Noch steht das wichtige Weihnachtsgeschäft aus, doch schon ist klar: Die Elektronikbranche kämpft mit Umsatzproblemen. Deutlich besser aufgelegt sind jene, die sich um ausrangierte Staubsauger, PC und TV-Geräte kümmern. Im laufenden Jahr werden rekordhohe Tonnagen dieser Geräte verschrottet. Statt wie in den letzten Jahren um 38000 t werden es bis zum Jahresende rund 65000 t sein.

Der Dünger für den Recyclingboom ist das weltweit einzigartige System der vorgezogenen Entsorgungsgebühr (VREG), das in der Schweiz die Finanzierung der Entsorgung schon beim Kauf erledigt. 12,3 Mio Fr. kamen letztes Jahr auf diese Art und Weise bei der Stiftung Entsorgung Schweiz (Sens) zusammen, die den Zuschlag für das Management von Haushaltgeräten und Kühlapparaten erhalten hat. «Im laufenden Jahr haben wir einen dreimal so grossen Umsatz von 36 Mio Fr. budgetiert», erklärt Sens-Geschäftsführer Robert Hediger. Weil seit Anfang 2003 auch Haushaltgeräte und Kühlschränke über dieses Verfahren laufen, haben Einnahmen und Schrottanfall beim von der Sens kontrollierten Segment explosionsartig zugenommen.

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Rekorde beim Rücklauf

Auch der zweite Kassenwart im Elektro-Entsorgungsbusiness, der für EDV und Unterhaltungselektronik zuständige Bürofachverband Swico, kann Rekorde vermelden. Hatte er 2002 noch satte 28,4 Mio Fr. an seine fünfzehn Vertragspartner ausbezahlt, müssen es dieses Jahr deutlich mehr sein. Der Rücklauf an PC-Schrott dürfte gegenüber dem Vorjahr um über 10% auf 30 000 t schnellen. Weil bei stagnierenden Neu-Verkäufen auch die Einnahmen aus der VREG stabil bleiben, musste der Swico 2002 ein Defizit von 5 Mio Fr. schlucken. Als Reaktion führte der Swico per Anfang Oktober einen Obolus auch für Geräte zwischen 50 und 250 Fr. ein.

Doch woher stammt die Schrottflut? «Wenn weniger verkauft wird, heisst das in unserer Branche noch nicht, dass auch weniger entsorgt wird», erklärt Peter Bornand, Vorsitzender der Swico-Umweltkommission. Sei ein PC nach vier Jahren überholt, werde er zwar ausgewechselt, stehe aber offenbar noch weitere vier Jahre herum. Diese Verweilzeit führt dazu, dass die Recycler auch in der Rezession alle Hände voll zu tun haben.

Wie viel genau die Verwerter am Verkauf ihrer Wertstoffe verdienen und wie hoch der VREG-Anteil ist, bleibt allerdings Geschäftsgeheimnis. Laut Swico generiert die Branche 40 bis 50% aus dem Verkauf von Metallschrott. Hinter vorgehaltener Hand geben Insider aber zu, dass der Beitrag durch Schrottverkäufe «verschwindend klein» sei, die Verwerter also vor allem vom Gebührentopf leben. Dass die Geldverwalter den Verwertern ihre Arbeit vergolden, lässt Bornand nicht gelten. Er verweist auf die Neuausschreibung der Aufträge alle zwei Jahre. Die wachsenden Mengen haben darüber hinaus zu Investitionen und damit zu mehr Effizienz geführt mit dem Effekt, dass der Swico heute pro Kilo Schrott nur noch rund ein Drittel des Preises zahlt wie vor zehn Jahren.

Kapazitäten verdoppeln

Zwar gibt es gegen 20 relevante Verwerter, doch eine Marktkonzentration ist deutlich. So ist die Kühlteg AG in Rothrist die mit Abstand wichtigste Abnehmerin ausrangierter Kühlschränke und Gefriertruhen. Das Unternehmen, an dem die Entsorger Flückiger AG (Rothrist), Immark AG (Regensdorf) und Thommen AG (Kaiseraugst) beteiligt sind, ging vor gut einem Jahr in Betrieb und erreichte schon bald seine Kapazitätsgrenze. «Der Entscheid für einen Ersatz mit doppelt so hohem Durchlauf ist gefallen», bestätigt Lino Burkard, bei der Flückiger AG zuständig für die Kühlgeräteentsorgung. Geht alles nach Plan, wird die neue Entsorgungsanlage im Frühling 2004 ihren Betrieb aufnehmen und jährlich rund 2 Mio Geräte im Einschichtbetrieb verwerten. Eine Expansion ins Ausland ist bei der Kühlteg derzeit kein Thema. Trotzdem sucht Burkard internationale Kontakte: Die jetzt laufende Anlage soll abgebaut und verkauft werden, nicht zum Schrottwert, sondern an einen Recycler, der weit genug entfernt arbeitet, um die Kühlteg nicht zu konkurrenzieren.

Aufgestockt hat auch der Verwertungs-Marktleader, die in einer Holding zusammengefassten Firmen Immark und Drisa. Die Kapazität der im Januar 2002 in Betrieb genommenen Recyclinganlage in Regensdorf wurde von 15000 Jahrestonnen auf 22000 erhöht ein Drittel des hier zu Lande gesammelten Materials landet somit im Immark-Schredder. Expansionsmöglichkeiten sieht Geschäftsführer Rolf Jeker im Ausland, denn man habe nicht nur die Technologie, sondern auch gute Drähte zu den Geräteherstellern und Absatz für die Wertstoffe.

Nicht ganz so euphorisch ist man bei der Thommen AG in Kaiseraugst. Im Bereich Elektroschrott-Recycling arbeitet rund ein Fünftel der 60-köpfigen Belegschaft. «Man spürt, dass weniger konsumiert und deshalb entsorgt wird», gibt Andreas Heller, Geschäftsführer der Ceren AG (eine Tochterfirma) und Leiter Elektronikschrott bei der Thommen, zu bedenken. Immerhin hat auch Heller eine deutliche Zunahme von ausrangierten Haushaltgeräten registriert. Nicht nur in der Schweiz kann man wachsen, weiss Heller: «Je nachdem, wie sich die EU-Verordnung entwickelt, wäre ein neues Betätigungsfeld im Bereich Recycling von Elektroschrott im grenznahen Ausland durchaus denkbar.»

Zwar sind die Schweizer stark im Know-how, doch Ausruhen gilt nicht, mahnt der Branchenexperte und Inhaber der Consultingfirma Air Mercury, Roger Burri: «China und Indien haben eine weit entwickelte Verwertungsindustrie, die in Sachen Umwelt- und Arbeitnehmerschutz stark zugelegt hat.»

Herausforderung Kunststoff

Eine andere Herausforderung ist die Tatsache, dass ein Drittel des Schrotts Kunststoff ist, der heute noch verbrannt oder deponiert wird hier muss sich die chemische Industrie etwas einfallen lassen. Denn die Europäische Elektronikschrott-Richtlinie fordert hohe stoffliche Verwertungsquoten. «Wir üben zwar keinen Druck auf die Schweizer Verwerter aus, doch wenn die EU mit den Vorgaben ernst macht, muss sich auch die Schweizer Branche darum kümmern», sagt Mathias Tellenbach vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal). Auch in der EU ist allerdings einiges noch unklar. So wird diskutiert, ob «werkstoffliche Verwertung» auch die Verbrennung in Hochöfen erlaubt. Tellenbach: «In jedem Fall hält die Schweiz an ihrer Devise fest, dass die Güte einer Verwertung sich an der damit verbundenen Umweltbelastung misst.»