Die Autofahrt zur Arbeit gibt mir Zeit, mich auf die wichtigen Dinge des Tages einzustimmen», sagt Reto Brändli. Und er könne in aller Ruhe telefonieren und zuhören. Jeden Morgen steuert der CEO des neugegründeten Generika-Unternehmens Sandoz AG Schweiz seinen schwarzen VW Touareg vom Wohnort im idyllischen Rheinfelden ins industrielle Hinterland bei Schönenwerd SO. Dort, an der Bahnstrecke zwischen Zürich und Bern, baut Brändli im Fabrikareal Balimo in den Räumlichkeiten der ehemaligen Schönenberger Pharma die neue Generika-Sparte von Novartis für die Schweiz auf.
International ist diese vor allem dank Firmenübernahmen von Schönenberger Pharma über Geneva Pharmaceuticals bis zur slowenischen Lek stark gewachsen. Nun soll die Marke Sandoz das Generika-Geschäft von Novartis auch in der Schweiz nach innen strukturieren und nach aussen kommunizieren für Brändli keine einfache Aufgabe: «Diese Weltmarke in der Schweiz neu zu positionieren betrachte ich als Ehre, sehe aber auch eine grosse Verantwortung.» Denn noch immer verbänden viele Menschen mit dem Namen Sandoz starke Erinnerungen, oft stecke auch eine persönliche Geschichte dahinter.
Chefetage ja,Konzernleitung nein
Brändli beispielsweise hatte einen Grossonkel, der für Sandoz in verschiedenen Ländern in leitenden Funktionen im Einsatz war: «Sandoz begleitet mich seit meiner Kindheit.» Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass Brändli Sandoz als Lehrfirma wählte. Die Ausbildung als Chemielaborant spurte den Weg in eine Pharma-Karriere vor. Dank Sandoz-Stipendium wurde aus dem aufgeweckten Lehrling rasch ein Student, der 1984 am Technikum in Muttenz als Chemiker HTL graduierte.
Von da an ging es Stufe um Stufe die Karriereleiter aufwärts: Den Anfang machte eine Anstellung beim amerikanischen Pharmaunternehmen A.H.Robins, wo Brändli als Product Manager für das Marketing im Bereich rezeptfreier Produkte verantwortlich war. Berufsbegleitend holte er sich das nötige betriebswirtschaftliche Know-how an der London Business School.
Nach erfolgreich bestandener Feuertaufe wechselte der Jungmanager als Divisionsleiter zur britischen Wellcome Foundation, die heute zu GlaxoSmithKline gehört. Von dort gelang schliesslich der entscheidende Sprung in den BASF-Konzern, wo Brändli Geschäftsleiter des Schweizer Generikabereichs wurde. Mit der Akquisition dieser Aktivitäten durch Novartis im Jahr 2001 öffnete sich der Weg an die Spitze der Sandoz AG Schweiz. Trotz dieser glänzenden Karriere bleibt Brändli bescheiden: «Chefetage ja, aber nicht in der Konzernleitung», winkt er mit Blick auf seine Stellung innerhalb des Gesamtkonzerns ab.
Ohne delegieren läuft nichts
Und auch «Chefetage» darf man nicht allzu wörtlich nehmen: Das Firmengebäude befindet sich im Umbau; der CEO sitzt gemeinsam mit seinen Mitarbeitern in einem improvisierten Grossraumbüro. Auch ein protziges Firmenschild sucht man vergebens. Bloss ein unscheinbarer Schriftzug an der Eingangstüre weist auf die Weltmarke hin. «Zwar werden wir bald mehr Platz haben, aber auch dann werde ich mich nicht in ein schalldichtes Chefzimmer verkriechen», versichert Brändli, für den ein offenes und kommunikatives Arbeitsumfeld ein zentrales Anliegen ist. Klar und «ohne Botschaften zwischen den Zeilen» sei sein Führungsstil. Unangenehme Dinge gelte es sofort anzusprechen, die Mitarbeiter müssten wissen, woran sie seien. Nur so lasse sich Loyalität, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit erreichen: «Alles, was in der Firma geschieht, ist letztlich Resultat unserer Teamarbeit», ist er überzeugt.
Zum Teamgedanken gehöre auch die Förderung der Mitarbeiter. Es gelte, klare Karriereperspektiven zu offerieren und die entsprechenden Fähigkeiten geduldig aufzubauen. Brändli: «Wenn einer meiner Mitarbeiter etwas will, es aber noch nicht kann, dann werde ich ihm das zehnmal zeigen.» Für Mitarbeiter dagegen, die «können, aber nicht wollen», sieht er keine Zukunft bei Sandoz. Denn als Chef will er sich auf das Engagement und die Loyalität der Untergebenen verlassen können: «Ohne Vertrauen gibt es keine vernünftige Zusammenarbeit, und meine Mitarbeiter wären nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen.»
Ohne das Delegieren kompletter Aufgabenblöcke wäre auch die anspruchsvolle Aufbauarbeit nicht zu bewältigen: «Uns wurde für den Aufbau des Schweizer Geschäfts freie Hand gelassen. Unsere Firmenstruktur ist geprägt von meinen Vorstellungen einer erfolgreichen Generikafirma», meint Brändli und verweist auf den unprätentiösen Geschäftssitz. Man hätte sich auch in Zürich oder Basel ansiedeln oder ein luxuriöseres Gebäude wählen können. Doch im Generikageschäft gehe es nicht um Repräsentation. Neben der Qualität stehe der Preis im Zentrum. Und in Schönenwerd seien Gebäudekosten und Löhne nun einmal viel günstiger als in Basel.
Qualität als Strategie
Was am Geschäftssitz eingespart wird, fliesst in den Kampf um Marktanteile. Hier hat sich Brändli ehrgeizige Ziele gesetzt: «Innerhalb der nächsten drei Jahre soll Sandoz unter die drei führenden Schweizer Generikaunternehmen aufsteigen.» Und langfristig möchte Brändli klar zur Nummer eins werden. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, liegt man doch gegenwärtig erst auf Platz fünf. Mit dem klingenden Namen Sandoz ist allerdings ein starkes Marketinginstrument zur Hand: «Man darf nicht unterschätzen, dass dieses Label seit Generationen für Qualität und globale Präsenz bürgt.»
Tatsächlich zeigen Marktforschungen in mehreren europäischen Ländern, dass kein einziger Arzt oder Apotheker den Namen Sandoz nicht kennt; über zwei Drittel der Befragten schätzen entsprechende Produkte als sicher ein. Dieses Image will Brändli mit fachlich hochstehenden Kongressen und Seminaren auch bei den Generika pflegen: «In einem Jahr werden wir in der gesamten Schweiz bei Ärzten, Apothekern, aber auch bei einer grossen Zahl von Patienten bestens bekannt sein.» Dies sei auch aus gesundheitsökonomischen Gründen wünschenswert.
«Es muss ruhiger werden»
Schwieriger als die Markenpromotion gestaltet sich der Clinch mit den Behörden. Für Brändli, der jährlich acht bis zehn neue Medikamente auf den Markt werfen will, dauern die schwerfälligen Bewilligungsverfahren zu lange. Brändli hält nichts von blinder Arzneigläubigkeit; sein Umgang mit der Medizin ist kritisch: «Wenn meiner Familie oder mir Medikamente verschrieben werden, will ich Notwendigkeit und Nutzen genau kennen. Und gegen Fieber helfen manchmal auch Essigwickel.»
Seine Familie sieht der Sandoz-Chef aber nicht nur am Krankenbett: «Zeit fürs Private ist für mich immens wichtig», versichert Brändli und bedauert, dass im Moment vieles zu kurz komme. Die Familie müsse häufig zurückstecken und immer wieder Geduld aufbringen, etwa wenn ein geplanter Ausflug plötzlich ins Wasser falle. Aber als Positivdenker hofft Brändli, dass es nach Abschluss der Gründungsphase ruhiger wird im Geschäft. Denn in seinem Leben will er auch Platz haben für Rheinfelden, für Ruhe, Erholung und für private Freundschaften fern ab von Hektik und Karriere.
Und dann ist da noch ein Bubentraum: «Ich habe begonnen, eine Eisenbahn zu bauen. Dieser Plan verfolgt mich seit meiner Jugend, und vor kurzem habe ich mir dazu einen Eisenbahnraum eingerichtet.»
Profil: Steckbrief
Name: Reto Brändli
Funktion: CEO Sandoz AG Schweiz
Geboren: 11. März 1960
Wohnort: Rheinfelden AG
Transportmittel: VW Touareg V6
Karriere:
1989-1991 Product Manager für das OTC-Marketing bei der A.H. Robins AG in Zug;
1992-1995 Divisionsleiter bei der Wellcome AG in Rheinach;
1995-2003 Geschäftsleiter des Schweizer Generikabereichs bei BASF und Novartis
seit 2003 CEO Sandoz AG Schweiz
Firma: Sandoz AG Schweiz
Die Anfang Jahr gegründete Firma steht für das Generikageschäft von Novartis in der Schweiz. Zentrales Geschäftsfeld ist neben der Vermarktung pharmazeutischer und biotechnologischer Wirkstoffe der Arzneimittelhandel. Hier wird der Ausbau der bisherigen Produktepalette zu einem kostengünstigen Vollsortiment für Arztpraxen, Apotheken und Spitäler angestrebt. Jährlich soll das Angebot um acht bis zehn Generika erweitert werden. Bis in drei Jahren will das Unternehmen zu den drei führenden Schweizer Generikaunternehmen gehören.