Der Medienkonzern Tamedia kauft das Online-Auktionshaus Ricardo für 240 Millionen Franken – das ist rund das Sechsfache des jährlichen Umsatzes. Das Unternehmen hat sich damit im Bieterkampf um den grössten Onlinehändler der Schweiz gegen den Konkurrenten Ringier und das US-Haus Ebay durchgesetzt. Selbst die beiden grossen Detailhändler Migros und Coop waren an Ricardo interessiert.
Der Erwerb von Ricardo bedeutet erheblich mehr Marktmacht für das Medienhaus Tamedia. Die Investition sei ein entscheidender, strategischer Schritt, sagt Tamedia-Chef Christoph Tonini in einer Medienkonferenz. Die Fahrzeugplattform autoricardo.ch ergänze das eigene Car4You-Angebot. Rund 100'000 Autos werden über Ricardo gehandelt, 10'000 Stück werden monatlich verkauft. Die Zahl der Website-Aufrufe wird auf 1,5 Millionen pro Monat geschätzt. Tamedia plane nun, die beiden Plattformen zusammenzuführen und damit Nummer zwei hinter Marktführer Ringier zu werden.
Marktführerschaft im Business mit Kleinanzeigen
Im Fokus der Akquise liegt das Geschäft mit digitalen Kleinanzeigen. Zur Ricardo-Gruppe gehört die Plattform Olx.ch, Tamedia buhlt mit Tutti.ch um Marktanteile. Konkurrent Ringier lockt mit Anibis.ch. Auch hier möchte Tamedia die beiden Plattformen zusammenlegen, das neue Angebot wäre das grösste im Markt. Das Geschäft mit Kleinanzeigen zählt zu den klassischen Einnahmequellen für Verlage, die digitale Variante ist darum für Medienhäuser wichtig.
Das Herz der Ricardo-Gruppe ist aber die seit 1999 bestehende Plattform Ricardo.ch. Auf dem Online-Marktplatz tummeln sich 2,3 Millionen Nutzer. 1200 Personen kommen täglich hinzu, 20'000 Artikel werden täglich verkauft. Diese Zahlen übertreffen alle anderen Online-Dienstleister.
Konkurrenz bleibt gelassen
Unter dem Strich wird das Medienhaus Tamedia also zur Nummer eins bei Online-Marktplätzen und im Kleinanzeigengeschäft und zur Nummer zwei im Online-Automarkt. Bei den Immobilien lieferten sich Tamedia und Ringier schon vor dem Millionen-Zukauf ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Im Jobmarkt ist man gemeinsam Marktführer. Teilen Tamedia und Ringier damit den Markt untereinander auf, zum Nachteil des Konsumenten?
«Tendenziell ist die Konsolidierung des Marktes gut für die Konsumenten», sagt Felix Schneuwly, Experte des Internet-Vergleichdienstes Comparis.ch. Vorausgesetzt sei aber natürlich, dass der Wettbewerb funktioniere. Ob dieser gewährleistet sei, müsse letztlich die Wettbewerbskommission (Weko) entscheiden. Schneuwly glaubt aber nicht, dass die Weko ein Veto einlegen wird.
Im Interesse der Konsumenten
Konsumenten hätten ein Interesse, dass starke Anbieter gegeneinander konkurrieren, so Schneuwly – und nicht daran, dass möglichst viele Wettbewerber im Markt seien.
Diese Entwicklung zeigt sich in der ganzen Branche: Kleine Anbieter schliessen sich immer öfter zusammen, um sich so besser gegen die Branchen-Schwergewichte wehren zu können und im Kampf um Online-Käufer die besten Karten zu haben. Die Ricardo-Übernahme reiht sich ein in zahlreiche kleinere Deals. Microspot, Steg, Digitec, Kindertraum.ch und andere operieren nicht mehr alleine.
Ringier rechnet mit lebhaftem Wettbewerb
Auch Tamedia-Konkurrent Ringier geht davon aus, dass der Wettbewerb interessant bleibt. Die Konsolidierung des Marktes werde auch nicht dazu führen, dass die zwei Medienhäuser sich zurücklehnen könnten – im Gegenteil. Das zeige sich zum Beispiel im Markt für Kleinanzeigen. «Der Zusammenschluss von Tutti.ch und Olx.ch schreckt uns nicht ab, sondern spornt uns an, diesen Wettbewerb anzunehmen und für uns zu gewinnen», sagt die Ringier-Sprecherin Danja Spring. Die Konkurrenz bleibe intensiv und werde den Markt auch künftig beleben – zugunsten des Konsumenten.