Wanderschuhe von Raichle haben eine lange Tradition. Der klingende Name vermochte den einstigen Schuhproduzenten aus Kreuzlingen aber nicht vor dem Sturz in die Verlustzone zu bewahren. Dabei wollte die österreichische Kneissl-Dachstein-Gruppe Mitte der 90er Jahre alles besser machen. Sie kaufte die attraktive Marke aus der konkursiten Raichle Sportschuh AG, die zuletzt von der Vorzeige-Managerin Beatrice Wehrhahn ins Unglück gestossen wurde. Eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen blieb den Österreichern aber verwehrt. Laufend wechselnde Köpfe an der Spitze brachten den Schuhhersteller nur noch mehr in die Schieflage.

Unter den Fittichen der börsenkotierten Conzzeta hat seit dem letzten Frühling ein neues Kapitel für Raichle begonnen. Der Mischkonzern mit Hauptaktionär Jacob Schmidheiny brachte die Marke wieder in Schweizer Besitz. Rolf G. Schmid gibt sich als Leiter der Sparte Sportartikel für die weitere Entwicklung optimistisch: «Über Margenverbesserungen bringen wir Raichle in die Gewinnzone.»

*Mehrmarken-Strategie*

Mit der Bergsportmarke Mammut, die vor zwanzig Jahren übernommen wurde, ist die im aargauischen Seon domizilierte Gruppe bereits kräftig gewachsen. Ursprünglich waren es vor allem Kletterseile. Später kaufte sich das Unternehmen bei einem Rucksackproduzenten ein und begann mit der Herstellung von Bekleidung für den Wetterschutz. Die Windjacken und Vliesleibchen mit dem Signet des gehörnten Mammuts fanden reissenden Absatz. Seit Mitte der 90er Jahre haben sich die Verkäufe auf knapp 100 Mio Fr. vervierfacht.

Mit der Single-Brand-Strategie stiessen die Manager aber rasch einmal an Grenzen. Also wurde zugekauft, zunächst der norwegische Schlafsackspezialist Ajungilak und später Toko. Mammut-Chef Schmid fehlten noch die Schuhe im Sortiment «Wir konnten aber unter dieser Marke nicht beliebig in andere Bereiche expandieren.» Darum entschied er sich im letzten Frühling für Raichle. Die Wanderschuhe sollen den Sportartikelproduzenten in neue Höhen bringen. Mit der gewählten Mehrmarken-Strategie strebt die Conzzeta-Tochter eine bessere Durchdringung der Märkte an. Für Professor Torsten Tomczak, Direktor am Institut für Marketing und Handel der Universität St.Gallen, ist dies ein verheissungsvoller Ansatz: «Unter dem Dach von Mammut gibt es für Raichle beträchtliche Synergien.» Der Marketingexperte billigt dem Schuhhersteller trotz des zwischenzeitlichen Absturzes eine hohe Substanz zu.

Conzetta hat die Markenrechte und den Kundenstamm von Raichle erworben. Herzstück ist das Technologiezentrum in Frauenfeld, wo Fachkräfte in der Schuhentwicklung und beim Design die Marke neu positionieren sollen. Zwei Drittel vom 20-Mio-Fr.-Jahresumsatz entfallen auf die Berg- und Wanderschuhe. Mit Ski- und Snowboardschuhen will sich Schmid nicht mehr exponieren. Bereits unter den früheren Eignern wurde diese Sparte redimensioniert und nun ganz aufgegeben. Dafür wird jetzt versucht, über den Sporthandel auch die multifunktionalen Schuhe zu forcieren. Das soll allerdings ein Randbereich bleiben. «Wir wollen uns nicht mit Nike oder Adidas duellieren.» Schmid hat ambitiöse Ziele. Im laufenden Jahr rechnet er mit einem Zuwachs von mindestens 10%, und auch in Zukunft werden zweistellige Wachstumsraten angestrebt.

*Synergien mit Toko-Wax*

Beim Vertrieb von Raichle-Schuhen wird auf die Kombination mit dem Skiwachshersteller Toko gesetzt, der in fünfzig Ländern vertreten ist. Das Verkaufspersonal kann sich dabei in der Sommersaison schwergewichtig auf die Marke Raichle ausrichten und im Winter die Konsumentenprodukte von Toko betreuen. Im Outdoor-Markt liegen die Schweiz, Deutschland und Österreich vorne. Gute Absatzchancen bestehen zudem in Nordamerika und neuerdings in Japan und Korea.

Soll Raichle zum früheren Markenimage zurückkehren, muss Mammut-Chef Schmid nicht nur die bestehenden Vertriebsschienen optimal nutzen, sondern auch mit Innovationen glänzen. Zu lange hielten die bisherigen Besitzer der Traditionsmarke am Produktionsstandort Schweiz fest. Bis vor drei Jahren wurden gewisse Kunststoffelemente für die Sportschuhe noch in Kreuzlingen hergestellt. Diese Mischform zwischen in- und ausländischer Fertigung sorgte dafür, dass Raichle mit einer zu hohen Kostenstruktur in die roten Zahlen rutschte. Damit ist nun Schluss. Sämtliche Schuhe entstehen in Norditalien, Rumänien oder im fernen China und Korea. Die Produktion in den Billiglohnländern ist ein erster Schritt. Schmid will Raichle im Verbund mit Mammut zu einem höherwertigen Image verhelfen. Sind die Bergschuhe aus der Schweiz als Premium-Marke verankert, fällt auch eine grössere Marge ab. Als gewichtigsten Widersacher stuft Raichle-Chef den italienischen Wanderschuhhersteller Lowa ein. Diese Marke gehört zur Tecnica-Gruppe, die mit den Produkten von Nordica ebenfalls eine Multibrand-Strategie fährt. Der Verdrängungskampf unter den Sportschuhen geht in eine neue Runde. Mit der finanzstarken Conzzeta im Rücken hat Raichle gute Karten.

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