Es war ein Sprung ins kalte Wasser, als Reinhold Würth mit 19 Jahren den Zwei-Personen-Schraubenhandel seines plötzlich verstorbenen Vaters im hohenloheschen Künzelsau übernehmen musste. Heute verkauft er rund um den Globus Milliarden von Schrauben und belegt gemäss «Forbes Magazine» mit seinem auf rund 7,2 Mrd Dollar geschätzten Vermögen Platz 55 unter den 100 Reichsten der Welt.

Für einen Jungen aus der Provinz, der nie studieren konnte und schon als 14-Jähriger loszog, Päckchen mit Schrauben in einem Leiterwagen zum Bahnhof zu transportieren, ist die Karriere des heute 70-jährigen Reinhold Würth zum Weltmarktführer in Montagetechnik ohne Beispiel.

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Offiziell hat sich Reinhold Würth schon vor zwölf Jahren auf den Posten des Beiratsvorsitzenden der Gruppe zurückgezogen und blieb doch stets präsent. Seine Begründung für den Rückzug: «Ich wollte im Altersstarrsinn nicht kaputtmachen, was ich zuvor aufgebaut habe.» Diesen Vorsitz hat er nun offiziell an seine Tochter Bettina (44) abgegeben. Er könnte zwar privatisieren, aber da seine Fussstapfen ziemlich gross sind, wird er auch weiterhin die Galionsfigur bleiben.

«Ich hab mich vorsichtshalber schnell noch selbst zum Ehrenvorsitzenden ernannt», schmunzelt er vielsagend. Um zu verhindern, dass sich einzelne Erben auszahlen lassen und damit den Fortbestand seines Lebenswerks gefährden, hat Reinhold Würth sein Vermögen schon vor 19 Jahren auf vier Familienstiftungen aufgeteilt. «So können die Enkel nicht das Firmengeld für Ferraris verjubeln.»

Viel Umsatz = grosses Auto

Würth ist voller Tatendrang. Daher besteht kein Zweifel, dass er auch als Ehrenvorsitzender seine Aussendienstmitarbeiter beim Kundenbesuch gelegentlich begleiten wird. Wenn ein Verkäufer «nur» einen BMW 318d fährt, weiss der Chef und auch der Kunde, dass der ein mittlerer Verkäufer ist. Denn den Stand eines Würth-Aussendienstmitarbeiters kann man am Auto ablesen.

Dahinter steht eine ausgeklügelte Motivationsstrategie: Je mehr Umsatz, desto toller das Auto. An der Spitze stehen die «Top-Club-Verkäufer» mit mehr als 50000 Euro Umsatz im Monat. Sie bekommen einen Mercedes E-Klasse oder einen BMW 520 plus Extraurlaub mit der Frau plus eine Gehaltsprämie.

Doch wehe, wenn der Umsatz sinkt, dann ist es erst mal Schluss mit dem teuren Mercedes und den Luxushotels. Der Abstieg in die nächstuntere Klasse ist im Regelhandbuch festgelegt. «Net dass die sich anstrenge, bis sie das Auto habe und dann zurücklehne. So geht das net», erklärt Würth.

Familienurlaub für 1600

Würth führt den einstigen Zweimannbetrieb noch immer wie ein Familienvater, der auch schon mal 1600 Mitarbeiter samt ihren Angehörigen in den Familienurlaub mitnimmt. Seine Führungsphilosophie passt gut zur heutigen Managementtheorie, die besagt, dass mehr als 50% des Unternehmenserfolges von der Führung der Mitarbeiter abhängen.

Und daher werden erfolgreiche Mitarbeiter grosszügig honoriert. «Ich habe immer sehr viel mit Dank und Anerkennung gearbeitet», sagt der Chef und weiss genau, dass jede Million, die er in Feiern und Feste steckt, mehrfach zurückkommt.

Der Selfmademan und Schlossbesitzer zeigt seinen Reichtum gerne, z.B. seinen neuesten Privatjet, einen von insgesamt fünf: Eine Falcon 900EX, die er selbst pilotiert. Oder seine Kunstsammlung, die im hauseigenen Museum mitten in der Firmenzentrale zu sehen ist, und die neue Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall, die Weltruf geniesst.

Berufsausbildung top

Bei Würth gibt es 18 Berufsbilder im kaufmännischen Bereich. Ein Teil der Studenten lässt sich in den Bereichen Handel, Electronic, Commerce, Dienstleistungsmarketing, Informationstechnik u.a. ausbilden und kann in diesen Disziplinen auch die Abschlüsse BA/International Business Administration und BA/Facility Management erlangen.

Teil des Gesamtkonzepts ist das Förderprogramm für den internationalen Management-Nachwuchs «MC Würth», wobei durch gezielte Seminarmassnahmen und Übernahme von speziellen Projekten Nachwuchskräfte für Fach- und Führungsfunktionen qualifiziert werden.

Seit 2003 gibt es ein so genanntes High-Potential-Programm mit dem Ziel, Spitzennachwuchskräfte aus den eigenen Reihen auf die spätere Verantwortung vorzubereiten. Würth entwickelte dazu für Mitarbeiter einen berufsbegleitenden Studiengang zum Master of Business Administration MBA. Die Weiterqualifikation wird in Kooperation mit zwei amerikanischen Universitäten und der Fachhochschule Heilbronn durchgeführt.

Die Würth Phoenix Academy in Bad Mergentheim bietet eine weitere konzerneigene Bildungseinrichtung mit Workshops und Seminaren an. Als firmeneigener Campus steht der Akademie Würth die Rolle zu, allen Mitarbeitern Kurse zur fachlichen und beruflichen Qualifikation zu bieten.

Sämtliche Weiterbildungsmassnahmen tragen die Handschrift des Chefs.Wenn Reinhold Würth in der Zentrale in Künzelsau den Nachwuchs trainiert, spricht er Klartext: «In der Zeit des Internets ist Aussendienst die teuerste Art des Verkaufens. Da muss die Leistung stimmen, frühmorgens, spätabends. Wir sind hier keine Drückeberger-Station.»

Seinen Aussendienstmitarbeitern predigt er: «Meine Herren, Sie wissen: Ich bin nicht der Schweinehirt, der die anderen antreibt. Ich bin der, der die Fahne nimmt und voranschreitet.» Donnernder Applaus!

Andere Firmen leisten sich teure Motivationstrainer. Bei Würth gibts den (Ex-)Chef.

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Reinhold Würths Führungsprinzipien

1. Ich lege immer grossen Wert darauf, Vorbild zu sein.

2. Wachstum ohne Gewinn ist tödlich.

3. Festen gehört zu unserer Betriebskultur.

4. Geheimnis des Erfolgs: Eine ausgeklügelte Motivationsstrategie.

5. Auf den Cent kommt es an.

6. Immer auf zehn Jahre in die Zukunft denken.

7. Sehr viel Verantwortung nach aussen geben.

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Würth-Gruppe International und in der Schweiz: 51000 Leute in 81 Ländern

Unter dem Dach der Würth-Gruppe arbeiten über 51000 Angestellte in 81 Ländern in Europa, den USA, China, Indien bis Kambodscha und Mexiko. 2005 erwirtschafteten sie einen Umsatz von 6,9 Mrd Euro (+11,1%). Im Konzern befinden sich rund 350 Gesellschaften. Würth ist spezialisiert auf den professionellen Endverbraucher und liefert nicht an Baumärkte. 97% der Produkte werden zugekauft und mit der Prägung «Würth» versehen.

In der Schweiz erzielten 1029 Mitarbeitende 2005 einen Umsatz von 935 Mio Fr. (+18,5%). Würth Schweiz besteht aus den Firmen Würth AG, Arlesheim (Befestigungs- und Montagetechnik), Würth Finance International B.V., Küsnacht ZH (Konzerndienstleister für Finanzen), Würth Financial Services AG, Küsnacht (Finanzplanung), Würth International AG, Chur (Konzerndienstleister, Zentraleinkauf, Beteiligungsverwaltung), Würth Leasing AG, Küsnacht ZH (Investitionsgüterleasing), Würth Logistics AG, Chur, Würth Modyf AG, Arlesheim (Berufs- und Freizeitbekleidung), Würth Phoenix (Schweiz) AG, Chur (IT-Dienstleister) sowie Würth Promotional Concepts, Chur (Werbemittel).



Zur Person

Reinhold Würth wurde am 20. April 1935 in Öhringen/D geboren. 1949 trat er als zweiter Mitarbeiter und erster Lehrling in die Schraubengrosshandlung seines Vaters in Künzelsau ein. Mit 19 Jahren übernahm er die Geschäftsleitung. Würth ist Ehrendoktor der Uni Tübingen und Ehrensenator der Unis Tübingen und Stuttgart, Träger des Grossen Verdienstordens der BRD, des französischen Ordens «Chevalier dans l'Ordre des Arts et des Lettres» und vieler anderer. 2004 wurde er in die Business Hall of Fame aufgenommen und erhielt den deutschen Gründerpreis als Auszeichnung für sein Lebenswerk. Reinhold Würth ist mit Carmen verheiratet und hat drei Kinder.