«The performance company» nannte sich Publicitas jahrelang in lockerer Unbescheidenheit. Doch vom selbstbewussten Auftritt ist nichts übrig geblieben. «P», wie sie in der Medien-Branche einst respektvoll genannt wurde, hat gemäss Branchenportel «Klein Report» Konkurs angemeldet. Diese Anmeldung muss nun vom Gericht formal noch abgesegnet werden. Damit ist Publicitas faktisch am Ende. 

Der erste Sargnagel war eingeschlagen, als das Verlagshaus Tamedia per Communiqué die Geschäftsbeziehung aufkündigte – wegen «zunehmender Zahlungsausstände seitens Publicitas», wie es in der Medienmeldung heisst, die am 25. April auch auf den Tisch des verdutzten «P»-Managements flatterte. Diese Klatsche - dem Geschäftspartner die Debitorenausstände öffentlich vorzurechnen - hat in der Schweizer Wirtschaftswelt Seltenheitswert. «Nicht die feine Kaufmannsart», sagt ein Verleger. Durch ein weiteres Zuwarten hätte sich die Situation höchstens verschlimmert, sagt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer.

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Nach diesem Schuss zogen die anderen Grossverlage subito nach, darunter NZZ Mediengruppe, AZ Medien sowie Ringier (Mitverlegerin der «Handelszeitung»). Damit stand die Werbevermarkterin mit ihren 270 Mitarbeitern an der Wand. In den Verlagszentralen zwischen St. Gallen und Genf brüteten derweilen Strategen, Controller und Juristen, wie das finanzielle Schlamassel nach dem Publicitas-Aus überwunden werden kann. Auf dem Spiel stehen rund 20 Millionen Franken, so hoch soll die Summe sein, die bei 60 Verlagen ausstehend ist. Betroffen sind vor allem Kleinverlage, die über zwei Drittel des P-Umsatzes ausmachten. 

Sanierungsplan nicht angenommen

In höchster Not hatte das Publicitas-Management den Verlegern einen Sanierungsplan präsentiert, der einen happigen Schuldenschnitt vorsah und eine Zwangsbeteiligung, damit der Firma frisches Kapital zufliessen würde. Doch das Projekt «Publicitas Reloaded» kam nie in die Gänge. Die Verlegerschaft bereiten sich derweil auf harte Zeiten vor.

Diverse ärgern sich, dass ausgerechnet Tamedia mit Verleger-Präsident Pietro Supino an der Spitze den Werbevermarkter per Medienmitteliung zum Abschuss freigab. Noch mehr aber nervt, dass Tamedia bereits im Sommer 2016 mit «P» einen Vertrag abschloss, der dem Verlagshaus eine exklusive Forderungsabtretung garantierte. Konkret: Tamedia konnte alle Forderungen, die sie bei Publicitas hat, bei deren Kunden direkt einfordern. Und auch im Konkursfall geniesst Tamedia dank der Sonderregelung grössere Schutzrechte als die übrigen Verlage

Abtretung an Tamedia

Letztes Jahr noch wollte Publicitas die lästige Forderungsabtretung-Klausel aus dem Vertragswerk kippen. Doch Tamedia, umsatzmässig wichtigster Publicitas-Kunde, drohte mit sofortigem Geschäftsabbruch. Publicitas-Kommunikationschefin Elisabeth Aubonney: «Die Abtretung an Tamedia war eine Bedingung für die Fortführung der Zusammenarbeit.» Wenig Monate später zog Tamedia gleichwohl den Stecker. Weil die Ausstände ab 2018 zugenommen hätten und eine Verbesserung nicht absehbar war, wie es heisst.

Klage von Ringier

Nach dem angekündigten Publicitas-Aus riecht es schwer nach Juristenfutter. «Jetzt droht eine Schlacht um Rechte und Pflichten», meint ein Akteur. Tatsächlich sind sämtliche Verlagshäuser intern längst am Abklären, wie sie beim Publicitas-Kollaps halbwegs unbeschadet über die Runden kämen. Abgeklärt wird wohl auch, ob Tamedias Sonder-Deal im Forderungsstreit angefochten werden kann. Es wäre mehr als pikant, wenn Schweizer Verleger ausgerechnet gegen das Haus des Verbandspräsidenten losgingen. 

Ein erster Krach scheint unvermeidlich: Das Verlagshaus Ringier hat Klage gegen die Luxemburger Finanzgesellschaft Thalos eingereicht, weil sie sich – ähnlich wie Tamedia – eine Abtretungsvereinbarung zusichern liess. Die Klageeinreichung wird von Alexander Theobald, COO Schweiz von Ringier, bestätigt.  In diesem Fall geht es um eine Garantie für einen Restrukturierungskredit, den man Publicitas noch diesen Februar über 15 Millionen gewährte. Nun sollen Richter darüber befinden, ob Thalos ihre Forderungen vor jenen von Ringier und anderen Verlagshäusern durchsetzen kann.

Dass der Werbevermarkter unter Zahlungsschwierigkeiten leidet, ist den wenigsten Verlegern entgangen. Grossverlage haben deshalb bereits ab Mitte 2017 die Höhe der Ausstände ausgetauscht und das Szenario einer Publicitas-Insolvenz durchgespielt. Angedacht war eine Auffanggesellschaft, die im Notfall aufgestartet wird – eine Abwicklungsplattform, die im Worst Case möglichst schnell fürs Administrative verfügbar wäre. Die neue Firma, die in den nächsten Tagen stehen soll, wird derzeit von den Verlagshäusern Tamedia, NZZ, AZ Medien, Corriere del Ticino und vom Schweizer Verlegerverband getragen.

Ob sich neben diesen fünf Partnern weiter Verlagshäuser beteiligen, ist offen. Der Grossverlag Ringier gehört aktuell nicht dazu. Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer: «Die Gespräche fanden in einem ersten Schritt mit den Verlagen statt, die bei Print-Werbung in klassischen Tageszeitungen besonders zentral sind.» Vergessen ging bei soviel Machtspiel offenkundig, dass auch Ringier noch ein paar «klassische Tageszeitungen» - etwa «Blick» oder «Le Temps» - im Portfolio hat. 

Die Dienstleistungen dieser neuen Abwicklungsplattform sollen nach dem Publicitas-Aus allen Schweizer Verlegern zur Verfügung stehen. Federführend ist ist Jürg Weber, GL-Mitglied bei der NZZ. Sein Kommentar: «Der neue Service wird jeder nutzen können, keiner muss.»