Ich bin hier nicht für die Lösung einfacher Probleme angestellt.» Wer so redet, ist kein typischer Beamter, und die Vermutung liegt nahe, dass da einer bereits ein Berufsleben vor seiner Tätigkeit in der Stadtverwaltung hatte. Mit Unterbrüchen war Reto Gugg 18 Jahre in der Informatikbranche tätig, hat kleinere und grössere Firmen mitgegründet und war auch Geschäftsleiter.
Gugg, 54-jährig und studierter Ökonom, arbeitete seit 12 Jahren im Sozialdepartement der grössten Schweizer Stadt. «Ich fühle mich in der Stadtverwaltung wohl und bin im Sozialamt am richtigen Platz», sagt er, und man glaubt ihm die Aussage, dass ihn der wachsende Druck auf das Sozialwesen herausfordere.
Unkonventioneller Chef
In seiner Zeit in der Informatikbranche hat er gelernt, vernetzt zu denken und sich stets auf neue Situationen einzustellen. Guggs Hauptaufgabe ist die strategische Neuausrichtung der neuen Direktion. Er hat zu prüfen, welche bestehenden und neuen städtischen Ergänzungsangebote künftig noch sinnvoll sind. Das kann für ihn nur funktionieren, wenn er seine wichtigsten Mitarbeiter einbezieht.
Gugg ist nicht nur ein untypischer Beamter, sondern auch ein unkonventioneller Chef. Der Umstand, dass in den Einrichtungen ein hoher Anteil an Teilzeitern und Frauen arbeiten, erlebt der Chef als befruchtend und positiv, auch wenn die vielen Teilzeiter das Führen nicht einfach machten. Doch weil er Frauen auch in Führungspositionen will, sind Co-Leitungen in den Betrieben keine Seltenheit.
Das Spannungsfeld, in dem sich seine Organisation befindet, erfordert vom Chef viel Kommunikationstalent. «Kommunikation, Kommunikation und nochmals Kommunikation», nennt Gugg denn auch sein wichtigstes Führungsprinzip, so banal es klingt.
«Ich kann die hoch gesteckten Ziele nur erreichen, wenn ich meine Mitarbeitenden überzeugen kann. Etwa die Hälfte meiner Zeit bin ich nicht in meinem Büro, und die meiste Zeit, in der ich hier bin, nicht allein», sagt Gugg. Regelmässige Besuche der einzelnen Teams und häufige Kadertagungen sind für ihn ein Muss und werden auch regelmässig durchgeführt.
Nicht bloss Armut verwalten
Guggs Arbeitsfeld und dasjenige seiner 800 Mitarbeitenden mit insgesamt 460 Vollzeitstellen hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert: Während die Sozialhilfe bis Anfang der 90er Jahre noch die Ausnahme darstellte und die sozialen Sicherungssysteme ausreichten, verdreifachten sich die Fallzahlen bis Mitte der 90er, und als man glaubte, der Höchststand sei erreicht, haben sie sich nochmals fast verdoppelt.
Doch die Realität, die sich Gugg und seinen Mitarbeitenden heute präsentiert, ist wenig ermutigend: Für sein Team gilt inzwischen schon als Erfolg, wenn 20 bis 30% der Teilnehmer wieder eine Stelle finden. «Die Leute sind tendenziell länger in unseren Programmen, was ihre Chancen nicht erhöht. Unsere Programme werden zwar immer besser, erzielen aber immer weniger Wirkung», sagt Gugg. Das zwingt zum Umdenken.
«Die Beschäftigungsprogramme müssen Erträge erwirtschaften, und damit muss ein Teil der Löhne bezahlt werden, sodass die Teilnehmer nur noch ergänzend unterstützt werden müssen und sich vielleicht ganz von der Sozialhilfe lösen können. So lange es nicht mehr Stellen für unsere Leute gibt, ist es sinnlos, mehr teure Qualifizierungsangebote schaffen», erklärt Gugg.
Kooperieren mit Wirtschaft
Die Entwicklung des städtischen Ergänzenden Arbeitsmarktes EAM wird auch das Anforderungsprofil der Führungskräfte verändern. «Wir brauchen vermehrt Kaderleute, die Betriebe führen und organisieren können, während wir heute den Fokus noch stark auf die Betreuung legen», so Gugg. Weil er auch früher regelmässig Leute rekrutiert hat, weiss Gugg, worauf er künftig zu achten hat.
«Auch wenn wir Aufträge auf mehr Hände verteilen müssen, werden wir damit einen Teil der Löhne selbst erwirtschaften.» Natürlich könne die Konkurrenz zum lokalen Gewerbe aber immer wieder zu Konflikten führen. Darum werde man auch in Zukunft nicht mit Dumpingpreisen operieren.
Seine Erfahrung in der Privatwirtschaft hilft ihm auch, mit dem Gewerbe einen unverkrampften Umgang zu pflegen.
Zur Person
Der gebürtige Glarner Reto Gugg wechselte nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Universität Zürich und 18 Jahren in der Informatikbranche 1993 ins Sozialdepartement der Stadt Zürich. Per Anfang 2005 übernahm er die Leitung der Direktion Soziale Einrichtungen und Betriebe. Gugg ist 54-jährig, lebt in Zürich und ist Vater zweier erwachsener Kinder.
Reto Guggs Führungsprinzipien
1. Die Mitarbeitenden müssen die strategische Ausrichtung kennen und verstehen.
2. Zielvorgaben und Handlungsspielräume aufeinander abstimmen.
3. Respekt und Vertrauen gehören ebenso zu einer lebendigen Betriebskultur wie Kritik und Konflikte.
Synergien schaffen: Die neue Direktion Soziale Einrichtungen und Betriebe
Der Entscheid, im Sozialdepartement der Stadt Zürich eine neue Direktion zu schaffen, fiel im April 2004. Um Synergien zu nutzen, sollten das Amt für soziale Einrichtungen und der ergänzende Arbeitsmarkt zusammengelegt werden. Ersteres beinhaltet die Drogen- und Obdachlosenhilfe und den Frühbereich. Der ergänzende Arbeitsmarkt besteht aus gut 40 kleineren und grösseren städtischen Betrieben, die rund 1000 Jahresarbeitsplätze für knapp 2000 Teilnehmende anbieten. Die Palette reicht von Gastronomie- und Cateringbetrieben über diverse Handwerksateliers wie zum Beispiel einer Velowerkstatt bis zu einem Team, das Graffiti von Hauswänden entfernt.
Ziel ist entweder die berufliche oder die soziale Integration. Bei Ersterer steht die Reintegration in den ersten Arbeitsmarkt mittels eines Qualifizierungsprogramms im Zentrum. Bei der sozialen Integration soll Randständigen, die im Moment ohne Perspektive auf einen Job sind, wieder eine minimale Tagesstruktur gegeben werden.
Reto Guggs Auftrag lautet: Zusammenführen der beiden Abteilungen und eine wiederkehrende Einsparung von jährlich 5 Mio Fr. Guggs Hauptaufgabe ist heute die strategische Neuausrichtung der Direktion Soziale Einrichtungen und Betriebe. (miz)