Graue Aktenordner voller vergilbter Papiere, mit Staub überzogenes Mobiliar aus den Vorkriegsjahren und ein griesgrämiger Beamter, der vor sich hindöst so etwa stellt man sich eine typische Beamtenstube vor. «Als ich kürzlich einen Besucher aus der Privatwirtschaft bei mir im Büro hatte, war der ziemlich erstaunt», sagt Raymond Cron, der neue Chef des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL), «das sehe ja aus wie in einem ganz normalen Büro.»
Nicht nur das Interieur der Büros ist ähnlich wie in der Privatwirtschaft. Es gehe auch im BAZL genauso intensiv zu und her wie woanders auch, sagt Raymond Cron, der das eigentlich wissen muss, da er zuvor in führenden Stellungen in der Privatwirtschaft tätig war. Der Hauptunterschied seien die Rahmenbedingungen. «Wir müssen keinen Gewinn machen, sondern Kosten und Einnahmen einhalten. Und wir stehen unter keinem Akquisitionsdruck.»
Dafür umso mehr in der öffentlichen Wahrnehmung, was für Cron als ehemaliger Basler Grossrat allerdings nicht gänzlich neu ist. «Wer nicht gerne exponiert ist und in seiner Denkkammer komplizierte Studien ausführen will, würde mit dieser Aufgabe kaum glücklich. Aber ich wusste sehr wohl, worauf ich mich einliess.»
Druck auf der Zeitachse
Als Raymond Cron am 1. Mai 2004 sein Amt antrat, musste er sich in die Aviatik einarbeiten, das Tagesgeschäft erledigen und zugleich das BAZL reorganisieren. Sinnvoll sei es gewesen, dass dabei ein gewisser Druck auf der Zeitachse bestand, «denn sonst verläuft eine Reorganisation schnell einmal im Sand».
Ausgangspunkt dieser Reorganisation war ein holländischer Expertenbericht, den Bundesrat Leuenberger im Sommer 2003 präsentierte. Darin wurde der erwünschte Sicherheitsstandard - Motto: «Safety first» - definiert.
Während früher die einzelnen Abteilungen relativ autonom handelten, die Abstimmung zwischen den Abteilungen teilweise gering war und oftmals eine einheitliche Doktrin fehlte, so sind die Strukturen nun vereinheitlicht worden - das ist besonders dann vorteilhaft, wenn es um politische Fragen geht.
Drei Abteilungen kümmern sich um Sicherheit, während eine vierte die Rahmenbedingungen für die Schweizer Zivilluftfahrt entwickelt. Ende Juni 2005 soll der Reorganisationsprozess abgeschlossen und das neue prozessorientierte Führungssystem vollständig implementiert sein. Früher war das Amt bottom-up, nun ist es top-down gesteuert. Raymond Cron spricht diesbezüglich von einem «kulturellen Wandel».
So ein Wandel hin zu transparenten Abläufen könne nicht von heute auf morgen realisiert werden, sagt Cron. Es dauere eine Weile, bis sich das neue System wirklich in den Köpfen und Herzen der Menschen verankere. Er müsse ziehen und zugleich stossen. «Ich muss die Menschen von den Vorteilen der neuen Methoden überzeugen. Eine Reorganisation, die nur von oben oder von externen Beratern gestossen wird, ist zum Scheitern verurteilt.»
Eher ein analytischer Typ
Als Vorteil erwies sich, dass bei Crons Arbeitsbeginn alle wussten, dass das Amt umgebaut würde. Und vor allem: Dass 60 neue Stellen geschaffen würden. Dies sind natürlich bessere News, als wenn 60 Stellen abgebaut werden. Trotzdem mussten einige Mitarbeiter ihre Führungspositionen aufgeben, was für eine gewisse Verunsicherung sorgte. «Ich konnte das Führungsteam gänzlich neu zusammenstellen, was sich nun als sehr positiv erweist», meint Cron. Dabei lautete ein Grundsatzentscheid, dass alle Kaderpositionen ausgeschrieben wurden. Folglich hatte Cron im vergangenen Sommer innerhalb von wenigen Wochen mehr als 60 Interviews zu führen. Auf Stufe der Sektionschefs war er mindestens beim letzten Gespräch vor der Anstellung dabei.
Wie hat sich Cron, der zuvor in der Baubranche tätig war, in die neue Materie eingearbeitet? «Meine Kernkompetenz besteht darin, anspruchsvolle Organisationen in schwierigen Umfeldern zu führen. Diese Aufgabe ist nicht neu für mich. Aber natürlich musste ich mich ins Tagesgeschäft einarbeiten.» Und wenn es um Fachthemen gehe, dann habe er ohne Scheu gefragt. Als Ingenieur sind ihm technische Fragen nicht ganz fremd.
Wo machte er seine ersten Führungserfahrungen? «Bei den Pfadfindern, dann im Militär.» Schliesslich kam Cron beruflich relativ schnell in Führungspositionen. «Führen bedeutet entscheiden. Ich bin diesbezüglich ein analytischer Typ. Aber manche Entscheide haben auch Bauchkomponenten. Gerade dann, wenn es um personelle Konstellationen geht etwa um Anstellungen von neuen Mitarbeitern.»
In führungstechnischen Fragen seien die Unterschiede zwischen der Privatwirtschaft und einer Behörde geringer, als man annehme. Beim Personal beispielsweise muss Raymond Cron sich im Rahmen des Bundespersonalgesetzes bewegen, während dies in der Privatwirtschaft durch das Obligationenrecht oder einen Gesamtarbeitsvertrag geregelt wird. Führungserfahrung, politisches Interesse, Kommunikationsfähigkeit und keine Probleme mit Exponiertheit dies seien sinnvolle Voraussetzungen für einen solchen Job. Das BAZL ist heute wesentlich medienpräsenter als vor zehn Jahren, was auch daran liegt, dass es sich intensiv mit aktuellen Themen beschäftigt etwa mit den Südanflügen auf Zürich.
Leuenberger als Chef
Raymond Cron führt 230 Mitarbeitende im BAZL. Da das Amt die Schweizer Interessen international vertreten soll, müssen immer wieder einzelne Mitarbeiter bei Arbeitsgruppen im Ausland teilnehmen. «Diese Leute fehlen uns dann», meint Cron. «Daher müssen wir immer gut koordinieren.»
Sein Chef ist Moritz Leuenberger, zu dem er ein gutes und konstruktives Verhältnis habe. «Der Departementschef hat die Grundzüge der Reorganisation abgesegnet. Bei der eigentlichen Umsetzung war und bin ich relativ frei, solange ich die relevanten Vorgaben einhalte.»
«Aufgrund der Reorganisation nimmt man die Amtsleitung intern stärker wahr als früher», sagt Cron.
Hat die neue Kultur auch etwas mit seiner Person zu tun? «Natürlich prägt ein Chef eine Organisation auf allen Stufen. Aber ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, dass die neue Kultur im BAZL ausschliesslich von mir abhängt.» Was hat sich denn primär verändert? «Wir sind präsenter geworden, nicht nur physisch, sondern weil die Prozesse transparenter definiert sind.» Was würde er jemandem raten, der eine Kaderposition beim Bund einnehmen könnte? «Das ist ganz einfach: Just do it!»
Raymond Crons
Führungsgrundsätze
1. Führen heisst, vorleben, was man verlangt.
2. Führen heisst, Ziele setzen und entscheiden.
3. Führen heisst, transparent, berechenbar und fair agieren.
Zur Person
Raymond Cron kam am 23. Februar 1959 in Basel zur Welt. Er absolvierte an der Zürcher ETH die Ausbildung zum diplomierten Bauingenieur und ergänzte diese mit technischen Betriebswirtschaften. 1984 begann er in einer Zürcher Baufirma zu arbeiten, fünf Jahre später war er in leitender Stellung tätig. Vor seinem Antritt als Direktor des BAZL war er Mitglied der Batigroup-Gruppenleitung. Nebenberuflich war er im Vorstand des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes und Mitglied im Grossen Rat in Basel-Stadt. Cron ist verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt in Binningen in Basel-Land und pendelt täglich nach Bern mit dem Zug.
Hochsensible Schnittstelle
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt: Das BAZL ist die Aufsichtsbehörde der Schweizer Zivilluftfahrt. Das Motto der drei für die Sicherheit zuständigen Bereiche lautet «Safety first», womit die Sicherheit gegenüber ökonomischen Belangen vorrangig behandelt wird. Zugleich entwickelt das BAZL als luftfahrtspolitische Fachbehörde die Rahmenbedingungen der Schweizer Zivilluftfahrt. Denn die Zivilluftfahrt ist etwas Überstaatliches und Grenzenloses, was bedeutet, dass das BAZL die Position der Schweiz in internationalen Organisationen vertreten muss. Während der Luftverkehr eine Angelegenheit des Marktes ist, soll der Bund bei Infrastruktur und Flughäfen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen entwickeln. Das BAZL befindet sich also in einer hochsensiblen Schnittstelle zwischen Markt, Bund und Öffentlichkeit.