Hartnäckig macht in der Branche ein Gerücht die Runde: Nach Henniez soll Rivella, das letzte grössere Schweizer Familieunternehmen im Getränkemarkt, nun auch noch verkauft werden. Tatsächlich schliesst Rivella-Verwaltungsratspräsident Alexander Barth einen Verkauf nicht aus: «Wenn ein sinnvolles Angebot kommt, prüfen wir das sehr genau.» Sinnvoll bedeutet für ihn aber nicht nur ein guter Preis, sondern vor allem auch ein Weiterbestand des Unternehmens.
Stolzer Name am Scheideweg
Die Familienfirma gehört Alexander Barth, seinen beiden Geschwistern und seiner Mutter. Der Vater und Gründer ist 2007 verstorben. «Es gibt für die Zukunft zwei Möglichkeiten. Entweder übernimmt die Nachkommenschaft den Betrieb oder wir verkaufen. Wir gehen nicht zwingend davon aus, dass die Nachkommenschaft übernimmt», sagt der VR-Präsident.
Die traditionsreiche Firma mit dem einzigartigen Brand erhalte Anfragen von Konzernen aus der Branche, von Investmentgruppen, aber auch von Einzelleuten aus dem In- und Ausland. «Wir führen aber zurzeit keine konkreten Verkaufsverhandlungen», erklärt Barth. Nicht zum Kreis der interessierten Käufer zählt Coca-Cola. «Der Kauf von Rivella ist für uns momentan kein Thema. Die Wettbewerbskommission würde dies kaum genehmigen», meint Coca-Cola-Sprecherin Pia Lehmann. Nestlé und Migros kommentieren einen möglichen Kauf nicht.
Wer die potenziellen Käufer sind, will VR-Präsident Barth nicht verraten. Klar aber ist: «Wir schliessen einen Börsengang aus. Denn wir können unsere Expansion aus eigenen Mitteln finanzieren.»
In den vergangenen Jahren ist Rivella aber nicht gewachsen. Im Gegenteil. Die Marke hat trotz hohem Bekanntheitsgrad Umsatz und Marktanteile verloren (siehe Tabelle). Seit 2003 ist der Umsatz um 12% eingebrochen. Ertragszahlen publiziert das Unternehmen nicht.
«Unsere Ziele für 2007 haben wir nicht erreicht», gibt Franz Rieder, der CEO von Rivella, unumwunden zu. «Aber das Wasser steht uns nicht bis zum Hals.» Immerhin sei 2008 bisher gut gelaufen. Der Umsatz habe bis Ende Juni im Vergleich zum Vorjahr um 3% zugenommen, «auch wenn Rivella im Juni wegen des schlechten Wetters und an der Euro 08 wegen der Verbannung aus den Fanzonen gelitten hat».
Rieder erklärt den Rückgang so: «Die Konzentration im Detailhandel hat unserer Firma in den letzten Jahren zu schaffen gemacht.» Konkret nennt er Pick Pay, Waro, Epa oder Carrefour. Sie alle sind von der Bildfläche verschwunden und waren grosse Abnehmer von Michel Fruchtsaftprodukten, dem zweiten tragenden Getränkepfeiler der Rivella-Gruppe (siehe Kasten). «Zudem hat uns die Preishysterie im Detailhandel geschadet.» Bei der Rabattschlacht mit den vielen Preisaktionen macht Rivella nicht mit. Billige Eigenmarken des Handels, aromatisierte Wässer, aber auch die erfolgreichen Aktivitäten des internationalen Hauptkonkurrenten haben den Rothrister Getränkehersteller Marktanteile verlieren lassen. «Letztes Jahr hat Coca-Cola mit Coke Zero eine Meisterleistung erbracht», sagt Rieder anerkennend. Und es droht weiteres Ungemach: Eine Flut von neuen Getränken überschwemmt den Schweizer Markt und macht Rivella das Leben schwer. Weshalb in weiser Voraussicht das Auslandsgeschäft forcierte wurde – wobei auch teures Lehrgeld bezahlt werden musste. Gründlich missraten ist die Expansion nach Grossbritannien und in die USA, wo Millionenverluste eingefahren wurden. Trotzdem will Rivella weiter über die Grenzen hinweg expandieren. «Wir sind zum Wachstum im Ausland verdammt, denn in der Schweiz ist der Markt gesättigt.» Neben den etablierten Märkten Holland und Luxemburg geht die Expansion in kleineren Schritten im grenznahen Ausland voran, vorerst in Ostfrankreich, in Vorarlberg und vor allem im süddeutschen Raum. Hier wirbt Emil Steinberger, der laut Rivella «nach Wilhelm Tell bekannteste Schweizer in Deutschland».
Mit Michel Power Coffeeberry hat Rivella Anfang dieses Jahres ihre aggressive Vorwärtsstrategie bereits vorgespurt. Ende August soll eine «Weltneuheit», eine «Pioniertat» (Rieder) auf den Schweizer Markt gebracht werden, an der lange geforscht wurde. Details will Rieder noch nicht verraten, aber das neue Produkt soll so bahnbrechend sein wie einst Rivella – das Schweizer Kultgetränk, welches Robert Barth, der Vater des heutigen VR-Präsidenten Alexander Barth, 1952 lanciert hat. Und damit ein Stück unabhängige Swissness schuf, die sich immerhin seit einem halben Jahrhundert behaupten konnte.