Ralph Hamers (58) geniesst das Sommerende in seiner Wahlheimat Zug. Nur eine Angelegenheit dürfte seine Stimmung trüben: In den Niederlanden hat die Staatsanwaltschaft in einer Frage noch immer nicht entschieden, ob sie gegen Hamers klagen will. Doch nun kommt Bewegung in den Fall, wie Recherchen zeigen. Die Staatsanwaltschaft will bis Ende Jahr entscheiden, ob sie den Niederländer ins Visier nehmen will oder nicht. Noch ist nichts entschieden, doch Hamers hat gute Karten.
Auslöser des Streits ist der Aktionärsaktivist Pieter Lakeman. Er bekämpft einen Deal zwischen der Staatsanwaltschaft und der ING Group, die Hamers von 2013 bis 2020 leitete; gleichzeitig verlangte er vor dem Appellationsgericht, dass gegen Hamers eine Strafuntersuchung eingeleitet werde, zumal er als oberster Bankchef die Hauptverantwortung für tadelloses Banking trage. Die Strafuntersuchung, die unter dem Codenamen «Houston» lief, hatte zuvor grobe Mängel in der Compliance der Bankengruppe aufgedeckt. Von «dysfunktionalen internen Kontrollen» ist die Rede, von fehlendem Fachpersonal und einer Attitüde, die von «Business over Compliance» geprägt war. So seien Hunderte von Millionen Euro gewaschen worden, ohne dass die internen Kontrollen griffen. Kurzum: Die Bank hatte gegen Geldwäschereivorschriften verstossen und ihre Kontrollaufgaben vernachlässigt. In einem Settlement, das ING-Group-Chef Hamers unterschrieb, zahlte die Bank 775 Millionen, wobei allein die Busse 675 Millionen betrug.