Sollten uns diese Zahlen nicht zu denken geben? Die Raiffeisen-Gruppe hat ihren Fussabdruck im Hypothekenmarkt weiter vergrössert, die Kreditsumme stieg letztes Jahr um 7 Milliarden auf 180 Milliarden Franken. Damit war der Anstieg noch steiler als 2017. Wie die neuste Bankenstatistik der Nationalbank dazu verrät, vergrösserten bloss noch die Kantonalbanken ihr Hypogeschäft in ähnlichem Mass, zumindest halbwegs, während es bei den Grossbanken eher stagnierte.
Die Genossenschafter haben damit ihr Hypothekarvolumen seit der Finanzkrise 2008 fast verdoppelt. Heute stammt jeder sechste Hauskredit-Franken im Land von Raiffeisen. Dies heisst auch: Das Wohlergehen der Bankengruppe hängt stärker denn vom Immobilienmarkt ab denn je.
Der Grösste läuft vorne mit
Nun warnt das Direktorium der Nationalbank ja schon seit Jahren, dass sich im Hypothekarwesen ein systemisches Problem aufbaut. Die Inlandsbanken leben zu über zwei Dritteln vom Zinsgeschäft, doch dort lässt sich in Zeiten der Mikrozinsen kaum noch etwas verdienen. Also blasen die Institute das Volumen auf, also ersetzen sie die fehlenden Prozentsätze durch die schiere Menge der Hypothekarkredite.
Und Raiffeisen, die Grösste im Stall, läuft in diesem Rennen vorne mit.
Zwei Szenarien erscheinen nun besonders wahrscheinlich, nämlich erstens: Es geht noch eine schöne Weile so weiter. Die Ära der negativen Leitzinsen und der miesen Zinserträge für die Banken hält an – noch über 2020 hinaus. Und so lange bleiben die Bankenchefs versucht, nach weiteren Hypothekarkunden zu fahnden und dabei die Grenzen dessen zu testen, was die Bankenaufsicht Finma erlaubt.
Damit müssten wir – zweitens – eine ebenso schöne Weile weiterleben mit der Sorge, dass später dann, nach einer Zinswende, eine Immobilienblase platzt und jene Banken bedroht, die hier am kräftigsten gewachsen sind.
Subprimekrise, Immobilienkrise
Diesen Ablauf haben wir in der Wirtschaftsgeschichte mehrfach erlebt, spektakulär bei der Subprimekrise nach 2007, für die Schweiz besonders einschneidend in der Immobilienkrise der 1990er Jahre. Dennoch: Es muss nicht so krass kommen. Erstens ist der Häusermarkt heute viel weniger spekulativ, zweitens müssen die Banken ihren Kunden höhere Tragbarkeitsanforderungen stellen, drittens ist der Anteil der Fix-Hypotheken massiv gestiegen. Wenn die Zinsen dann einmal steigen, bleibt also noch eine gewisse Bremsstrecke.
Es wäre also zu simpel, Raiffeisen zu rüffeln, weil sie weiter Hypotheken bolzt. Die jetzt veröffentlichten Jahreszahlen zeigen nämlich auch: Während die Gruppe im Zinsgeschäft ausbaute, war ihre Bilanzsumme leicht rückgängig. Da spiegelt sich diskret der Ausstieg aus allerlei Abenteuern der Ära Pierin Vincenz.
Und immerhin wurde letztes Jahr dauernd gefordert, dass sich Raiffeisen besinnt auf das, was eine klassische Bank macht – nämlich auf der einen Seite Geld zu leihen, um es auf der anderen Seite leicht höher zu verleihen.
Entscheidend wird dabei eines: nämlich wie sehr die einzelnen Raiffeisenbanken ihre Risikoregionen im Immobilien-Markt kennen und erkennen. Hier wird sich dereinst zeigen, ob die Gruppe mit ihrer Struktur besser gewappnet ist – oder doch nicht.