Der gesamte Verwaltungsrat der Adler Group bot am Samstag seinen Rücktritt an, nachdem der angeschlagene Vermieter für 2021 einen Verlust von 1,18 Milliarden Euro gemeldet hat und sein Wirtschaftsprüfer das Testat für den Abschluss verweigerte. Der Aktienkurs stürzte vorbörslich weiter dramatisch ab.
Der Verlust sei grösstenteils auf eine Abschreibung von Entwicklungsprojekten zurückzuführen, teilte Adler mit. Der Wirtschaftsprüfer KPMG will seine Unterschrift nicht unter den Geschäftsbericht setzen, weil Adler Informationen zurückgehalten hat. Stunden nach der Veröffentlichung der verspäteten Ergebnisse teilte das Unternehmen in einer separaten Erklärung mit, dass alle Mitglieder des Verwaltungsrats, die im vergangenen Jahr eine Funktion innehatten, ihren Rücktritt angeboten haben.
Der erst im Februar eingetretene Verwaltungsratsvorsitzende Stefan Kirsten bleibt allerdings im Unternehmen. Er will den Rücktritt von drei Mitgliedern - darunter einer der Co-Geschäftsführer - erst in zwei Monaten akzeptieren wird, um Kontinuität zu gewährleisten.
Erneute Wendung
Die dramatischen Ereignisse des Wochenendes geben der Adler-Saga erneute eine krasse Wendung. Erst vor wenigen Tagen hatte Adler Ergebnisse einer KPMG-Untersuchung zu Vorwürfen des Leerverkäufers Fraser Perring veröffentlicht, der nach kurzer Atempause einen weiteren Ausverkauf von Aktien und Anleihen der Firma auslöste, da er viele der Vorwürfe nicht entkräften konnte. Auf Tradegate handelten die Anteilsscheine um weitere 39 Prozent unter dem Xetra-Schlusskurs von Freitag.
Adler teilte mit, das Unternehmen strebe für 2022 wieder einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk an. Kirsten sagte, aktuell sei es «weitaus wichtiger» für Adler gewesen, die Ergebnisse bis zum Stichtag Ende April vorzulegen, als «langwierige Sonderprüfungen». Das Unternehmen werde den Dialog mit KPMG suchen, um zu klären, «wie diese Informationsdefizite ohne rechtliche Nachteile geheilt werden können».
«Wie ich bereits erwähnt hatte, wurden im Rahmen der Sonderuntersuchung Governance- und Compliance-Probleme festgestellt», so Kirsten. «Die Wirtschaftsprüfer haben dies - in ihrer Schärfe auch für mich überraschend - in ihrer heutigen Stellungnahme deutlich zum Ausdruck gebracht.»
Das Unternehmen nahm eine Goodwill-Abschreibung in Höhe von 1,08 Milliarden Euro vor, unter anderem in seinem Consus-Entwicklungsgeschäft. Es machte Inflation im Baugewerbe und Engpässe in der Lieferkette verantwortlich, die es gezwungen hatten, die Annahmen über die wahrscheinliche Rentabilität seiner Projekte zu revidieren.
KPMG weigerte sich, das Testat zu erteilen, weil Adler Korrespondenz über Geschäfte mit verbundenen Parteien zurückgehalten hatte, die ein Schwerpunkt der Betrugsvorwürfe von Perrings Firma Viceroy Research sind. Das bedeute, dass Wirtschaftsprüfer nicht beurteilen könnten, ob die Deals, für die Adler teils noch Geld schuldet, ordnungsgemäß bilanziert worden seien, so KPMG.
Keine gute Nachricht
Es verstehe sich von selbst, dass ein Versagungsvermerk «keine gute Nachricht» sei, so Kirsten. «Ein solcher Vermerk spiegelt ein hohes Mass an Misstrauen zwischen dem Unternehmen und den Wirtschaftsprüfern wider; aber noch einmal: Wir stehen vor einem Neuanfang, denn Adler hat meines Erachtens genügend Substanz. Unser bestehendes Portfolio ist grundsolide.»
Kirsten bat die zurückgetretenen Thilo Schmid, Thomas Zinnöcker und Co-CEO Thierry Beaudemoulin bis zur Hauptversammlung des Unternehmens am 29. Juni im Amt zu bleiben und sich dann zur Wiederwahl zu stellen. Ein neuer Finanzchef wird mit sofortiger Wirkung extern gesucht.
Im Mittelpunkt der Anschuldigungen von Viceroy standen Adlers Bewertungen sowie Geschäfte mit Firmen, die einigen Aktionären zuzurechnen sind, darunter die Familie des österreichischen Geschäftsmanns Cevdet Caner. Für einige dieser Geschäfte, die zum Teil Jahre zurückliegen, hat Adler noch Aussenstände. KPMG wollte sie in mindestens einem Fall abschreiben, was Adler bislang verweigert hatte. Nun räumte die Firma ein, dass das Risiko besteht, dass es 58,6 Millionen Euro nicht zurückerhält, die ihm der aserbaidschanische Investor Natig Ganijew für einen Deal aus 2017 noch schuldet.
Immo-Portfolio rund 10 Milliarden wert
Adlers Immobilienportfolio ist laut dem am Samstag publizierten Geschäftsbericht zum Jahresende 2021 noch mit 9,97 Milliarden Euro bewertet, gegenüber 11,7 Milliarden Euro ein Jahr zuvor, nachdem Verkäufe zum Schuldenabbau getätigt wurden. Die Beleihungsquote lag bei 50,9%, gegenüber 54,3% im Vorjahr. Adler verfügte zum Jahresende über 556 Millionen Euro an Liquidität.
Zum Hauptaktionär der Adler wurde in diesem Jahr der Konkurrent Vonovia SE, die 20,5% von der mit Adler verbundenen Aggregate Holdings SA im Wege der Pfandverwertung übernahm. Vonovia-Chef Rolf Buch bekräftigte auf der Hauptversammlung des Unternehmens am Freitag, dass eine Erhöhung des Anteils derzeit nicht möglich sei und stellte sogar einen Verkauf in den Raum.
(bloomberg/tdr)