Warum haben Sie Revolut gegründet?
England ist eine Insel und bekannt fürs schlechte Wetter. Die Leute reisen oft, egal ob in die Ferien oder fürs Business. Das Land hat aber eine weltweit einzigartige Währung. Wie die Schweiz. Deshalb müssen die Engländer ständig ihr Geld umtauschen und die Banken schlagen daraus Kapital. Für Reisekarten, Währungsumrechnung, Überweisungen etc. kassieren sie einen Haufen Gebühren. Viele meiner Freunde haben deshalb weitere Bankkonten im Ausland. Das macht aber in einer digitalen Welt überhaupt keinen Sinn mehr.
Sie haben vorher für die UBS gearbeitet. War diese Erfahrung ein Beweggrund, eine eigene Firma zu gründen?
Ich war bei der UBS im Investment Banking. Dieser Bereich unterscheidet sich stark vom Retail Banking. Dort ist die UBS vor allem in der Schweiz gross, in den übrigen Ländern ist sie in diesem Bereich nicht präsent. Ich war bei der UBS Software Engineer. Das war vor rund acht Jahren. Natürlich hat aber auch dieser Job meine Gedanken über eine neue Art von Banking geprägt.
Revolut ist zwar hier nutzbar, aber ohne eine personalisierte IBAN. So kann man das Gehalt beispielsweise nicht auf ein Revolut-Konto überweisen lassen. Wollen Sie mit Ihrem Startup in der Schweiz richtig Fuss fassen?
Bis Ende des Jahres wollen wir die Möglichkeit bieten, eine «richtige» Schweizer IBAN zu besitzen. Die Schweiz ist ein sehr spannender Markt, den wir in Angriff nehmen möchten. Schliesslich haben wir bereits über 50'000 Kunden hier! Es ist das elftgrösste Land in unserem Portfolio. Trotz der bescheidenen Grösse.
Das Fintech Revolut ist eine «Smartphone»-Bank: Überweisungen, Zahlungen, Kreditkarten, Versicherungen, Währungen und bald auch Trading und Kryptowährungen – alles läuft über eine App. Dabei fallen praktisch keine Gebühren an.
Milliardenwert nach drei Jahren
In knapp drei Jahren hat Revolut drei Millionen Kunden gewonnen. Im April hat das vor vier Jahren gegründete Startup weitere 250 Millionen Dollar Investorengelder zu einer Gesamtbewertung von 1.7 Milliarden Dollar aufgenommen und gilt somit als eines der wertvollsten Fintech-Unternehmen der Welt. Das Unternehmen beschäftigt 450 Leute.
Revolut hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres in Deutschland, der Schweiz und Österreich auf 300'000 Kunden zu kommen. Bisher habe Revolut seinen Kunden über 600 Millionen Euro Gebühren «erspart». Das Transaktionsvolumen beträgt rund 15 Billionen Pfund.
Das ist beachtlich. Ich habe aber gehört, dass der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung noch nie von Revolut gehört hat...
Das überrascht mich nicht. Vielleicht hat er den Namen nicht richtig verstanden. Ich bin aber überzeugt, dass er uns bald kennenlernen wird (lacht).
Was machen Banken wie UBS, CS oder Deutsche Bank in Ihren Augen falsch?
Es geht nicht darum, was sie falsch machen, sondern was sie heute nicht richtig machen können. Das hat mit der Vergangenheit zu tun, mit der Finanzkrise, mit den Regulationen, mit der Struktur. In der Schweiz sind die Banken in Sachen Digitalisierung im Hintertreffen. Ich kenne die UBS App und sie funktioniert so lala. Ich habe das Gefühl, die Banken stecken nicht genug Effort in neue Technologien. Aber Banken sind grosse Organisationen, die lange Zeit benötigen, etwas Neues zu lancieren. Als Startup sind wir agiler. Wir probieren etwas aus, und wenn es der Kunde mag, dann implementieren wir es oder eben nicht.
Vlad Yatskeno ist Mitgründer und Chief Technology Officer von der Onlinebank Revolut. Vor seiner Zeit bei dem Fintech-Startup hat Vlad komplexe Systeme bei führenden Banken wie UBS und Deutsche Bank gebaut. Bei der UBS war er als Software-Ingenieur im Investment Banking tätig.
In der Welt zu Hause
Der 35-Jährige ist studierter Informatiker, hat ukrainische und polnische Wurzeln, ist in Deutschland aufgewachsen und besitzt seit Kurzem die britische Staatsbürgerschaft.
Wie viele Angebote haben Sie schon von Banken erhalten?
Ich hatte vor einiger Zeit ein paar solcher Gespräche. Das war, als wir rund eine Million Kunden erreichten. Ein Exit macht für mich aber keinen Sinn. Die Bank würde sich unser Produkt einverleiben und dann sind wir wieder gleich weit. Wir müssen auch nicht die Marke ändern. Der Name ist bekannt.
Sie sind in Europa in 17 Märkten tätig. Warum nicht in den USA?
Wir haben dort Anträge gestellt. Aber der Finanzmarkt in den USA ist strenger reguliert als in Europa. Jeder Bundesstaat stellt eigene Lizenzen aus. Wir rechnen aber damit, dass wir in den nächsten Monaten launchen können. Vor allem auch, weil in den USA schon 60'000 Kunden auf der Warteliste stehen.
Brauchen Sie eine eigentlich eine Banklizenz für Ihr Angebot, etwa auch in der Schweiz?
Nicht wirklich. Um Zahlungen abzuwickeln oder eine Kreditkarte auszustellen, braucht es keine Banklizenz. Wenn wir aber eine Firma in der Schweiz gründen, sind wir den lokalen Gesetzen unterstellt und dann benötigen wir auch die notwendige Lizenz.
Wie verdienen Sie eigentlich Geld? Viele Dienste sind gratis...
Unsere Haupteinnahmequelle sind die Karten. Wenn du damit zahlst, dann kriegen wir eine Provision. Wir bieten aber auch Premium-Mitgliedschaften und Business-Accounts an. Diese kosten zusätzlich.
Sie sind in London basiert, nächstes Jahr ist der Brexit. Wollen Sie nach Frankfurt oder Zürich ziehen?
Wir warten auf unsere europaweite Banklizenz. Danach sind wir unabhängiger. Zürich ist spannend, Frankfurt ist weniger ein Thema. Wir sind mit Vertretungen in allen EU-Ländern aktiv, aber wir müssen schauen, was der Markt nach dem Brexit verlangt.
Planen Sie auch physische Bankfilialen zu eröffnen?
Nein, das wäre wahrhaftig eine Platzverschwendung (lacht). Ich finde es sehr unbequem, eine Bankfiliale zu betreten. Für was soll das notwendig sein? Geld ist digital. Es braucht einen Shop oder ein Schaufenster für physische Dinge wie Kleider, oder um einen Kaffee zu trinken. Aber doch nicht für Überweisungen. Wer benutzt denn noch Bargeld?
Auf der App sind auch Angebote wie Kredite oder Versicherungen zu sehen, sie lassen sich aber nicht nutzen. Wird das künftig eine weitere Einnahmequelle bieten?
Diese Angebote lassen sich in der Schweiz nicht nutzen, aber in anderen Ländern schon. Wir bieten dort etwa Versicherungen für iPhones an, das ist super einfach. Oder eine «pay-per-day»-Versicherung, die deine Location trackt. Wenn du in ein anderes Land reist, geht sie an, bist du wieder zu Hause, schaltet sie sich ab. Sie kostet ein Pfund pro Tag. In den Premium-Jahresmitgliedschaften ist sie beispielsweise automatisch integriert. Wir werden in Kürze auch eine Wealth-Management-Lösung launchen, wo die Leute in ETF’s investieren können. Später werden wir auch ein komissionsfreies Handeln von Aktien integrieren.
Die UBS hat ihren Roboadvisor in Pension geschickt, Banken sind skeptisch gegenüber Künstlicher Intelligenz in der Beratung geworden. Wie viel KI verwenden sie bei Revolut?
Wir brauchen kein Künstliche Intelligenz. Der Kunde teilt uns ständig mit, was er sich wünscht. Wir reagieren genau auf die Kundenbedürfnisse. Das ist bei den gestandenen Banken leider nicht der Fall. Dort werden viele Services vorgegeben. Deshalb empfindet der heutige Kunden Bankgeschäfte als mühsam. Es gibt Banken, da zahlst du 10 bis 20 Pfund für eine Überweisung. Das ist doch eine Zumutung! Bei Revolut ist Banking einfach, zugänglich und dadurch kostengünstiger. Die heutigen KI-Anwendungen sind noch nicht ausgereift, man muss sie andauernd korrigieren. Automatisches Traden ist übrigens auch nicht AI, sondern alles wird von Menschen vorgegeben. Ich sehe eine Anwendung für RoboAdvisor, wenn ein Kunde sein Geld auf dem Konto rumliegen lässt und nicht nutzt. Dann kann ein Roboter Tipps und Tricks fürs Budget geben.
Planen Sie einen IPO?
Nein, wir möchten Revolut noch in anderen Märkten etablieren. Ein IPO ist nicht unser Ziel. Das würde uns mit all den Regulationen zu sehr bremsen.
Aber Sie können Geld einsammeln...
Wir sind finanziell gut unterwegs. Wir planen zurzeit auch keine grossen Investitionen. Ende des Jahres werden wir den Break-even schaffen.
Was wird in den nächsten fünf Jahren im Banking passieren?
Europa ist ein guter Platz für Fintech. Die Regulierungen sind angenehm und helfen, in diesem Feld führend zu sein. Natürlich rede ich dabei auch von der Schweiz, die als Top-Finanzplatz eine jahrhundertealte Tradition hat. Von diesem europäischen Ökosystem können andere Länder und Kontinente lernen und profitieren.
Spüren Sie die Ambitionen der Schweiz, im Bereich Fintech führend zu werden?
Es wäre traurig, wenn die Schweiz keine solchen Ambitionen hätte. Die Schweiz ist eine der grössten Finanzplätze der Welt. Und jetzt ist in den letzten Jahren noch die ganze Krypto-Sache dazugekommen. Das sind ideale Voraussetzungen.
Wie sieht das ganze Blockchain-Thema bei Revolut aus?
Unser Antrieb ist, die Probleme der Leute zu lösen. Man kann über unsere App Kryptowährungen kaufen. Wir bieten damit einen einfachen Zugang für interessierte Kunden, die keine Lust haben, den ganzen komplizierten Prozess mitzumachen. Wir bieten aber keine Kryptowährungen Wallets an. Es gibt noch zu viele Probleme mit Kryptowährungen. Sie sind zu wenig reguliert und nirgendwo akzeptiert. Zudem ist es ein Paralleluniversum, in dem sich auch Kriminelle tummeln. Ich weiss heute nicht, wem Kryptowährungen wirklich was bringen sollen.
Was würden Sie UBS-Chef Sergio Ermotti raten?
Er soll sich mehr den Bedürfnissen der heutigen Kunden anpassen und weniger der Struktur. Und einfach machen, machen, machen!