Es war eine Rolle, bei der es nichts zu gewinnen gab: Daniel O’Day, CEO von Gilead, kam die undankbare Rolle zu, als erster Konzernchef ein Preisschild an ein Medikament gegen Covid-19 heften zu müssen.

Sein Dilemma war offensichtlich. Der kalifornische Biotech-Boss hatte die Wahl zwischen Buhmann oder Held, Bad Guy oder Wohltäter. Würde er Remdesivir, das erste in den USA und in Europa zur Behandlung von Covid-19 zugelassene Medikament, aufgrund seines Nutzens – also hoch – bepreisen, so würde er damit zwar die Aktionäre seines Unternehmens glücklich machen. Dafür würde man ihm vorwerfen, aus der grössten Krise der öffentlichen Gesundheit seit Generationen Kapital zu schlagen.

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Umgekehrt hätte er sich mit einem Schleuderpreis für das einst gegen Ebola entwickelte Remdesivir zwar als Star der Pandemie feiern lassen können; dafür hätte er seine Aktionäre verprellt und all jenen einen Bärendienst erwiesen, die sich womöglich auch bald in der Lage sehen, einen Preis für ein Covid-19-Medikament festsetzen zu müssen. Zum Beispiel seinem ehemaliger Arbeitgeber Roche und dessen Konzernchef Severin Schwan.

Das Resultat ist ein Preis, der deutlich unter dem liegt, was das Medikament tatsächlich wert ist. Eine fünftägige Behandlung mit Remdesivir wird in den USA je nach Versicherung zwischen 2340 und 3120 Dollar kosten. 120 Länder mit geringen und mittleren Einkommen werden das Medikament zu einem deutlich reduzierten Preis bekommen.

Dabei dürften alleine die Einsparungen, die Remdesivir bringt, weil die Patienten weniger lang im Spital behandelt werden müssen, in den USA bei 12'000 Dollar liegen. Ganz zu schweigen von andern Faktoren, die nicht in die Kosten-Nutzen-Rechnung einflossen, etwa gewonnene Lebensjahre, weniger Folgeschäden von Covid-19 oder die Möglichkeit für Patienten, früher an die Arbeit zurückzukehren.

Daniel O’Day rechtfertigte den deutlich unter dem Wert des Medikaments liegenden Preis in einem offenen Brief mit «ungewöhnlichen Umständen». Das aber heisst nichts anderes, als dass es weniger opportun ist, bei Covid-19 Geld zu verdienen als bei anderen Krankheiten.

Das Signal, das er damit aussendet, dürfte der Industrie noch zu schaffen machen. Denn damit unterläuft er die Anstrengungen, auch in diesen Zeiten die Preise für Medikamente so zu setzen, dass sie den gesellschaftlichen Nutzen reflektieren. Noch schwerer aber wiegt, dass Gilead damit einen Präzedenzfall für die Ungleichbehandlung von Patienten setzt: solchen mit Covid-19 und solchen mit anderen Krankheiten.