Aus dem Restaurant Mignon im Luzerner Fünfsternehaus «Palace» ist das «Jasper» geworden. Das biedere, leicht verschmockte Interieur wurde radikal überholt. Wie aus dem Ei gepellt präsentiert sich das «Jasper» jetzt in zeitloser Eleganz, die strenge Ästhetik bestechend gebrochen durch warme Materialien und Farben. Zweifellos zählt es heute zu den schönsten Restaurants der Schweiz.

Gekocht wurde schon im «Mignon» hervorragend. Just nach dem Neuanfang zog es aber den dafür verantwortlichen Hannes Malfertheiner ins heimatliche Südtirol zurück. Mit Françoise Wicki folgte ihm eine Köchin, welche die Veränderung passender nicht verkörpern könnte. Koboldartig huscht die zierlich-quirlige Frau mit Augen so tief wie ein Bergsee und einem Kochkäppi, das ihr etwas Piratenhaftes verleiht, übers hellbraune Parkett an die Tische. Mit Verve kommentiert sie die schmale Karte.

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Leidenschaft glimmt auf, wenn sie sinniert, was sie darüber hinaus kochen könnte. Dann fühlt man sich an einen Satz des Dichters Kleist erinnert. Auf Wicki gemünzt, müsste er heissen: Die allmähliche Verfertigung des Gerichts beim Reden.

Daraus wird dann das auf der Karte als Möglichkeit erwähnte «Menü Françoise». Es orientiert sich strikte an den gerade eben in die Küche gelieferten Frischprodukten.

So wird man mit Hummer auf Wasserspinat mit grünen Mangoschnitzen, Papaya und Jasminblüten beglückt. Glücklicherweise stellt sich dabei kein Fruchtsalaterlebnis ein, wie das bei ähnlichen Kombinationen in der australischen Küche langweilt.

Françoise Wicki verfügt über einen unbestechlichen Geschmackssinn und beherrscht das Metier des Abschmeckens. Ein in Rotwein wunderbar gar geschmorter Pulpo auf Petersilienwurzelgemüse macht die Fortsetzung. Wicki bleibt hier unaufgeregt klassisch. Dann folgen Tagliarini mit Mönchsbart und ein paar Scheiben eines zartduftigen, dezenten weissen Frühlingstrüffels. Auf die Geschmacksverstärkung durch Trüffelöl wird klug verzichtet.

Die gebratene Dorade auf Auberginen- und Kichererbsenpüree setzt wiederum einen kräftigeren, wenn auch subtilen Akzent. Schliesslich kommt der mächtige Hauptgang: ein körniger schwarzer Risotto mit Cima di Rapa, dem italienischen Stengelkohl, und saftigen Stücken vom Perlhuhn. Der markante Eigengeschmack des Huhns widersteht dem meerduftenden Reis bravourös.

«Jasper» Françoise Wicki, «Palace», Haldenstrasse 10, 6002 Luzern, Tel. 01 416 16 16, www.palace-luzern.ch, 16 «Gault Millau»-Punkte, Menü Françoise 75 bis 125 Franken.

Françoise Wicki kocht aufregend wild, ohne zu überborden. Sie getraut sich zu würzen und greift dabei auch grosszügig in die orientalische Gewürzkiste. Im Umgang mit ausgefallenen Produkten hat sie sich kindliche Neugier und Spielfreude bewahrt. Wenig bekannte, unkonventionelle Gemüse etwa fordern ihre Entdeckerlust heraus.

Gerade im oben beschriebenen Menü spielte sie souverän mit den ihnen eigenen, erfrischend-bekömmlichen Bitternoten.

Die junge, energische Frau weiss um ihr Können. Sie schätzt vor allem, wenn ihrer Fantasie lange Leine gewährt wird. Ihre Stilsicherheit bewahrt sie dann jeweils vor dem Verirren. «Palace»-Direktor Andrea Jörger vertraut akkurat in diese Fähigkeiten und konnte Wicki damit von Basel, wo die 34-Jährige der Rôtisserie des Hotels Drei Könige wieder zu kulinarischem Glanz verholfen hatte, nach Luzern, in die Stadt ihrer Eltern, locken. Jörger vergleicht sie mit einem Maler, der mit sicherem Pinsel die gewagtesten Farben und Motive auf die Leinwand trägt. Aus Distanz betrachtet, fügt sich das Bild jeweils zu einem stimmigen Ganzen. Oder zu einem fulminanten Menü.