Seit 2000 ist Reto Isenegger für den Schweizer Ableger des weltweit operieren-den Unternehmensberaters Booz Allen Hamilton tätig. Vor wenigen Tagen nun wurde der Finanzfachmann zum Partner sowie Geschäftsführer der internationalen Strategie- und Technologieberatung gewählt. Für den erst 35-Jährigen gleichsam Ehre, Bestätigung wie Herausforderung. Denn mit der Aufnahme in den Kreis der weltweit 250 Partner die meisten davon weit älter als er macht Isenegger den Schritt vom Angestellten zum Teilhaber und Unternehmer, befindet sich Booz Allen Hamilton doch zur Gänze im Besitz seiner Führungsriege, der Partner.
Da drängt sich die Frage auf, ob sich angesichts dessen und mit den über 3 Mrd Dollar Jahresumsatz im Hinterkopf gut schlafen lässt. Reto Isenegger überlegt kurz. «Ich habe bis anhin noch keine Veränderung in meinem Schlafverhalten festgestellt», antwortet er dann und weist darauf hin, dass Herausforderungen für ihn immer etwas sei, das er gerne und vor allem mit Freude anpacke «und wer Freude an dem hat, was er macht, der schläft in der Regel auch ziemlich gut».
Sollte er indes einmal nicht ausgeschlafen in seinem Zürcher Büro auftauchen, mit Ringen unter den Augen vielleicht, so habe dies ganz andere Gründe. Isenegger und seine Frau, eine Portfolio-Managerin, sind vor drei Monaten zum ersten Mal Eltern geworden. Da kann die Nacht ganz schnell ganz kurz werden.
Zweihand-Eierschachtel-Befüller
Reto Iseneggers berufliches Steckenpferd ist die Effizienzsteigerung, primär jene bei Banken und Finanzdienstleistern. Dass er einmal in der Unternehmensberatung landen würde, daran hat er als junger Mann nie gedacht. Wirklich überrascht jedoch habe dieser Schritt in seiner Familie letztlich dann doch niemanden. «Ich stand schon als kleiner Junge fasziniert neben meinem Vater, wenn er Zahlen in seine Kontobücher eintrug», erinnert sich der in Basel aufgewachsene Sohn einer Lehrerin und eines Fotofachhändlers; «was es heisst, Unternehmer zu sein und Entscheide zu treffen, das habe ich schon früh erkannt und es hat mir ungemein Eindruck gemacht.»
Sein erstes Geld allerdings hat er ausserhalb des elterlichen, im St.-Johann-Quartier beheimateten Geschäfts verdient. Am Fliessband, in einer Fabrik, mit Eierverpacken. Schon damals zeigte Isenegger junior eisernen Willen: Vom Rayon Importeier arbeitete er sich kontinuierlich ins Rayon Freilandeier hoch. Zwischen dort und heute, zwischen Zweihand-Eierschachtel Befüller und Unternehmensberater bei Booz Allen Hamilton, liegen nunmehr 20 Jahre, ein Wirtschaftsstudium an der Hochschule St. Gallen, Praktika bei Pharmariesen, Unternehmensberatern und Banken.
In genau diesem Umfeld sei auch der Entscheid gereift, die berufliche Laufbahn im Beratungssektor einzuschlagen. «Ich bin ein neugieriger Mensch», gesteht der leidenschaftliche Hobby-Ägyptologe mit einem Augenzwinkern, «wenn ich etwas in der Theorie begreife, dann will ich auch sehen, wie es sich in der Praxis verhält.»
Hohe Ziele
Eine Voraussetzung, die für einen erfolgreichen Berater unabdingbar sei. Eine weitere: Der Wille, gemeinsam und nicht im Alleingang etwas erreichen zu wollen. «Alles können Sie vom Wissensstand her schlichtweg nicht abdecken. Da sind Sie auf Kollegen mit Fachwissen angewiesen, an die Sie sich bei Fragen wenden können Berater sind immer auch Netzwerker, und eine Unternehmensberatung funktioniert wie eine Ehe, man braucht einander, um weiterzukommen, manchmal muss man für seine Sache kämpfen, manchmal auch nachgeben und den Konsens suchen.»
Auffällig aufgeräumt präsentiert sich das Büro des ehemaligen Interklub-Tennisspielers. Zwei grosse Poster an der Wand zeigen New York, erinnern an einen Abstecher in die USA während des Studiums. Ansonsten: Kein Papier, keine Unterlagen, keine Ordner. «Alles weggeschlossen», bemerkt Isenegger darauf angesprochen, «bei uns gilt das Prinzip .» Diskretion ist alles, immerfort gilt es, die Balance zwischen grösstmöglicher Zurückhaltung und notwendiger Publicity zu wahren.
Mischt Booz Allen Hamilton weltweit ganz oben im Beraterbusiness mit, so liegt das seit 1997 mit eigenem Büro auch in der Schweiz vertretene Unternehmen hier zu Lande noch auf Platz 5 der von McKinsey, Boston Consulting Group und Arthur D. Little angeführten Branche. Nach seinen primären Zielen gefragt, braucht Reto Isenegger nicht lange zu überlegen: «Ich will mit Booz Allen Hamilton in die Top drei.»
Dass, wer sich die eigenen Ziele so hoch steckt, über eine gehörige Portion Standhaftigkeit und auch Durchsetzungsvermögen verfügen muss, versteht sich von selbst. Isenegger, der sich als geduldiger Zeitgenosse bezeichnet, ist bemüht darum, in seinem eigenen Rhythmus zu gehen, die Balance zwischen feuerwehrübungsnotwendigem «go-go-go» und von der Vernunft diktiertem Tempo zu finden.
Was ihm hingegen absolut zuwider ist: Verlogenheit und Egoismus. Was ihn nervt: Schlechte Manieren und die Sippenhaft, in die Unternehmensberater mit schöner Regelmässigkeit genommen werden, wenn irgendwo auf der Welt ein Projekt schief gelaufen ist. Isenegger kennt das Bild zur Genüge, das in der Öffentlichkeit spätestens seit dem Swissair-Grounding von ihm und den Seinen gezeichnet wird. «Irgendwann», bemerkt er mit einem Achselzucken, «gewöhnt man sich an das Consultant-Bashing.» Isenegger bleibt sich selbst, faule Kompromisse zu machen gegenüber seiner Person oder den Klienten ist er auf keinen Fall bereit, seine Persönlichkeit zu opfern schon gar nicht. «Man kann auch in diesem Job nur dann erfolgreich sein, wenn man ganz dahintersteht, sich aber auch bewusst ist, dass es neben dem Beruf noch andere wichtige Dinge im Leben gibt.» Freunde, Familie, Kinder zum Beispiel.
Absolut beraterresistent
Die sozialen Komponenten würden heutzutage immer mehr in die Gespräche einfliessen, die er mit potenziellen Mitarbeitern führe. Sei noch vor fünf Jahren schnell einmal die Frage nach dem Salär gestellt worden, gehe es heute vermehrt um Punkte wie Teilzeitpensen oder Vaterschaftsurlaub. Den geringen Frauenanteil in der Beraterriege führt Isenegger zum einen auf das traditionell männlich behaftete Profil zurück, zum anderen auf die zeitlich überaus grosse Beanspruchung, die der Job mit sich bringt. «Es ist für eine Frau schwierig, aber nicht unmöglich, beispielsweise nach einer Babypause wieder Fuss im Consulting zu fassen», bemerkt Isenegger, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sich unter den sechs Partnern von Booz Allen Hamilton Schweiz auch eine zweifache Mutter befindet und die Firma, bei der jeder dritte Mitarbeiter eine Mitarbeiterin ist, kürzlich für ihren «Mütter-Anteil» ausgezeichnet worden ist.
Gerne würde er sich auch einmal eine Auszeit gönnen, um in Frankreich oder der Toskana von einem Weingut zum anderen zu reisen. Ein Vorhaben, das vorderhand allerdings auf die lange Bank geschoben sein dürfte. Denn neben seiner Funktion bei Booz Allen Hamilton ist da ja auch noch der kleine Sohn, der seinen Vater ab und an zu Gesicht bekommen soll. Und der Sprössling ist mit seinen drei Monaten im Stande, so vieles zu relativieren: «Das Wort hat für mich eine ganz neue Bedeutung erhalten», lacht Reto Isenegger, «mit einem Kleinkind können Sie nicht verhandeln, da gibt es nichts zu diskutieren.» Der kleine Isenegger verfügt über eine Gabe, die seinen Vater mitunter in die Bredouille bringt: Er ist absolut beraterresistent.
Hobby-Ägyptologe: Steckbrief
Name: Reto Isenegger
Funktion: Partner und Geschäftsführer Booz Allen Hamilton, Zürich
Alter: 35
Wohnort: Zollikon
Familie: Verheiratet, ein Kind
Karriere
1995-1998 STG-Coopers & Lybrand/PwC, Zürich
1998-2000 Roland Berger & Partner, Zürich, Senior Project Manager
2000-2005 Booz Allen Hamilton, Mitglied der Geschäftsleitung Schweiz und in der Global Financial Services Practice Group
Firma: Booz Allen Hamilton
Mit über 16 000 Beschäftigten und einem Umsatz von 3,3 Mrd Dollar zählt Booz Allen Hamilton zu den weltweit führenden Unternehmensberatungen. Das 1914 in Chicago gegründete Unternehmen, auf den Bereich Strategie- und Technologieberatung spezialisiert, befindet sich im Besitz seiner 250 aktiven Partner. In der Schweiz ist Booz Allen Hamilton seit 20 Jahren aktiv. Zu den Schweizer Klienten zählen Unternehmen aus den Bereichen Finanzdienstleistung, Telekommunikation und Technologie, Industrie, Transport, Pharma/Chemie, Energie und öffentlicher Sektor.