Er weiss, was ihn erwartet, schliesslich hat er in seiner Funktion als Leiter Weltmessen bei der Messe Basel und später Messe Schweiz mitbekommen, was abläuft: Der Heimmarkt Schweiz ist gesättigt, das gilt auch für das angrenzende Ausland. Was dazu geführt hat, dass sich die Messen Basel und Zürich zusammenschlossen. Sein Kommentar dazu: «Klar wird der Kuchen nicht grösser, aber wir wollen ein grösseres Stück. Das können wir gemeinsam erreichen, wenn der Kleinkrieg zwischen den beiden Messeplätzen beendet ist.»

Das tönt gut, doch wer jemals ehemalige Konkurrenten zusammengeführt hat, weiss, dass das nicht einfach ist. Dafür gibt es klare Belege - und über Flops bei internationalen Fusionen einschlägige Untersuchungen: Ungefähr ein Drittel geht schief, in einem weiteren Drittel der Fälle versuchen die Beteiligten zu beweisen, dass alles o.k. ist, und nur der Rest hat tatsächlich reüssiert.

René Kamm gehört aber zu den Optimisten. «Die Messen Basel und Zürich ergänzen sich ideal», sagt er, «aber nur mit guten Eigenmessen kann die Messe Schweiz potenzielle Aussteller dazu bringen, auch unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen den Aufwand einer Messe auf sich zu nehmen - immerhin bedeutet dies einen grossen finanziellen und personellen Aufwand für sie.»

*Kamm sieht Potenzial*

Beim Thema Messen ist Kamm in seinem Element. Darüber spricht er lieber als über Privates. «Unter Eigenmessen werden Veranstaltungen verstanden, die eine Messegesellschaft in eigener Regie durchführt. Es gibt aber auch viele fremde Messen, die Gastrecht geniessen. Das ist für die Betreiber der zur Verfügung gestellten Infrastrukturen weniger lukrativ. So hat sich Zürich in erster Linie als Hallenvermieter profiliert, während Basel mit 25 Eigenmessen vor allem diese forcierte», stellt er fest. Klar ist: Insgesamt bestreiten beide neu zusammengefügten Messe-Organisationen 30 Eigenmessen, wobei Basel schon vor der Fusion besser im Rennen lag. Trotzdem genügt das im Rahmen der internationalen Expansion noch nicht.

Dazu meint Kamm: «Dem Ziel, künftig gemeinsam auch neue Geschäftsfelder zu erobern und das Portfolio zu bereinigen, um Doppelspurigkeiten zu verhindern, sind wir ein gutes Stück näher gekommen.» Ein Potenzial ortet er in der Steigerung des Eigenmessenanteils in Zürich, ein weiteres sieht er im Ausland. Dass auch dort die Messeplätze hart umkämpft sind, scheint für ihn kein Argument zu sein, die Flinte ins Korn zu werfen.

Kamm hat in seiner steilen Karriere immer wieder in Situationen gesteckt, in denen es genau um diese Frage ging - etwa um die Lancierung einer Schwesterveranstaltung der erfolgreichen Kunstmesse Art Basel, die Anfang Dezember in Miami Beach durchgeführt wurde. Das war für schweizerische Verhältnisse neu. Seine beiden Vorgänger, Jürg Böni und Hanspeter Meier, haben immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig eine aktive Akquisitionspolitik im Ausland sei, und dass es hier noch Lücken gebe. Dazu Kamm: «Akquisition ist eines der möglichen Instrumente, mit der Art Basel Miami Beach haben wir bewiesen, dass wir auch Messen im Ausland selber entwickeln können.»

*Start bei Unilever*

Kamm scheint geradezu auf Aufgaben versessen zu sein, bei denen sich andere die Zähne ausgebissen haben. Das gilt für seinen Start bei Unilever, wo er nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Basel im Product Management eingesetzt wurde. Sein erstes Projekt war die Einführung von Kleinportionen im Catering-Bereich. Kleinportionen - das hört sich heute banal an, aber für Hotel-und Restaurantbetriebe sind sie ein wahrer Segen. Als nächstes kam der Relaunch der Salatsauce Dorina dran, die heute noch in der von ihm auf den Markt gebrachten Verpackung in den Regalen steht. «Sieht ein bisschen aus wie ein Frauenkörper und hat ergonomische Vorteile», sagt Kamm lachend. Immer wieder schimmert der ehemalige Fasnächtler durch. «Dazu habe ich heute keine Zeit mehr», bedauert er.

Sein nächster Streich bei Unilever war die Einführung von «Raguletto», einer Pastasauce, welche die Bezeichnung Convenience verdient. Im Blindtest wurden sogar Gourmetpäpste in die Irre geführt, wenn es darum ging, Selbstgemachtes von Gekauftem zu unterscheiden. Der Werbeslogan trägt unverwechselbar Kamms Handschrift: «Weck den Italiener in Dir.» Da war Kamm - von Mitarbeiterinnen als «ausgesprochen gutaussehend» charakterisiert - noch Junggeselle. Das sollte sich bei seinem nächsten Job ändern.

Marken haben Kamm immer angezogen, das gilt nicht nur für Unilever, sondern auch für seine nächsten Karrierestationen. Er wechselte zu Tag Heuer, wo ihm die mittel- und nordeuropäischen Märkte sowie Südamerika und das internationale Duty-free-Geschäft anvertraut wurde. Dass er auffallend oft in Deutschland weilte, fiel zunächst nicht auf, schliesslich machte er seinen Job gut, die Verkaufszahlen stiegen rasant. Aber seine Affinität für Deutschland hatte noch einen anderen Grund: Bei der deutschen Tag-Heuer-Filiale arbeitete eine Marketing-Leiterin, die ihm den Kopf verdreht hatte. Sie ist heute seine Frau.

Das Ehepaar Kamm lebt in einer Wohnung aus dem 19. Jahrhundert am Rheinufer. «Nur kein Haus mehr. Diese Übung haben wir hinter uns. Die Gartenpflege war mir zu anstrengend und zeitaufwendig», kommentiert Kamm. Die Wohnung wirkt eher wie eine Galerie: Lichtdurchflutete hohe Räume, spärliches Mobiliar, dafür viele grossformatige Bilder von zeitgenössischen Künstlern. Kamm liebt, was sich harmonisch in die Umgebung einfügt.

Schöne Formen - wie bei der Dorina-Flasche oder auch den 2000er-, 4000er- und 6000er-Linien von Tag Heuer - spielten auch bei seiner letzten Stelle eine wichtige Rolle, bevor er bei der Messe Basel für den Bereich Weltmessen angestellt wurde: Bei Artime half er die Marke Sector No Limits aufzubauen. Dass er später Leiter der Uhren- und Schmuckmesse und der Art wurde, ist fast eine logische Folge in seinem Curriculum. Sie zählen zu den so genannten internationalen Branchen-Leadmessen. Solche Leitmessen erfolgreich durchzuführen, ist das höchste aller Gefühle für Messeveranstalter.

*Immer noch am Ball*

Seit dem 1. Januar ist Kamm oberster Chef der MCH Messe Schweiz AG. Er wird kaum viel Zeit zum Verschnaufen haben, und für die Fasnacht schon gar nicht mehr, obwohl er dort schon als 8-Jähriger als Tambour in eine Clique eingetreten ist. Zeit hingegen will er sich weiterhin für Fussball nehmen. Als ehemaliger Junior des FC Nordstern kickt er immer noch regelmässig mit seinen Freunden.

Wie wuchs Kamm, der - wie seine Mitarbeiter sagen - immer gut aufgelegt und scheinbar unbegrenzt belastbar ist, auf? «Ich habe schon früh gelernt, wie man sich im harten Business bewegt. Mein Vater war Verkaufsleiter bei der Brauerei Warteck. Das erste Sackgeld verdiente ich damit, dass ich ihm bei den Auftritten an Festen oder in Läden half - beim Dekorieren, Ausschenken oder Zusammenräumen.» Aus dieser Zeit dürfte auch seine direkte Art im Umgang mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stammen. «In der Schule war ich ein aufsässiger und erst noch fauler Kerl. Mein Vater musste mehrmals zu Gesprächen unter vier Augen mit den Lehrern antreten.» Aber an der Universität habe sich das gebessert.

Kamm absolvierte das Studium ohne Umwege, obwohl er nebenbei jobbte. «Ich wollte meinen Eltern nicht auf dem Portemonnaie liegen.» Das war schon in der Schule seine Devise. Damals arbeitete er auch noch als Zügelmann, weil die Stundenlöhne in diesem Metier besonders hoch gewesen seien. Während der Uni-Zeit betreute er Projekte beim SBV, die dem smarten Studenten quasi als «side effect» auch Stoff für die Diplomarbeit lieferten. Mit dem ihm eigenen Humor erzählt er, dass einer der Professoren, der die mündlichen Prüfungen abnahm, etwas schwerhörig gewesen sei. Das erkläre möglicherweise das gute Abschneiden.

In seiner Freizeit betreibt er Sport in allen Formen: Joggen, Skifahren und Fussball. Besonders Spass machen ihm Spaziergänge mit dem jungen braunen Labrador namens Figo - in Anlehnung an den portugiesischen Fussball-Star. Auch kochen tut er gerne mal. Sein Lieblingsrezept heisst Spaghetti Renato: Man nehme Zwiebeln, dünste sie an, füge Champignons und Schinkenwürfel dazu und schmecke alles mit Halbrahm ab - und würze nach eigenem Gusto. Kamm kennt also nicht nur Rezepte für erfolgreiche Messen.

Partner-Inhalte