Zusammenhang mit den Plantagen zurück. Laut Personen, die beiden Buyout-Gruppen nahe stehen, ist dies ein Anzeichen dafür, dass selbst in der Private-Equity-Branche mit ihrem unerbittlichen Fokus auf Gewinnmaximierung die Befürchtungen über die sozialen oder rufschädigenden Folgen von Geschäften an Bedeutung gewinnen, da Ethik und Nachhaltigkeit auf der Agenda der Investoren ganz oben stehen, schreibt die «FT»
Klagen vermeiden
Der Private Equity Fond CVC teilt in einem Statement gegenüber der «FT» mit: «CVC hat ein tief verwurzeltes Engagement für Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen und hat sie zu einem zentralen Bestandteil unseres Investitionsprozesses und der Verwaltung unserer Unternehmen gemacht.» Die Plantage in Kericho sei als Teil der Due-Diligence-Prüfung vor dem Angebot unter die Lupe genommen worden.
In der zweiten Hälfte des Jahres könnte die Teesparte von Unilever endgültig im Besitz der in Luxemburg beheimateten CVC sein. Ein Teil dieser Vereinbarung mit CVC wird sein, dass der Fonds vor möglichen künftigen Kosten für Klagen wegen der Behandlung von Arbeitnehmern während der Zeit, in der Unilever Eigentümer war, geschützt sein wird, sagen Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind. Das sei ein normaler Schritt bei der Ausgliederung von Geschäftsbereichen, heisst es.
«CVC hat ein tief verwurzeltes Engagement für Umwelt-, Sozial- und Governance-Fragen.»
Verzicht der Konkurrenz
CVC ist diesen Schritt gegangen – im Vergleich zu den Konkurrenten: Sowohl Advent als auch Carlyle stiegen aus dem Bieterverfahren aus. Advent schloss die Plantagen aus seinem Angebot für die Gruppe aus, das nach Angaben von zwei Personen, die mit der Angelegenheit vertraut sind, um mehr als 750 Millionen Euro unter dem Angebot von CVC lag. Carlyle stieg nur wenige Tage vor Ablauf der Angebotsfrist aus, wie die «FT» berichtet.
Die Führungskräfte von Advent seien besorgt über die Kosten und die Schwierigkeit, eine Belegschaft zu unterstützen, die für ihren Lebensunterhalt von der Plantage abhängig ist, und über das Potenzial für schlechte Schlagzeilen, falls die Dinge schief gehen sollten, so eine Person, die dem Private-Equity-Unternehmen nahe steht. Eine weitere Abschreckung sei die Sorge um das Gewaltpotenzial während der Wahlen im August gewesen.
CVC hat das Unternehmen nicht in erster Linie wegen seiner Plantagen gekauft, schreibt die «FT». Stattdessen sahen die Macher die Chance, eine bewährte Strategie zur Gewinnmaximierung anzuwenden – eine ungeliebte Einheit eines grossen Konglomerats auszugliedern, in der Hoffnung, dass sie allein eine höhere Bewertung erzielen würde