Kadavergehorsam interessiere ihn nicht, sagt Reto Cina. Er will eine lebendige Streitkultur im Unternehmen. Wenn Meinungen aufeinander prallen und daraus eine Lösung entsteht, taugt sie mehr als jene, die im stillen Kämmerchen ausgedacht worden ist. Er mache gerne Druck, sagt er, versuche aber, dies möglichst angenehm zu kommunizieren. Er sei keiner, der gross rumbrülle.

Reto Cina führt die Firma Oettinger Davidoff mit weltweit über 2700 Angestellten, 800 davon in der Schweiz. In seiner Führungsposition entwickelt er Lösungen im Produktionsbereich, im Import und Export, bei Welthandelsfragen und rechtlichen Aspekten. Eine vielfältige Aufgabe, sagt er, die ihn täglich motiviere, um halb sieben mit der Arbeit zu beginnen. Diese Uhrzeit ist der einzig feste Rahmen; abgesehen davon hat er keine festen Abläufe, keine Rituale.

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Cina versucht, seine Leute aus der Reserve zu locken. Er gehe davon aus, dass jemand ab einem bestimmten Level sich mit seiner Funktion identifiziere und folglich Interesse habe an den Aufgaben. Er lasse seinen Leuten viel Freiraum, erwarte aber entsprechend viel Leistung. Wenn etwas nicht läuft, wie es soll, dann macht er auch mal eine ironische Bemerkung. «Kommt dies nicht an, dann muss ich es auch mal deutlich sagen.»

Polarisierende Führung

«Ich kann kaum 15 Minuten in einer Sitzung sein, ohne etwas Humoristisches einzubringen sei es eine Anekdote oder ein Wortspiel.» Es sei ihm schon vorgeworfen worden, dass er nicht seriös sei aber ein lockerer Umgang auf der sozialen Ebene fördere die unternehmerische Effizienz. Es gibt Leute, die nicht klarkommen mit seiner Art, andere kann er mitziehen. Sein Führungsstil ist gewissermassen polarisierend er funktioniert, wenn die interne Chemie stimmt. «Nach allfälligen Startproblemen hatte ich immer das Glück, eingefleischte Teams um mich zu haben.»

Sein Ziel ist es, die Schlüsselpositionen über die Jahre hinweg mit den richtigen Leuten zu besetzen. Das sei gar nicht so einfach, sagt er, weil die Guten dazu tendieren, neue berufliche Herausforderungen anzunehmen.

Wenn er die Wahl hat zwischen zwei vierzigjährigen Bewerbern, von denen einer vier Jobs hatte und der andere 15 Jahre auf derselben Stelle war, dann bevorzugt er den ersten. Wer an mehreren Orten gearbeitet habe, sei flexibler auf der sozialen Ebene und entwickle mehr Gespür für die Vorteile und Nachteile unterschiedlicher Unternehmenskulturen.

Dieser Erfahrungsschatz könne Positives einbringen in eine Firma. Vor 20 Jahren waren Leute gefragt, die zu allem Ja und Amen sagen. Dies ist heute anders. Ihm sei es recht, wenn ihn jemand hinterfrage «wenn er mich überzeugt, dann bedanke ich mich».

Bauch entscheidet mit

Bei personellen Einstellungen verlässt sich Cina auf seine Intuition. «Selbstverständlich müssen die Dossiers stimmen, aber ob jemand ins Unternehmen passt, das merke ich nach zwei Minuten.» Natürlich, sagt er, könne das Bauchgefühl einen auch mal täuschen «dafür hat man es aber in 20 anderen Fällen richtig gemacht».

Die jüngere Manager-Generation stimmt ihn ein bisschen skeptisch. Oftmals fehle das Feuer. Viele denken primär ans Geld. Natürlich sei das Geld entscheidend, aber es gehe doch um eine Grundhaltung und darum, nicht schon im Voraus das hohle Händchen hinzuhalten.

Er findet es sinnvoll, einen «Paradiesvogel» im Team zu haben. Einer, der «querfragt und nicht stromlinienförmig in den gegebenen Strukturen mitschwimmt» ein moderner Hofnarr, sozusagen. Das muss nicht einer mit grün gefärbten Haaren und gelben Turnschuhen sein es geht auch hier um die Haltung. «Je nach Grösse sollte eine Organisation den Mut haben, solche Leute einzustellen und die Auseinandersetzung durchzustehen.»

Als seine Stärken bezeichnet Reto Cina sein Flair für Zahlen. Er kontrolliere sehr exakt und lasse sich nicht beruhigen mit irgendwelchen Antworten. Seine Zielvorgaben sind möglichst immer quantifiziert. Jede Massnahme muss daraufhin hinterfragt werden, ob sie kostengünstiger realisiert werden kann. «Wir setzen eine Kontrollschlaufe über den Zielerreichungsgrad, um bei Bedarf zu intervenieren und zu korrigieren. Sind die Ziele bestimmt, lasse ich viel Freiraum in der Umsetzung.» Es sei entscheidend, keine Angstkultur zu schaffen, in der jeder nur noch das macht, was bestimmt nicht falsch ist. Fehler sollen nicht bestraft werden «einfach bitte nicht dieselben Fehler dreimal machen».

Gespür für Standorte

Oettinger Davidoff beliefert Depositäre mit Zigarren, daneben erwirbt die Firma eigene Geschäfte, weltweit sind es 180, in Deutschland 143, in der Schweiz 28. Wenn die Tabakwerbeverbote mittelfristig durchgesetzt sein werden, wird das Tabakgeschäft der einzige Ort sein, wo Produkte noch beworben werden. «Wenn uns diese Geschäfte gehören, dann bestimmen wir, was da drinnen passiert», so beschreibt Cina die Expansionsstrategie im Einzelhandel. «Ansonsten wären wir bei den Händlern Bittsteller.»

Bei der Expansion verfolgt Cina eine eiserne Regel: Der Standort ist das A und O. Inneneinrichtung, Personal, Preise, Produkte alles lässt sich ändern, der Standort nicht. Cina verlässt sich hier auf die Intuition. Natürlich kann er Passantenströme berechnen und Frequenztheorien erstellen. Aber wenn er trotz hervorragender Analysen skeptisch ist, dann lässt er die Finger davon. Als er noch bei Pick Pay und bei der Import Parfümerie tätig war, hatte er endlos viele Standorte angeschaut «man entwickelt da ein Gespür».

Innovationen seien wichtig «gerade weil wir ein sehr traditionsbehaftetes Unternehmen sind». Das Konsumverhalten ändert sich: Die Markentreue von früher ist der Lust, Neues auszuprobieren, gewichen auch im Markt der Premium-Zigarren. Wer da mitmacht, bleibt im Gespräch. Die anderen verschwinden, früher oder später. «Wir haben den Innovationsrhythmus deutlich erhöht», sagt Reto Cina.

Und wenn sich die politischen Verhältnisse auf Kuba einmal ändern sollten, dann soll es auch wieder eine kubanische Davidoff-Zigarre geben. Anfang 90er Jahre hat die Gruppe die Zigarrenproduktion von Kuba in die Dominikanische Republik verlagert.

Gelegentlich raucht er eine Zigarre am liebsten eine Davidoff Nr. 2. Seine erste rauchte er an seinem ersten Arbeitstag bei Oettinger Davidoff. Wie schmeckte sie? «Wer sagt, dass die erste Zigarre gut schmeckt, ist nicht ehrlich. Auch das Rauchen ist ein Lernprozess.»

Reto Cinas Führungsgrundsätze

- Klare Zielvorgaben - wenn immer möglich quantifiziert.

- Eine Kultur schaffen, die Initiative fördert und Fehler nicht bestraft.

- Auffordern zur Selbstreflexion.

Zur Person

Der 1946 in Bern geborene Reto Cina ist seit 1998 CEO der Davidoff-Oettinger-Gruppe in Basel eine Firma mit weltweit 2700 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 2,4 Mrd Fr. (2004). Nach der Matura studierte Cina in St. Gallen Betriebswirtschaft. Nach seinem Doktortitel war er Marketing Manager bei Metro International in Zug, Marketing Direktor bei Yves Rocher in Wallisellen. In den 80er Jahren stieg er bei der Hofer-Curti- Gruppe ein, wo er VR-Delegierter der Pick Pay AG und danach der Import Parfümerie wurde. Reto Cina lebt in Küsnacht am Zürichsee und in Basel.