Wer beim französischen Juwelier Messika ein Collier oder Ohrringe kaufen will, kann den Diamantschmuck seit wenigen Tagen mit diversen Kryptowährungen bezahlen. Logisch: Bitcoin, Ether und Solana werden akzeptiert – aber auch fünfzig weitere, zum Teil nischige Währungen. Messika ist in guter Gesellschaft: Auch die LVMH-Uhrenmarken TAG Heuer und Hublot akzeptieren Bitcoin und Co. als Zahlungsmittel, diverse Privatjetfirmen und Luxuskliniken ebenfalls.

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Boom and Bust

Die Entwicklung zeigt nicht bloss den Wunsch diverser Luxushäuser, mit der Zeit zu gehen. Sie ist auch Ausdruck einer unformulierten Wette: darauf, dass sich die Geschichte wiederholt. Darauf, dass der in den letzten Wochen geschaffene virtuelle Reichtum in handfeste Luxusgüter – Uhren, Schmuck, Mode – umgetauscht wird.

Blenden wir zurück: 2020, 2021 und 2022 hatte zum Beispiel die grösste Kryptowährung Bitcoin bis dahin ungeahnte Kurse erreicht. Gleichzeitig sind seit Mitte 2020 diverse Indizes, welche die Preisentwicklung von Secondhanduhren darstellen, auf Rekordhöhen gestiegen. Sicher: Wir sprechen hier nicht von einer Korrelation. Aber der damals neue Reichtum hat zweifellos die Nachfrage nach hochwertigen Zeitmessern beflügelt. Der junge Kryptoinvestor Dadvan Yousuf jedenfalls zeigte sich anno 2022 während eines Interviews mit dem «Blick» mit einer Uhr von Richard Mille am Handgelenk. Kostenpunkt: 600 000 Franken.

Dann platzte im April 2022 auf dem Secondhanduhrenmarkt die Blase, die Preise für zuvor heiss begehrte Uhren brachen ein. Sie gaben teilweise um 50 und mehr Prozent nach. Und die Luxusgüterindustrie geriet in eine Krise, die nun bereits zwei Jahre anhält.

Könnte also der jüngste Krypto-Boom die Luxusindustrie aus dem Tal der Tränen holen? Dürfen Uhrenfirmen nach dem schwachen Jahr 2024 wieder auf anziehende Verkäufe hoffen? Ja und nein. Ja, weil es durchaus Grund zur Hoffnung gibt. Neu geschaffener Reichtum schlägt sich stets in einer steigenden Nachfrage nach Luxusprodukten nieder.

Krypto 2022 und Krypto 2025

Aber: Der Kryptoinvestor von heute ist nicht der Kryptoinvestor von vor zwei, drei Jahren. Heute drängen immer mehr Hedgefonds, Pensionskassen, Regierungen und weitere institutionelle Investoren in den Kryptomarkt. Gemäss einem Bericht von Bloomberg sind aktuell fast die Hälfte aller Hedgefonds in Kryptowährungen investiert. 2021 lag diese Zahl noch bei einem Fünftel.

Ein Grund für dieses sprunghaft angestiegene institutionelle Interesse – und für den Anstieg der Kryptowährungen – war die Entscheidung der amerikanischen Börsenaufsicht vor rund einem Jahr, Bitcoin-ETFs zuzulassen. Sie ermöglichen es Anlegerinnen und Anlegern, sich in Bitcoin zu engagieren, ohne die Währung direkt halten zu müssen.

Natürlich gibt es auch heute noch Kryptoinvestoren, die man als Krypto-Bros bezeichnen könnte. Immer noch tummeln sich viele Persönlichkeiten in der Branche, die bereits vor zwei, drei Jahren den Ton angaben. Aber es hat eben eine merkliche Verschiebung von «Shorts und T-Shirts zu Chinos und Patagonia-Westen» stattgefunden, wie es der «Economist» kürzlich formuliert hat. Und das bedeutet: Jene, die in den letzten Wochen und Monaten mit Kryptowährungen reich wurden, sind nicht Leute, die plötzlich im Geld schwimmen und dies anderen beweisen müssen – etwa mit einer teuren, schwer zu bekommenden Uhr am Handgelenk.

Verfrühte Hoffnungen?

Die Hoffnung also, dass sich der gestiegene Bitcoin-Kurs als Rettungsanker für die krisengeplagte Schweizer Uhrenindustrie erweisen wird, ist also trügerisch. Oder anders formuliert: Der Finanzler in der Patagonia-Weste ist allzu oft mit einer Apple Watch zufrieden. Oder mit einer kitschigen, preiswerten Uhr, wie dies jüngst dem «Wall Street Journal» aufgefallen ist. Die Zeitung zitiert den Träger einer 150-Dollar-Timex, der in leitender Position an der Wall Street arbeitet: «Ich muss niemandem mehr etwas beweisen.» Mit anderen Worten: Die Zukunft ist alles andere als garantiert. Es ist noch zu früh für den Luxusuhrenmarkt, seine Hoffnungen auf eine kryptogetriebene Wiederbelebung zu setzen. Im Moment sind Marken und Einzelhändler jedoch zweifellos froh, dass der Bitcoin-Kurs weiter steigt. Vielleicht wiederholt sich die Geschichte ja doch.