Die «Gletscherspalte» beim Hotel Astoria in Luzern lässt niemanden kalt. Das exzentrische Element über acht Stockwerke aus Glas und Metall haben die Stararchitekten Herzog & de Meuron gestaltet. Wie auch die Kongresszone, die Gästezimmer und die Lobby, die über die «Gletscherspalte» zu erreichen ist. Es gab schon Architekturkritiker, die der Lobby den «Charme einer Zahnarztpraxis» zusprachen. Tatsächlich wirkt sie auf den ersten Blick steril; wäre da nicht die fast schon romantische Reception, aufwendig bestückt mit perlmuttschimmernden Mosaikplättchen.
Hotel-Imperium in drei Gebäuden
Captain Urs Karli begrüsst höflich und führt in sein Cockpit. Bezüglich Kritiken höre er nicht immer alles, sagt der elegant gekleidete Mann. Natürlich sei er stolz, mit weltberühmten Architekten zusammengearbeitet zu haben. Während Herzog & de Meuron im «Astoria» einen sachlich-modernen Stil angewandt hätten, sei Jean Nouvel bei «The Hotel» eher verspielt vorgegangen. Karlis Imperium umfasst zusätzlich das Hotel Schiller, sechs Restaurants, sechs Bars sowie zwölf Kongressräume. Alles untergebracht in drei Luzerner Gebäudekomplexen, die 300 m auseinander liegen sowie höchstens fünf Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt sind.
Jedes Lokal eröffnet eine andere Welt. Das «La Cucina» erscheint im Stil einer italienischen Kantine der Extraklasse. «Der Authentizität wegen arbeiten dort nur Italiener, die südlich von Napoli aufgewachsen sind», bemerkt Karli. Im «Latino» gibt es argentinische Bio-Rindsteaks von Dieter Meier. Den Kontakt zum «Yello»-Frontmann hat Karlis Tochter in New York eingefädelt, wo sie arbeitet. Im imposanten Gourmettempel «Thai Garden» lächeln fast ebenso viele Buddhas wie Gäste. Das «Mekong» ist eine Referenz an den südostasiatischen Fluss und die Strassenküchen.
Mit «The Hotel» hat Karli vor zehn Jahren das erste Design-Hotel der Schweiz eröffnet. «Wenn die Gäste die beleuchteten Bilder an den Zimmerdecken sehen, sollen sie das Gefühl haben, am richtigen Ort gebucht zu haben», erklärt der Hotelier. Den «Pravda»-Club, lange als einer der schönsten im Land gehandelt, hat er inzwischen vermietet. Dafür sei er nun etwas zu alt geworden, meint der 63-Jährige, der als einer der innovativsten Gastgeber der Schweiz gilt.
Den Arbeitstag beginnt Karli jeweils um 9 Uhr mit Kaffee und einem Stapel Zeitungen, möglichst unbehelligt in einem seiner Lokale. Zu den Ritualen gehören auch die Touren während der Lunch- und Dinner-Zeiten durch die Restaurants. «Dabei erfahre ich unmittelbar die Zufriedenheit der Gäste. Das Beobachten der Menschen gibt auch Aufschluss, welche Vorlieben sie haben», sagt Karli. Man müsse den Leuten etwas bieten. Wenn sie ausgehen, wollen sie überrascht und verführt werden. Schliesslich hätten alle zu Hause Kühlschrank und Kochherd. Selber mag Karli einfach zubereiteten Meeresfisch mit Butter, Salz und Pfeffer, dazu Salzkartoffeln sowie Champagner (mittags) oder Bordeaux (abends).
Als Wirtssohn bei Solothurn aufgewachsen, absolvierte Karli nach einer Kochlehre die Hotelfachschule in Lausanne. Es folgten Engagements in Nobelherbergen in London und Paris. 1977 kaufte er das Hotel Astoria, später das Hotel Schiller und ein altes Stadthaus, das er zum Boutique-Hotel umbauen liess. Im Lauf der Zeit hat Karli an den drei Orten eigentlich alles neu- oder umgebaut, Konzepte verfeinert und acht Lokale, die nicht mehr den urbanen Ansprüchen der Zeit genügten, ersetzt. «Neue Ideen zu entwickeln und durchzuführen, ist für mich wie eine Sucht», gesteht Karli. Diese lässt er sich einiges kosten: Allein für den Umbau des Hotels Astoria habe er deutlich über 23 Mio Fr. investiert - den Zukauf von zwei Nachbarsgebäuden nicht eingerechnet. «Ich bin ein Unternehmer, der risikofreudig kalkuliert», sagt Karli. Gerade in Krisenzeiten, die sich bei der Astoria-Hotelgruppe durch Umsatz- und Frequenzrückgang bemerkbar machten, denke er nicht daran, von Bord zu gehen. «Ich bleibe noch mindestens zehn Jahre im Amt.»
Karlis vorläufig letztes Vorhaben
Karli arbeitet durchschnittlich 5,5 Tage die Woche. Die Ferien verbringt er vorab in inspirierenden Hotels überall auf der Welt. Seine Lieblingsadressen: Das meditative Amman-Resort in Bhutan und das ultimative Standard-Hotel in New York. Ein bisschen «Standard» sind ja auch die «Wall-to-Wall-Windows»-Gästezimmer im «Astoria» geworden. «Man schaltet nach dem Ausgang das Licht aus und erlebt vom Bett die Nachtstimmung New Yorks bzw. Luzerns», ergänzt Karli. New York sei der Geburtsort jedes neuen Hotelkonzepts.
Aber man könne nicht einfach eine Idee aus dem Big Apple in eine Kleinstadt transferieren. Wobei wohl auch New Yorker Hotelgäste hin und weg wären ob der Aussicht in der Outdoor-Lounge im achten Stock des «Astoria». Hier erschliesst sich einem das Bergpanorama von Rigi bis Pilatus, idealerweise bei Abendrotstimmung. «In welchem urbanen Umfeld geniesst man eine solche Aussicht», fragt Karli. Dort oben zu verweilen, wäre aber nicht seine Art. Im Büro liegen Porzellan- und Polsterbeispiele für das vorläufig letzte Vorhaben bereit: Ein Keller des Hotels Schiller wurde zur «Casablanca»-Bar umgebaut.