Es ist das Mantra der Schweizer Wirtschaft: Die Internationalisierung der Produktion schreitet fort, im Osten locken aufstrebende Volkswirtschaften, wachsende Absatzmärkte, fleissige und vor allem genügsame Arbeitskräfte. Wer die Chance nicht packt, seine Wachstumsstrategie nicht danach ausrichtet, wird in der laufend komplexer und schneller agierenden ökonomischen Welt abgehängt. Eine neue Studie, die vom Beratungsunternehmen Arthur D. Little in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen (HSG) bei 124 Unternehmen durchgeführt wurde, zeigt einen unverändert hohen Trend zur Internationalisierung und Produktionsverlagerung: 82% der Unternehmen haben bereits Produktionsstandorte im Ausland. 78% der befragten Unternehmen werden diesen Weg weiter beschreiten oder neu in Angriff nehmen. Beobachter sprechen bereits vom «Me-too-Effekt»: Unternehmen, die bloss dem Trend zu Kostensenkungen folgen, statt einer ausgereiften Strategie.

Rückverlagerungen aus Westeuropa*

Viel Geld kostet nicht nur die Produktionsverlagerung. Sie zieht weitere Kosten nach sich, die in Zeiten einer Unternehmenskrise nicht gedeckt werden können. Andere Studien, wie jene der Hochschule für Wirtschaft in Luzern (siehe «HandelsZeitung» Nr. 24 vom 15. Juni 2005) kamen zum überraschenden Befund, dass jedes vierte internationalisierte Unternehmen Teile seiner Produktion wieder in die Schweiz zurückholt. Die jüngste Studie kann dies nicht belegen. «Rückverlagerungen sind Ausnahmen, erfolgen meist aus Westeuropa in die Schweiz und werden mit Überkapazitäten begründet», sagt Serge Niederkorn von Arthur D. Little. Andere Gründe liegen in der verfehlten Strategie: Die Markterschliessung gelang nicht, die Kosten wurden unterschätzt, die Managementkapazitäten reichten nicht aus, der Know-how-Transfer misslang, die Qualität blieb ungenügend, die Logistik funktionierte nicht. Es sei klar, dass Unternehmen über solche Fehlschläge lieber schwiegen, so Niederkorn.

Offen spricht Anton Lauber, CEO des Luzerner Elektrokomponentenherstellers Schurter. Im Zusammenhang mit einer Übernahme in den USA sei es in der Vergangenheit zu einer Produktionsrückverlagerung in die Schweiz gekommen, sagt er. «Aus Britannien haben wir Anlagen nach Luzern zurückverlagert. Dort wurden die Prozesse optimiert, dann haben wir wieder ausgelagert», so Lauber.

*Zunächst höhere Ausgaben*

«Fast alle Unternehmen, die in der ersten Verlagerungswelle dabei waren, haben Lehrgeld bezahlt», sagt er und nennt ABB, Logitech, Bühler und Schindler als Beispiele. Auch zu diesem Thema schweigen die Unternehmen lieber. Schindler-Sprecher Riccardo Biffi bestätigt nur, der Aufbau von neuen Produktionsstandorten sei bezüglich Qualitätssicherung und Know-how-Management immer eine Herausforderung. Fehlentscheide können sich als Bumerang mit hohen Kostenfolgen entpuppen. Niederkorn und die HSG errechneten, dass Unternehmen, die ihre Fertigung internationalisieren, durchschnittlich 6,7% der dort anfallenden Kosten einsparen. Dem gegenüber stehen 7% höhere Kosten in der Qualitätssicherung, 5,4% im Wissensmanagement, 4,6% in der Logistik und 3,9% für Management-Prozesse. «Die Zusatzkosten können höher sein als die anfänglichen Ersparnisse», so Niederkorn.

*Wenn auslagern, dann richtig*

Schurter-CEO Lauber räumt ein, die Kostenziele bei den erfolgten Auslagerungen nach Osteuropa, China und Indien teilweise viel später erreicht zu haben als geplant. «Bis es sich wirklich lohnt, muss man zwei Jahre lang an den Prozessen feilen», sagt er. Wer wirklich von Produktionsverlagerungen profitieren will, muss den Schritt ins Ausland konsequent machen. In der Studie gaben 88% der Unternehmen an, Rohmaterialien und Vorprodukte noch in der Schweiz zu beschaffen. Werden diese am Produktionsort beschafft, können enorme Kosten gespart werden. Unaxis ist auf den jüngsten Trendzug aufgesprungen. Der kriselnde und in Asien stark vertretene Technologiekonzern ist daran, Einkauf und Lagerung von Vorprodukten zu reorganisieren. Das Sparpotenzial beläuft sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

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